Elmar L. Kuhn

Die Reformation in Oberschwaben


Flyer des Prospekts zu den nationalen Reformations-Ausstellungen.

Einleitung

Luther allenthalben. Was 1517 mit der Aufforderung eines unbekannten Mönchs und Professors in einer mitteldeutschen Kleinstadt zu einer akademischen Diskussion begann, sehen heute Historiker als den Auslöser eines „Ereignisses von weltgeschichtlicher Bedeutung“, der Reformation. „Mit den Hammerschlägen in Wittenberg“ sei „die Neuzeit eingeläutet worden“ (von Harnack). Tausende Veranstaltungen in Deutschland erinnerten an das Reformationsjubiläum, die Bundesregierung förderte gleich drei große nationale Ausstellungen unter dem Titel „Aufbruch zur Freiheit“. Die Evangelische Kirche Deutschland setzte mit ihrer Devise „Rechtfertigung und Freiheit“ immerhin noch die „Rechtfertigung“ vor Gott als das eigentliche Ziel Luthers vor das irreführende Wort Freiheit. Dass die evangelische Kirche Luther zwar nicht mehr als „deutschen Heros“, aber doch als „kraftvolle Symbolfigur“ feiert, wird nicht verwundern. Er habe eine „Initialzündung für Glaubens- und Gewissensfreiheit“ und damit zur „modernen Verfassungsgestalt des demokratischen Rechtsstaates“ ausgelöst. Für die Katholiken war Luther lange Zeit der Häretiker schlechthin, Erzketzer und „Zerstörer der kirchlichen Einheit“, heute sieht Kardinal Kasper in ihm „schon fast einen gemeinsamen Kirchenvater“. Gegenüber der heutigen Feierstimmung klingen konfessionell ungebundene Stimmen skeptischer: „Luther war kein Aufklärer. Er war ein religiöser Fundamentalist.“ (Posener). Thomas Mann äußerte: „Ich hätte nicht Luthers Tischgast sein wollen.“ Und sein Sohn, der Historiker Golo Mann charakterisiert Luther als „despotisch, abergläubisch und bald verfolgerisch“. Man sieht, auch für Luther gilt: „Von der Parteien Hass und Gunst verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte“ (Schiller).

Die Urteile wechseln, aber unbestritten ist, dass für die Reformation ebenso wie für die Französische Revolution gilt: „Von hier aus geht (ging) eine neue Epoche der Weltgeschichte aus“ (Goethe) Und deshalb lohnt es sich, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, auch um manche zum Jubiläum propagierte Mythen zu zerfleddern. Und auch wenn Oberschwaben ganz überwiegend katholisch blieb, hatte die Reformation auch in unserer Landschaft Folgen.

Die Reformation war strukturell die Folge kirchlicher Missstände, aber die neue Lehre war eine Folge persönlicher Erfahrungen Martin Luthers und Ulrich Zwinglis. Dass sie Erfolg hatten, lässt sich nur aus den zeitgenössischen politischen Konstellationen erklären. Ich werde deshalb zunächst die kirchliche Situation vor der Reformation kurz schildern, dann die Reformatoren vorstellen, ihre Lehren skizzieren und dann die Vorgänge im Reich und in der Region in ihrem Zusammenhang schildern.

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