Während die schwäbischen Patres nur zwei Bücher mit den Texten des Officiums der Ordensheiligen sowie ein Gebetbuch der Langnauer Schutzengel- und Paulus-Bruderschaft herausgegeben haben,139traten mehrere österreichische Pauliner als Verfasser von historischen, theologischen und erbaulichen Werken hervor. Noch im 17. Jahrhundert vor der Gründung der Provinz erschienen zwei ordensgeschichtliche Publikationen. Andreas Eggerer verfasste nach Gregor Gyöngyösi die zweite Gesamtdarstellung der Ordensgeschichte, „Fragmen panis corvi proto-eremitici seu reliquiae annalium eremi-coenobiticorum ordinis fratrum eremitarum sancti Pauli primi eremitae…“, die 1663 in Wien gedruckt wurde, „tali concinnatum elegantia styli, ut ea hodiedum doctissimi quique delectentur“.140Außerdem publizierte er Werke zur Wallfahrtsgeschichte von Remete und zur Marienverehrung. Er stammte aus Graz in der Steiermark, wirkte in Mährisch Kromau als Prediger, als Philosophie-Professor in Lepoglava, schließlich als Prior im südsteiermärkischen, heute slowenischen Olimje und starb 1672.
Benedikt Leipolt, der sich große Verdienste um die Reform und den Wiederaufbau des Klosters Ranna erworben hatte, schrieb fußend auf Eggerer eine kürzere Fassung der Ordensgeschichte, „Epitome S. Pauli, Deß Ersten Einsidl-Ordens“, die 1680 in Wien erschien. Ihren Wert erhält sie vor allem durch die vielen beigegebenen Kupferstiche mit Darstellungen des hl. Paulus, des sel. Eusebius, des schwäbischen Provinzialpriors Heinrich Theis und mehrerer Marienheiligtümer des Ordens.
Der 1648 in Passau geborene Ferdinand Meislseder gab 1683 als Frucht einer fünfzehnjährigen Tätigkeit als Novizenmeister in Wondorf ein Exerzitienbuch heraus, „Desertum asceticum terrae desiderabilis, in tres vias animae meditanti, nempe purgativam, illuminativam, et unitivam cum suis meditationibus, & examinibus, considerationibus & devotionibus dispositum“. Danach Prior in Mährisch Kromau wurde er nach der Bildung der kroatisch-österreichischen Provinz zum Provinzialdefinitor und Sekretär gewählt, stieg 1702 in das Amt des Generalprokurators in Rom auf, wurde 1709 in die Ordensleitung als Generaldefinitor berufen, übernahm 1711 nach der Trennung von der kroatischen Provinz als Provinzialprior die Leitung der österreichischen Provinz, wirkte 1714-1717 noch als Vizeprovinzial und starb in der Residenz Kindberg 1721 mit 73 Jahren.141Sein Werk wurde von seinem 1703 geborenen Mitbruder Joseph Müller als „Geistliche Einöde Des Erwünschten Erdreichs Der betrachtenden Seel in dreye Wege …eingetheilet“ ins Deutsche übersetzt und 1733 in Wiener Neustadt gedruckt. Müller starb 1759 als einfacher Pater.
Etwa gleichzeitig lebten die beiden produktivsten Autoren der österreichischen Provinz im 18. Jahrhundert, der 1685 geborene und 1761 in Ranna verstorbene Franciscus Bossli und der 1697 in Mariazell geborene und 1773 in Wien verstorbene Mathias Fuhrmann. Der jüngere Pater Fuhrmann verfasste eine die Vita s. Pauli von Hieronymus weiter ausschmückende Lebensgeschichte des hl. Paulus, ergänzt um Berichte seiner Wunder, der Translationen seiner Reliquien und seiner Verehrung, die er 1732 in einer lateinischen und einer deutschen Version drucken ließ.142Sehr viel später, 1760 edierte er verschiedene Fassungen der Vita s. Pauli, eingeleitet durch eine „dissertatio praeliminaria“, in der er die Historizität des hl. Paulus verteidigte und begründete, dass zu Recht „Paulus Thebaeus eremitarum primus dici possit“ und den Titel eines „magistri eremitarum“ trage.143Zwischen beiden Werken publizierte er 1734-37 eine vierbändige Geschichte Österreichs, 1738-39 eine zweibändige Geschichte Wiens, 1743 und 1747 eine Untersuchung der Taufe des Kaisers Konstantin, 1746 eine Übersetzung der Vita Severini, 1749 einen Pilgerführer nach Rom und noch 1764 bis 1770 nochmals mehrbändige Werke zur Geschichte Wiens und Österreichs. Mit diesen Werken nahm er „einen ehrenvollen Platz in der österreichischen Barockgeschichtsschreibung“ ein.144Erstaunt schon der Umfang seiner schriftstellerischen Produktion, so „invenit, delineavit et sculpsit“ er zudem die vielen Illustrationen in seinen Büchern, die Lebensgeschichte des hl. Paulus von 1732 enthält allein 62 Kupferstiche von seiner Hand.
