Elmar L. Kuhn

Die schwäbische Provinz des Paulinerordens ...


„Informatio status provinciae Germano-Rhenanae, morum item et consuetudinum multum diversarum“.1

Im April 1718 reiste der Ordensgeneral Dr. Johannes Kristolovecz in Begleitung eines Definitors der ungarischen Provinz zu einer Visitation der fünf Klöster der schwäbischen Provinz an, befaßte sich einen Monat mit den Visitationen, leitete das viertägige Provinzkapitel in Langnau und kehrte nach fast dreimonatiger Abwesenheit in seine Residenz in Maria Thal (heute in der Slowakei bei Preßburg) zurück. Dort berichtete er dem Generalkapitel im Juni, daß die Gebräuche der schwäbischen Provinz beträchtlich von denen der Klöster in den anderen Provinzen abwichen. Man glaube kaum, zum gleichen Orden zu gehören. Eine „reformatio et conformatio ad alias provincias“2 sei nötig. Es war die erste Generalvisitation, die ein Ordensgeneral selbst vornahm. Vor allem im 16. Jh., aber auch noch im 17. Jh. stand die Provinz nur in lockerer Verbindung mit der Ordensleitung3. Entsprechend gering waren die Kenntnisse. Der erste Ordenshistoriker Gregor Gyöngyösi konnte von den nach seiner Meinung sechzehn „in Alemania et Suevia“4 im Spätmittelalter bestehenden Paulinerklöstern nur von vier die Namen angeben. Von ihrer Geschichte vermochte er nichts zu berichten. Und selbst noch der Herausgeber schreibt 1988: „Die ehemaligen Paulinerklöster in Deutschland sind kaum bekannt“5.

In den Ordensgeschichten des 17. und 18. Jh.6 nehmen die Nachrichten über die schwäbische Provinz, ihre Klöster und ihre Oberen zu, diese Bände sind aber in deutschen Bibliotheken nur schwer greifbar und wurden in den Publikationen über die hiesigen Klöster bisher kaum ausgewertet. Mit Ausnahme von Kaspar Elm7 und Stanislaus Swidzinski8, die grundlegende Beiträge insbesondere zur frühen Ordensverfassung publiziert haben, haben sich die deutschen Autoren mit der Geschichte einzelner Klöster befaßt, die sie meist mit knappen, oft fehlerhaften Angaben zur Ordensgeschichte einleiteten9. Immer wird die Zäsur mit den neuen Konstitutionen von 1644 übersehen. Da mit der Verstärkung der zentralistischen Züge der Ordensverfassung nun die Provinz, nicht mehr das einzelne Kloster, die entscheidende Handlungsebene war, verfehlen isolierte Klostergeschichten wesentliche Züge der Ordensstruktur.

Die Unkenntnis ist allerdings auch eine Folge der Quellenlage. In den deutschen Archiven10 befinden sich nur wenige Quellen aus der Zeit vor dem 17. Jh., und aus dem 17. Jh. und 18. Jh. sind meist nur die Akten zur Wirtschaftsgeschichte und Abwicklung der Säkularisation in die Archive gelangt. Die Quellen zur Ordensverfassung und zum inneren Leben der Konvente wurden meist vernichtet, die beiden erhaltenen Klosterchroniken von Bonndorf und Grünwald11 wurden bisher kaum benutzt. Genauere Einblicke ermöglichen die Acta generalia des Ordens in der Universitätsbibliothek Budapest, die hier erstmals auf die Geschichte der schwäbischen Provinz durchgesehen werden konnten. Die folgende Skizze basiert auf einer ersten, längst nicht erschöpfenden Auswertung der mir zugänglichen Quellen. Für weitergehende Interpretationen müssten erst Untersuchungen anderer Ordensprovinzen zugänglich sein.

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