Hätten die Menschen sich frei entscheiden können, so hätten sie sich wohl in ihrer überwiegenden Mehrheit für die Reformation entschieden, in Oberschwaben wohl für die zwinglianische Richtung. Dass die Reformation sich aber überhaupt in großen Territorien des Reichs durchsetzen konnte, war die Folge politischen Kalküls dieser Fürsten, die sich davon innerterritoriale wie reichspolitische Vorteile versprachen.
Dass Oberschwaben überwiegend katholisch blieb, war wiederum die Folge politischen Abwägens dieser „mindermächtigen Stände“, die nicht wagen konnten, sich gegen den Kaiser und Habsburg zu stellen.
Artikulieren konnten ihren Willen nur die Bürger der Reichsstädte und das waren vor allem die Zunftbürger, an der Spitze die Weber, die die Reformation forderten.
Ausschlaggebend für die Durchsetzung der Reformation blieb aber die Haltung des Rats als städtische Obrigkeit, ob er sich dem Willen der Gemeinde fügte oder Widerstand leistete und so die Einführung der Reformation zumindest verzögern konnte. Die Haltung des Rats hing wieder von der Machtverteilung im Rat zwischen den Zünften, also den Vertretern der Handwerker, und dem Patriziat ab. Wo der Rat geschlossen den alten Glauben verteidigte, blieb es dabei. Wo die Mehrheit im Rat mit dem neuen Glauben sympathisierte und ihren Prädikanten schützte, setzte sich früh die Reformation durch. Wo der Rat gespalten war und das Patriziat stark vertreten war, verblieb eine katholische Minderheit. Eine wichtige Rolle konnten auch die Stadtschreiber und die Schulmeister spielen.
Katholische Städte | Evangelische Städte | Mehrheitl. Evang. Städte | Paritätische Städte |
Buchau | Isny | Kaufbeuren | Biberach |
Buchhorn | Kempten | Leutkirch | Ravensburg |
Pfullendorf | Lindau |
|
|
Überlingen | Memmingen |
|
|
Wangen | Konstanz (später wieder kath.) |
|
|
Frei, sich für die Reformation zu entscheiden, waren die Städte nur bis zum Schmalkaldischen Krieg, da dem Kaiser die Machtmittel für ein Eingreifen fehlten. Nach seinem Sieg sicherte der Kaiser den dauerhaften Bestand der katholischen Minderheiten und der Klöster in den evangelischen Reichsstädten. In Biberach und Ravensburg konnte das katholische Patriziat nach der Ratsreformation sogar wieder die politische Führungsrolle übernehmen. Erst der Westfälische Frieden 1648 führte die Parität in diesen Städten ein.
Klöster in oder neben evangelischen Reichsstädten:
Biberach: Franziskanerinnen
Isny: Benediktiner
Kaufbeuren: Franziskanerinnen
Kempten: Benediktiner
Leutkirch: Franziskanerinnen
Lindau: Damenstift
Memmingen: Heilig-Geist-Orden, Augustiner-Eremiten, Franziskanerinnen
Ravensburg: Karmeliter, Franziskanerinnen
Nicht frei waren die Reichsstädte schon ab 1530 mehr in der Wahl ihrer innerreformatorischen konfessionellen Ausrichtung. Ursprünglich alle auf Zwinglis Lehren und damit die Schweizer Reformation ausgerichtet, mussten sie nach 1530 aus politischen Gründen Lippenbekenntnisse zum Luthertum abgeben. Vermittelnde Positionen vertraten der Konstanzer Reformator Ambrosius Blarer (Neffe des Weingartner Abtes Gerwig Blarer) und der Straßburger Martin Bucer, die öfter die oberschwäbischen Reichsstädte berieten und bei der Institutionalisierung ihrer Kirchenverfassungen unterstützten. Aber spätestens ab 1555, als der Religionsfrieden nur die Existenz der lutherischen Konfession sicherte, „war dies die einzige Konfession, deren Durchsetzung den Reichsstädten den nötigen politischen und im Ernstfall auch militärischen Rückhalt bot.“ (Friess) Haben sich die städtischen Obrigkeiten eine Zeitlang flexibel verhalten, so wurden sie durch die offenen Streitigkeiten ihrer Geistlichen gezwungen, eine klare Position zu beziehen. Diese bestimmten sie nach den politischen Notwendigkeiten einer Rückendeckung durch die größeren lutherischen Territorien.
Die Reichsstädte ohne nennenswertes Exportgewerbe, verflochten in ihre agrarische Umwelt, blieben beim alten Glauben. Das traf auf die kleineren Reichsstädte Buchau, Buchhorn, Pfullendorf und Wangen, aber auch auf das mittelgroße Überlingen zu. „Sie orientierten sich aufgrund sehr genau definierbarer Interessen an der Konfessionspolitik des Kaisers“, dazu konnte auch das „Angebot finanzieller Vorteile“ von Österreich zählen, wie im Falle Überlingens (Enderle). Entscheidend konnte auch sein, wenn die Pfarrherren „ein sittliches und theologisches Niveau besaßen, das sich mit dem der evangelischen Prädikanten messen konnte“ (Enderle), dass sich eine Stadt gar nicht oder erst verzögert (wie Kaufbeuren, Leutkirch, Ravensburg) dem neuen Glauben zuwandte.
Den ländlichen Untertanen blieb eine freie Entscheidung für die Reformation generell versagt, auch den Untertanen der Reichsstädte. Sie hatten sich dem Willen ihrer Landes- und Stadtherren zu fügen. Da Österreich, der Adel und die Prälaten am alten Glauben festhielten, blieb Oberschwaben in der Fläche katholisch mit den Einsprengseln einiger evangelischer Reichsstädte und einiger Dörfer unter altwürttembergischer oder evangelisch-reichsstädtischer Herrschaft.