Elmar L. Kuhn

Die Reformation in Oberschwaben


Epitaph von Johann Fabri im Stephnsdom Wien.

1.3 Der Klerus

Über die Besetzung der Pfarrstellen und Kaplaneien entschieden die sog. Patronatsherren, Landesherren, Stadträte oder Stifter, meist Laien oder Klöster. In der Grafschaft Tettnang verfügten die Grafen von Montfort über die Patronate von sieben Pfarreien (darunter Gattnan), drei waren Klöstern inkorporiert: Weingarten, Weißenau und Langnau (Hiltensweiler). Dem Bischof, bzw. seinem Ordinariat blieb nur die Überprüfung, ob die Bewerber über die nötigsten Grundkenntnisse für ihre angestrebtes geistliches Amt verfügten. Pfarrer strebten nach der Übertragung von mehreren Pfarreien, die sie dann durch schlecht bezahlte Vikare versehen ließen, ebenso wie die Klöster auf den ihnen inkorporierten, also dauerhaft übereigneten Pfarreien. Etwa die Hälfte aller oberschwäbischen Pfarreien wurde von Stellvertretern versehen, die nur mit einem Drittel der Pfarreinkünfte entlohnt wurden. Ein krasses Beispiel für die Pfründenhäufung ist Johann Fabri, er hatte gleichzeitig die Pfarrstellen von Lindau, Leutkirch und Wain inne, wurde 1518 Generalvikar des Bistums Konstanz, 1523 Hofprediger Erzherzog Ferdinands in Wien und ab 1530 Bischof von Wien. Die Pfarrstellen behielt er bis zu seinem Tod 1541 bei, besuchte seine Pfarrkirchen nur ganz selten und ließ sie durch Vikare versehen. Vikare und Pfarrer wurden von schlecht bezahlten Helfern unterstützt, die Geistlichen auf den vielen Kaplaneipfründen hatten nur die Messen zum Heil der Stifter zu lesen. In Überlingen bestanden bis zu 32, in Ravensburg 20-25 Kaplaneien, in Tettnang wirkten neben dem Pfarrer ein Frühmesser und ein Kaplan an der Pfarrkirche, an den Kapellen drei weitere Kapläne. Umgerechnet auf die heutige Bevölkerungszahl würde Überlingen 200, Tettnang 100 Geistliche aufweisen.

Zwar galt formell der Zölibat, de facto lebten aber die meisten Geistlichen aller Rangstufen im Konkubinat. In den Städten mussten die Stadträte immer wieder eingreifen und die vielen mit einer Messe am Tag nicht ausgelasteten Stiftungskapläne zu einem ordentlichen Lebenswandel ermahnen. Der Bildungsstand der meisten Geistlichen war mehr als bescheiden. Die wenigsten hatten studiert, die nötigen Fähigkeiten wurden in einer Art Lehre bei einem Pfarrer erworben. Hugo von Hohenlandenberg, Bischof von Konstanz, klagt 1517 in einem Rundschreiben über seine Geistlichen, dass sie „ohne Scheu Beischläferinnen hielten, dem Karten- und Würfelspiel ergeben seien, sich in Wirtshäusern herumtrieben, Händel und Raufereien anfingen und Gott und die Heiligen mit Flüchen lästerten, andere sich täglich berauschten, Waffen und unziemliche Kleidung trügen und die Frauenklöster besuchten“. Der aus Langenargen gebürtige spätere Reformator Urban Rhegius spottet über die Dekane am Bodensee, „sie sollten nur ruhig weiterhin von Hacken und Pflügen, von Bechern und Mädchen reden und lieber nicht von Wissenschaft“.

Entsprechend der geringen Bildung der Priester wurden die Predigt und damit die geistliche Bildung der Laien vernachlässigt. Anspruchsvollere Predigten waren nur in städtischen Kirchen oder in den Kirchen der Bettelordensklöster zu hören, also etwa der Franziskaner in Überlingen und Lindau, der Dominikaner in Konstanz oder der Karmeliter in Ravensburg.

An Reformdiskussionen, -programmen und -versuchen mangelte es nicht. Gegenüber den veräußerlichten Frömmigkeitsformen wurde die Notwendigkeit eines innerlichen Glaubens hervorgehoben, der den ganzen Alltag prägt. In den Städten bemühten sich Stadträte oder auch Stadtherren um die Berufung theologisch gebildeter Pfarrer. So legten in Tettnang die Grafen von Montfort offensichtlich Wert auf eine gute Ausbildung der Stadtpfarrer, fast alle hatten studiert, zum Teil sogar promoviert. Da in den Reichsstädten über das Patronat und oft sogar die Inkorporation meist auswärtige Klöster die Personalhoheit über die Pfarrstellen ausübten, kam es immer wieder zu Spannungen zwischen den städtischen Räten und den Klöstern.

Biberach: Patronat Kl. Eberbach, 30 Priester

Buchhorn: Propst von Hofen ist gleichzeitig Pfarrer von Buchhorn, ein Helfer, 6 Kaplaneistellen

Isny: Pfarrei dem Kloster inkorporiert, 11 Kaplaneien, 2 Helfer

Leutkirch: Patronat Kl. Stams, ab 1547 Kl. Weingarten, Fabri Pfr. ab 1514, auch Pfr. in Lindau u Wain, 1518 Gen.vikar KN, 1523 Hofprediger Erzhz. Ferdinant in Wien, 1530-41 Bf von Wien, 1562 Einigung Kirchennutzung, 7 Kaplaneien

Lindau: Fabri siehe Leutkirch., 13 Kapläne

Memmingen: Antoniterpräzeptor ist gleichzeitig Pfarrer an St. Martin, an St. Martin 25 Kapläne, Liebfrauen: 10 Kapläne

Ravensburg: Pfarrei Liebfrauen dem Kl. Weingarten, Pfarreien St. Jodok und St. Christina dem Kl. Weissenau inkorporiert, Liebfrauen 4 Helfer, Liebfrauen ca. 16-18, St. Jodok 7-8 Kaplaneipfründen

Überlingen: Patronat Deutschordenskommende Mainau, Pfarrer, 4 Helfer, 32 Kaplaneipfründen Wangen: Patronat Kl. St. Gallen, 8 Kaplaneien, 2 Helfer

Copyright 2024 Elmar L. Kuhn