Elmar L. Kuhn

Die österreichische Provinz des Paulinerordens


Die Klostergemeinschaft

Bis 1700 war der Wechsel von Mönchen innerhalb der großen ungeteilten ungarischen Mutterprovinz von Konvent zu Konvent nichts ungewöhnliches. Gábor Sarbak konnte den Weg eines Nicolaus von Ranna im späteren 15. Jahrhundert verfolgen von Ranna über Ungvár, Maria Magdalena bei Eger nach Schlaining.24Sprachgrenzen bildeten noch keine Barriere. Der erste Prior von Wiener Neustadt war der Ungar Valentinus Szegénded, der dann 1482-84 Generalprior wurde. Der Ordenshistoriker Andreas Eggerer aus Graz wirkte zunächst als Prediger in Mährisch Kromau, ab 1666 als Professor der Philosophie in Lepoglava in Kroatien und wurde dann Prior von Olimje in Slowenien.25Im 17. Jahrhundert wurden auch noch leichter Provinzgrenzen überschritten, wie die Zusammensetzung des Konvents von Ranna 1619 zeigt. Die Ordensleitung entsandte 1636 den Prior von Wiener Neustadt Petrus Fischer und 1651 den dortigen Professor der Philosophie Cyprian Hochberger in die schwäbische Provinz, um sie als Provinzial zu leiten.26Bei der Teilung der österreichisch-kroatischen Provinz in zwei Provinzen 1710 wurde festgelegt, welche Klöster zu welcher Provinz gehörten. Den Mönchen wurde die Wahl freigestellt, zu welcher Provinz sie zukünftig gehören wollten.27Nach 1710 wechselten die Mönche nur noch zwischen den Klöstern ihrer österreichischen Provinz. Es gab in der Folgezeit mehrere Anträge von Patres in Kroatien, Istrien und Ungarn, zur österreichischen Provinz überzutreten, aber nur ein Mönch verließ die österreichische Provinz, um nach Polen zu gehen. Als Konverse konnte er nur dort die Priesterweihe empfangen, die ihm seine Heimatprovinz verweigerte.

Obwohl die Pauliner zu den Mönchsorden zählten, hatten sie sich nach den Konstitutionen von 1643 nicht mehr auf die „stabilitas loci“ zu verpflichten, sondern legten ihre Profess auf die Provinz ab. Durch die häufigen „mutationes“, die Versetzungen von Kloster zu Kloster innerhalb der Provinz, bildeten die Konvente keine stabile soziale Einheit. Soziale Bezugseinheit war für den Paulinermönch seine Provinz. Identität und Kontinuität des einzelnen Konvents wurden durch die pastorale Aufgabe, die ökonomische Ausstattung und die Baulichkeiten garantiert. Leider lassen sich ohne die lokalen Quellen über die Praxis der „mutationes“ innerhalb der österreichischen Provinz keine Aussagen machen. Der „pater provinciae“ Franz Bossli, der sich in den Konvent Ranna zurückzog, „in quo plus quam viginti annis … piis exercitationibus, rebusque coelestibus vacans“, war sicher die große Ausnahme.28Die Versetzungen scheinen eher in noch kürzeren Zeitabständen erfolgt zu sein als in der schwäbischen Provinz, wenn von den erfassten Amtsträgern auf alle Mönche geschlossen werden kann. Es zeichnet sich allerdings ab, dass die Mönche aus Böhmen und Mähren vorrangig, aber nicht ausschließlich, zwischen Mährisch Kromau und Oboriste wechselten.

