Elmar L. Kuhn

Fundstücke - Horaz


Horaz-Denkmal (1898) in Venosa

Juni 2021

Quintus Horatius Flaccus
Satiren

1,1

Der Mann …
der wohl gelebt zu haben
versichert und vergnügt mit seinem Anteil,
vom Leben wie ein Gast von einem Mahle
gesättigt weggeht.

1,4

Ein Scherz, ein lachend Wort entscheidet oft
die größten Sachen treffender und besser
als Ernst und Schärfe. …
Wenn dein Gemüt und Körper mit den Jahren
mehr Festigkeit gewonnen haben,
dann wirst du ohne Kork zu schwimmen wissen.

1,6

… kehre dann nach Hause
zu einer Schüssel Erbsen, Lauch und Plinsen; …

2,3

… auf dich selber zürnend, dass die Neigung
zum Wein und Schlaf nichts, was der Rede wert ist,
dich schreiben lässt. Was soll das endlich werden? …
Frisch ans Werk! Es will nicht gehn?
Du hattest doch die Miene, große Dinge
zu Tag zu fördern, wie dein stilles Meierhöfchen
ins laue Dach dich aufgenommen hätte.

2,6

Das hatte immer zu meinen Wünschen gehört: ein nicht eben großes Stück Land,
wo ein Garten und nahe beim Haus eine Quelle nie versiegenden Wassers
und ein bißchen Wald darüber wäre. …
Wann werd ich wieder selbstgepflanzten Kohl mit Speck
Und dem Pythagoras verwandten Bohnen
auf meinem Tische sehn! O wahre Göttermahle!

Epoden

2

Glücklich, wer ferne von Geschäften, …
die väterlichen Felder mit eigenen Rindern pflügt …

16

Rom fällt durch seine eigenen Kräfte; …
Das werden wir zugrunde richten, wir verruchtes und mit Fluch beladenes Geschlecht;
und die Stätte, wo es stund, wird den wilden Tieren wieder heimfallen.
Ach! Ein Barbar wird als Überwinder über der Asche stehen
und als Reiter mit tönendem Hufe auf Rom schlagen, …

Oden

1,9

Was morgen geschehn wird, kümmre dich nicht.
Jeder Tag sei dir Gewinn, den das Verhängnis dir schenkt.
Verschmähe die Freuden der Liebe,
verschmäh, o Jüngling, den Reigentanz nicht.

1,11

Sei weise und kläre den Wein, und schränke auf dies kurze Leben
deine weitstrebenden Hoffnungen ein.
Indem wir sprechen, fliehn die neidischen Jahre,
ergreif den Tag, und traue nicht leichtgläubig dem kommenden.

1,19

Die grausame Mutter der Begierden
und der Sohn der thebanischen Semele (Bacchus)
und die lüsterne Freizügigkeit befehlen mir
auf beendete Liebe den Sinn zurückzulenken.

1,31

Zu genießen, was mir zuteil wurde, und gesund zu sein, mögest du,
Sohn der Leto (Apollo), mir schenken, und ich bitte, dass ich mit heilem
Verstand weder ein unwürdiges Greisenalter
verbringe noch eines, dem die Lyra fehlt! …
Mein Mahl ist die Olive,
Endivium und leichte Malven.

2,3

Erhalt‘ im Unglück dir ein Herz voll Gleichmut,
im Glücke unberauscht vom Lärm
der wilden Fröhlichkeit, …

2,11

Es flieht rückwärts
die glattwandige Jugend und ihr Charme, während das verwelkte
graue Alter vertreibt die ausgelassenen
Amouren und den leichten Schlaf.
Nicht immer gleich ist die Pracht der Blumen
im Frühling und nicht glänzt der rötliche Mond mit einem einzigen
Antlitz. Was ermüdest du den Geist, der überfordert ist
mit Gedanken über die Ewigkeit?
Warum liegen wir nicht unter der hohen Platane
oder dieser Pinie einfach so und trinken, mit Rosenduft
die grauen Haare getränkt,
solange es vergönnt ist, mit syrischem
Balsam gesalbt? Es vertreibt Bacchus
die nagenden Sorgen.

