Elmar L. Kuhn

Fundstücke - Arnold Stadler


stadler.jpg

Dezember 2024

Arnold Stadler: Auf dem Weg nach Winterreute. Ein Ausflug in die Welt des Malers Jakob Bräckle. Salzburg-Wien: Jung und Jung, 2012.

Es war die Welt von heute, die ich beim Fahren über Land durch die leergeräumte Welt Oberschwabens sah, als wäre sie nun auch leergeräumt. „Leergeräumt“ waren freilich nur ihre Felder. Sonst war einiges dazugekommen, wie ich sah, denn leben muss der Mensch auch von etwas, ich weiß schon, aber vielleicht wäre es auch etwas anders gegangen: all die Umgehungsstraßen und die grauenerregend zersiedelten „Gewerbeparks“, die nun zur kleinsten Siedlung gehörten, mit ihren Solaranlagen, die aus jedem Dorf eine Dorfattrappe machten.

Und die verlorenen, flurbereinigten Felder in „Ortsrandlage“ lagen da, als wären sie nun tatsächlich nichts anderes als für die Innovationsindustrie „ausgewiesene Fläche“ da, um für jede Brutalität ein Betätigungsfeld zu bieten. Und nun drohten der ganzen Gegend, die ich durchfahren hatte, auch noch die Windkraftmonster. Das schlechte Gewissen der Profiteure erklärte die in Aussicht gestellte Zerstörung zu einer ökologischen Heldentat. Die Menschen hier hatten sich sei den Bauernkriegen niemals wieder gewehrt. Da wurde also verfügt, was aus diesem Land werden soll. Es fanden sich vor Ort immer Verbündete, für jeden Irrsinn, mit dem Geld zu machen war. Die Menschen vor Ort mussten es büßen, die mit Schlagwörtern wie „Innovation“ traktiert wurden, welches das missliebig gewordene „Investition“ verdrängt hatte, so wie längst das Wort „arm“ aus dem Verkehr gezogen war von den Experten und durch „strukturschwach“ ersetzt. …

Mancher Mensch von heute glaubte immer noch an den Fortschritt und führte noch das Wort „Errungenschaft“ im Mund, …

S. 34f.



Copyright 2024 Elmar L. Kuhn