Mai 2017
Martin Heidegger:
Oberschwaben, „Geburtsort des abendländischen Wesens“
Immer deutlicher wird in mir die Ahnung, daß unsere Heimat, der Kern des südwestdeutschen Landes, der geschichtliche Geburtsort des abendländischen Wesens seyn wird. Das mag seltsam klingen, aber es kann nicht anders seyn; denn es ist das geistesvolle und zugleich erdenhaft schöne Land. Es birgt unsichtbaren Reichtum dem Gemüt, bewahrt tiefstes Dichten und höchste Gestalt der Sage. Aber wir müssen diesen Geburtsort erst entdecken und erwecken aus dem abendländischen Denken, ohne an dem haften zu bleiben, was eine verirrte Zeit zurückgelassen und dem Schein nach, doch nicht eigentlich, entwurzelt hat. (Freyheit).
Erst in der Heimkunft wird Heimat. Nur so erfahren wir ihr sammelndes, ereignendes Wesen – das dann über sich hinauslangt in das geschichtlich Bleibende. Wir sind zwar noch nicht angekommen im Abendland und doch sind einige schon in seiner Nähe, die nur noch durch das allzu Nahe des Gewöhnlichen verschlossen wird.
Martin Heidegger: Anmerkungen I-V (Schwarze Hefte 1942-1948). Hg. Peter Trawny. Frankfurt: Klostermann, 2015 (Martin Heidegger: Gesamtausgabe, IV. Abt., Band 97), S. 54 (1945).