2,14

Kein Frommsein verzögert
die Runzeln, das kommende Alter,
den unbezwinglichen Tod.

2,16

Mit Wenigem lebt der beglückt, dem auf dem dürftigen
Tische das väterliche Salzfass blinkt,
wenn ihm nicht Furcht, nicht niedrige Habsucht den leichten
Schlummer entführet.
Was ringen wir bei diesem so kurzen Leben
nach weitem Ziel? Was wechseln wir Gegenden, von andern
Sonnen erwärmet? Mag, wer dem Vaterland entfloh,
sich selber entfliehen? …
Ein Herz, zufrieden mit dem Gegenwärtigen,
hasst alle Sorgen für das, was künftig ist,
und lächelt des Lebens Bitterkeiten hinweg! Nichts ist
vollkommen beglücket.

3,8

Lebe dir nun selbst und sorge nicht,
genieß mit frohem Mut, was dieser Augenblick dir schenket,
und verscheuche jetzt der Geschäfte Ernst.

3,29

Der lebt seiner selbst mächtig
und froh, der an jeglichem Tage
sich sagen darf: Ich habe gelebt! Morgen mag
Jupiter mit Nacht den Himmel schwärzen.

Epistel

1,1

Man geht, soweit man kann, wenn weiter
zu geh’n nicht möglich ist. …
Die Laster meiden ist schon Tugend, frei
von Torheit sein der Weisheit erste Stufe.

1,2

Frisch angefangen ist schon halb getan.
Was säumst du? Wag‘ es auf der Stelle, weise
zu sein!

1,4

Nimm du den Tag, der anbricht, für den letzten;
So wird dir jede unverhoffte Stunde,
die noch hinzu kommt, desto werter kommen.

1,8

Recht zu leben ist mir nicht möglich,
weil ich seelisch weniger gesund bin als am ganzen Körper
und nichts hören, nichts lernen möchte, was meine Krankheit lindern könnte,
mich über die verlässlichen Ärzte ärgere, …
und weil ich Dingen nachjage, die mir geschadet haben, und meide,
was, wie ich glaube, mir nützen könnte, …

1,11

Nimm du jede frohe Stunde,
die Gott dir schenkt, mit Dank an und verliere nie
das Gegenwärt’ge durch Entwürfe für
ein künftiges Vergnügen, sondern richte so
dich ein, dass, wo du immer lebst, du gern
gelebt zu haben sagen könnest.

1,15

Gewöhnlich ist mein Wahlspruch: klein und sicher!
Und weil ich muss, so kann ich wie ein andrer
bei Hausmannskost den Philosophen machen.
Doch stößt mir etwas Bessers auf, sogleich
wird umgestimmt, und nun behaupt‘ ich laut,
dass niemand weise sei und wohl zu leben
verstehe als ihr andern, deren
wohl begründete fruchtbare Kapitale
aus fetten Gütern uns entgegen glänzen.

1,18

… was meinst du, dass ich denke?...
… lasst mich mir selber leben!
Lasst mir‘s an Büchern nicht, auch nicht an Vorrat,
was auf ein Jahr vonnöten ist, gebrechen,
damit die ungewisse Zukunft im Genuss
des Gegenwärt’gen mich nicht stören müsse!

2,1

… ist es nicht
der Dichter, …
der gegenwärt’gen Zeit
verworrenes Rätsel durch der ältern Welt
Beispiele ihm entwickelt und in Not
und kranken Tagen Trost und Lindrung schafft?

2,2

Jedes Jahr
des Lebens, wie es abgeht, nimmt auch was von uns
als Beute mit: Sie haben Scherz und Spiel,
sie haben Wein und Kuss mit schon entrissen
und ringen mir nun auch die Leier aus der Hand.

2,3

Entweder nützen oder unterhalten wollen die Dichter
oder das sagen, was zugleich erfreulich ist und zweckmäßig fürs Leben.

Eckhard Lefèvre: Horaz. Dichter im augusteischen Rom. München: Beck, 1993.
Niklas Holzberg: Horaz. Dichter und Werk. München: Beck, 2009.



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