Außer dieser regen wissenschaftlichen, publizistischen und künstlerischen Tätigkeit bekleidete er wichtige Ämter im Orden, ab 1744 als Provinzprokurator am Kaiserhof, ab 1750 als Provinzialdefinitor und 1759-69 als Generaldefinitor.
Ebenfalls mit dem hl. Paulus als Ordenspatron befasste sich der ältere Mitbruder Fuhrmanns, P. Franziskus Bossli. Er bekleidete zunächst Ämter in der Provinzleitung, ab 1718 als Provinzialdefinitor, ab 1720 zwölf Jahre als Vizeprovinzial und schließlich 1732-35 als Provinzialprior. Danach zog er sich als „pater provinciae“ in das Kloster Ranna zurück, widmete sich „rerum coelestium contemplationi ac orationibus“ und verfasste mehrere Bücher, zunächst 1738 ein „manuale“ für die Marienbruderschaft. 1746 erschien von ihm ein erbauliches Buch über den hl. Paulus als „exemplar perfectionis christianae et religiosae“ und 1749 mit 567 Seiten das umfangreichste Werk über die von den Paulinern immer wieder behandelte und verteidigte These „de origine & primatu eremitarum quo idem primatus Paulo Thebaeo asseritur“.145
Der 1785 zum letzten Provinzialprior der österreichischen Provinz gewählte P. Aloysius Arbesser hatte noch 1779 als Professor des Kirchenrechts der Kaiserin Maria Theresia ein „Büchlein“ gewidmet „in doctrina de civitate et majestate“. Nach Aufhebung der Provinz wurde er als Professor für Moraltheologie an das Lyceum Linz berufen, entsprach also den wissenschaftlichen Ansprüchen des josefinischen Staatskirchensystems.146
In der österreichischen Provinz wirkte auch ein produktiver Komponist, Amandus Ivancic. Geboren 1727 in Wiener Neustadt trat er 1744 in den Paulinerorden ein. 1754 kehrte er aus Rom, wo er als „socius“ des Generalprokurators gewirkt hatte, nach Wiener Neustadt zurück. Bereits 1758 starb er. In seinem kurzen Leben komponierte er eine Vielzahl von Messen, Offertorien, Arien, Litaneien, Motetten, Oratorien, Sinfonien, Divertimentos, Sonaten und Trios, die sich in Archiven der Slowakei, Ungarns, Polens, Österreichs und Deutschlands erhalten haben und neuerdings wieder aufgeführt werden.147
Einen Einblick in den Bildungsstand der österreichischen Pauliner würde auch die Kenntnis ihrer Bibliotheken ermöglichen. Bislang ist darüber nur wenig bekannt. Die Bibliothek in Mährisch Kromau galt den Mönchen 1675 als unzureichend.148Bei der Aufhebung zählte die Bibliothek des Konvents in Ranna etwa 1500 Bücher und die in Wiener Neustadt etwa 2000 Bände, was etwa der Größe der Langnauer Klosterbibliothek in Schwaben entsprach. Der Inventarisator 1783 bemängelt allerdings, dass die Bücher in Ranna „meist in kleinen Bänden und älteren Aszeten und Predigern bestehend, zu denen von langem her keine neueren oder sonst besseren Bücher nachgeschaffet, … die folglich von jeher vernachlässiget worden“149, was kein gutes Licht auf die Novizenausbildung in diesem Kloster wirft. Schon die erhaltenen spätmittelalterlichen Handschriften zeugen kaum von vertiefter theologischer Bildung, sondern waren Gebrauchsschriften der Seelsorge.150