Elmar L. Kuhn

Oberschwäbische Modelle


Oberschwaben: Beharren und Behaglichkeit

Über drei Auflagen hinweg von 1863 bis zum Beginn des 20. Jh.s zeichnet die amtliche Landesbeschreibung des Königreichs Württemberg folgendes „Charakterbild“ Oberschwabens: „Hier hat die geringere Volksdichtigkeit, die zerstreute Wohnart auf Höfen und Weilern, der relative Mangel an industrieller Entwicklung, der größere bäuerliche Wohlstand stabilere, befriedigtere, behaglichere Zustände geschaffen. Die Kräfte des Beharrens sind stärker in Staat, Kirche und sozialen Verhältnissen. Der Oberschwabe erfreut sich im Ganzen eines sorgloseren Daseins und braucht sich weniger zu plagen als der Unterländer.“1Bis zur Gegenwart preisen Autoren, die über Oberschwaben schreiben, die Vorzüge dieser „Rückständigkeit“. So schließt Werner Dürrson sein Buch mit dem bedeutsamen Titel „Oberschwaben. Behüt dich Gott, schöne Gegend“ mit den Sätzen: „Mehr Himmel als anderswo, mehr Mittelalter und mehr Barock. Eine Gegenwart, in der das Gestern gerade noch Gegenwart ist und die Gegenwart nicht ins Zukunftslose wegtaumelt. Hier lässt sich im Spannungsgefüge zwischen Bauernland und Industrie, Natur und Kunst noch Leben erfahren aus Jahrhunderten. Ein Reservoir.“2Drastischer bringt es auf den Punkt Peter Renz: „Für unseren Reichtum dürfen wir nicht zuletzt halten, uns noch nicht völlig plattgewalzt zu haben, wie viele Gegenden in dieser Republik.“3

In der Tagespresse liest es sich andersrum. Da werden Standortnachteile aufgrund mangelnder Verkehrserschließung beklagt und droht immer gleich die „Käseglocke“, die angeblich jene über die Landschaft stülpen, die das „Paradies vorm Ausverkauf“4retten wollen.

Copyright 2024 Elmar L. Kuhn