Die Mehrsprachigkeit im Bereich der österreichischen Klöster führte gelegentlich zu Problemen oder gar zu nationalen Spannungen in den Konventen. Der Fürst von Liechtenstein erbat 1657 einen Prior für Mährisch Kromau, der die deutsche Sprache gut beherrschte.291666 und 1687 forderte der dortige Konvent deutschsprachige Prediger an, 1696 einen böhmischen Prediger und 1693 einen zweisprachigen Magister für die Schule.30In Wiener Neustadt weilten 1669 ungarische Studenten, um die deutsche Sprache zu erlernen. Ranna hielt 1687 einen Pater für untauglich, der nur die slawonische Sprache beherrschte.311732 musste sich das Provinzkapitel mit dem Problem befassen, dass „ex denominatione diversae nationalitatis plurima animarum oriri pericula, appellando videlicet non esse Germanum, aut e contra non esse Moravum aut Bohemum“ und verpflichtete die Oberen, Unruhestifter im Konvent mit Fasten bei Wasser und Brot zu bestrafen.321756 forderte der Fürst von Mansfeld, dass „natio Bohemica in hac provincia augeretur“, da zu wenige Böhmen im Konvent Oboriste vertreten seien, worauf der Provinzialprior zusicherte, dass „se iuventutem Bohemicam et Moravicam suscipere velle“.33

Entsprechend der größeren Zahl der Konventsmitglieder in Österreich gegenüber den kleineren schwäbischen Konventen gab es in den österreichischen Konventen mehr Ämter zu verteilen. Das Provinzkapitel wählte alle drei Jahre für die einzelnen Konvente immer den Prior, den Subprior (mit der Ausnahme von Hernals, solange es noch kein formierter Konvent war) sowie die Prediger für die Sonntage und die Feiertage, den Beichtvater, den Procurator als Verantwortlichen für die Klosterökonomie, die Praesides der Bruderschaften in Wiener Neustadt, Ranna und Hernals und die Schulmeister in Mährisch Kromau. Die letzteren „niederen“ Klosterämter konnte auch der Prior selbst besetzen. Der einzige Funktionsträger, den der Konvent selbst wählen konnte, war der „discretus“, der Vertreter eines formierten Konvents im Provinzkapitel.34In Schwaben wählte das Provinzkapitel nur den Prior und den Subprior, von eigens bestellten Predigern und Beichtvätern war dort nie die Rede, eine Schule betreuten die schwäbischen Pauliner nicht, den Procurator und die Praesides bestellten die Prioren.

Der Obere des Konvents Neustadt trug bis 1700 wie alle Vorsteher größerer Klöster in Ungarn den Titel vicarius, während der Obere von Ranna immer als Prior bezeichnet wurde. Der Vorsteher eines nicht formierten Konvents hieß Superior. Zwei Drittel der Konventsoberen leiteten ihren Konvent nur für eine Wahlperiode von drei Jahren, in einigen Fällen wurden sie nach einer Zwischenzeit für eine neue Amtsperiode wiedergewählt.35In einem Drittel der Fälle blieben sie zwei Perioden im Amt. Ausnahmefälle waren, dass Hieronymus Leichamscheider dem Konvent Wiener Neustadt von 1732- 41 drei Perioden, Johannes Prochaska dem Konvent Oboriste 1732-44 vier Perioden und Karl Asperger dem Konvent Mährisch Kromau 1753-65 ebenfalls vier Perioden vorstand. Amtsperioden von Prioren wie in Schwaben über 20 und 30 Jahre hinaus gab es in Österreich nicht. Während die Prioren in Schwaben häufiger von der Leitung von „Residenzen“, wie die nicht formierten Konvente genannt wurden, zu den größeren Konventen „aufstiegen“, ist ein solcher ‚cursus honorum’ in Österreich nicht feststellbar, der Wechsel der Prioren zwischen den einzelnen Konventen ohnehin seltener. Es fällt auf, dass nur selten ein Prior eines der tschechischen Klöster in die Leitung eines deutschösterreichischen Klosters wechselte, während die Prioren zwischen den beiden tschechischen und zwischen den deutschösterreichischen Klöstern durchaus gelegentlich wechseln konnten. Noch extremer wurde die Beschränkung auf idR eine Amtszeit bei den „niederen“ Konventsämtern eingehalten, eine doppelte Amtsperiode war die Ausnahme, obwohl die Konstitutionen dies durchaus vorsahen. In Schwaben beklagte man die kurzen, obwohl dort längeren Amtszeiten, weil sie eine kontinuierliche Entwicklung verhinderten.

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