Elmar L. Kuhn

Die österreichische Provinz des Paulinerordens


Die Bauten

„Patres nostri ab origine religionis … portamus nomen eremitarum et plerumque conventus nostri sint fundati extra urbes et in locis solitariis“.108In Schwaben lagen die Konvente der Pauliner meist „fern von Herrschafts-, Handels- und Verkehrszentren … Sie lagen am Rande der Stadt, in der Einsamkeit, oft dort, wo bisher niemand den Mut gehabt hatte, sich niederzulassen.“109Das traf in der österreichischen Provinz nur für Ranna zu, die späteren Gründungen lagen in Städten und Marktflecken, wie Wiener Neustadt, Mährisch Kromau, Oboriste und Hernals oder in deren unmittelbaren Umland wie Maria Trost.

Allein Ranna am Ende eines engen Tales am Fuße des Burgberges von Ober-Ranna entsprach den Vorstellungen einer für die Niederlassung eines ursprünglichen Eremitenordens geeigneten Lage. Die nach der Gründung des Klosters 1414 errichtete und Maria und dem hl. Stephanus geweihte Klosterkirche orientierte sich am „Raumkonzept der Bettelordenskirchen“. An ein flach gedecktes Langhaus schloss der gewölbte polygonale Chor an. Mit den im Süden angefügten drei Flügeln der Klostergebäude bildete die Kirche eine Vierflügel-Anlage. Der Prior Benedikt Leipolt „tam monasterium, quam ecclesiam partim restauravit, partim de novo aedificavit, & ita decenti, honestaque forma, prout nunc visitor, donavit”, “bibliothecam non tam auxit, quam de novo erexit”.1101677 wurden vier neue Altäre geweiht (Marien-Hochaltar, Paulus von Theben, Sebastian, hl. Kreuz). Um 1685 erhielt das Langhaus eine frühbarocke Eingangsfassade mit einem dominanten mittleren Fassadenturm, gleichzeitig wurde das Kircheninnere barockisiert und 1686 eine große Orgel eingebaut. 1701 erfolgte der Anbau des Noviziats nördlich an das Konventsgeviert.

Am wenigsten ist über Wiener Neustadt als wichtigstem Kloster der österreichischen Provinz bekannt. Die dem hl. Paulus von Theben als Ordenspatron geweihte und 1480-93 erbaute Klosterkirche und der Konvent lagen unmittelbar neben der kaiserlichen Burg („situm ad dextram arcis Caesareae“), umgeben auf der einen Seite von einer Gebäudereihe von Werkstätten, auf der anderen Seite von einem großen freien Spielplatz „allodio domestico & ludo litterario erudiendae juventuti“.111Das Klostergebäude lag auf der Südseite der Kirche. Langhaus und polygonaler Chor der Kirche bildeten „einen einheitlichen Saalraum mit uniformen, gleich weit spannenden Wölbejochen“. 1640 wurden das Kloster „reaedificatum“, zwei Seitenaltäre neu aufgestellt, 1641 „ultimum tractum … penes refectorium“ gebaut und 1643 das Dach neu gedeckt. „Remanet sala supra refectorium et tabulatum dormitorii“. 1737 umgaben vier Seitenkapellen das Schiff: die 1641 fertiggestellte Marienkapelle mit der Kopie des Tschenstochauer Gnadenbildes, die Kapelle zu den fünf Wunden Christi, die 1642 errichtete Annenkapelle und die Kapelle zur hl. Rosalia. In diesem Jahr 1737 ließ der Konvent einen neuen Hochaltar errichten. 1745 „Prior provincialis magnifico organo, sellis, cratibusque elegantibus ornavit conventum.“ 1767 erschütterte ein Erdbeben die Stadt, so dass “monasterium quoque nostrum totaliter labefactatum est”. 1773 hatten die Paulinermönche ihr Kloster zu räumen und mussten in das Kollegium des aufgehobenen Jesuitenordens übersiedeln “cum pretioso ecclesiae apparatu”.112

In Mährisch Kromau bestand im frühen 17. Jahrhundert vom ehemaligen Kloster der Augustiner-Eremiten, das sie um 1500 verlassen hatten, nur noch die Chormauer der Klosterkirche, von den Klostergebäuden zeugten nur noch überwachsene Fundamentsreste. Fürst Gundaker von Liechtenstein, Nutznießer der Vertreibung des evangelischen böhmischen Adels, Befürworter der Ermordung Wallensteins, aber auch eines raschen Friedensschlusses,113wollte zur Förderung der Rekatholisierung wieder ein Kloster in seiner Residenzstadt ansiedeln und ließ deshalb ab 1634 wieder Kirche und drei südlich anstoßende Klosterflügel erbauen, so dass auch hier eine geschlossene Vierflügel-Anlage entstand. Das ursprüngliche Sanktuarium der Kirche wurde mit einer Mauer abgeschlossen und bildete so nun den ganzen Kirchenraum mit Chor und Schiff, das nur knapp von einem massigem Turm nördlich der Westfassade überragt wurde und wird. Nachdem Piaristen und Serviten abgesagt hatten, schenkte der Fürst das neuerrichtete Kloster 1657 den Paulinern. 1686 fiel das Klostergebäude einem Stadtbrand zum Opfer, die Kirche konnte gerettet werden. Die in der Folge von der Fürstenfamilie finanzierten Kapellen- und Altarbauten von 1688 bis 1760 wurden bereits erwähnt. Da 1730 der Ruin des Klosters drohte, ließ der Fürst es restaurieren, und 1748 den Turm erhöhen sowie „eleganti cupa turrem contegi“. Die Innenausstattung der Kirche ist weitgehend erhalten: Auf dem Hochaltar von 1701 stellt das Altarblatt von Georg Gutwein das Martyrium des Kirchenpatrons, des hl. Bartholomäus, dar, flankiert von zwei Statuen der Ordenspatrone, des hl. Paulus und des hl. Antonius. Links vom Hochaltar öffnet sich die sternförmige Marienkapelle. Die beiden Seitenaltäre sind der hl. Thekla und den hl. drei Königen geweiht. 114

Mit dem Bau des Konventsgebäude in Oboriste begannen die Pauliner 1681, 1685 war der hintere westliche Flügel vollendet, der seitliche nördliche Flügel begonnen, als der Bau unterbrochen wurde. 1702-11 wurde die Klosterkirche mit dem Chor im Westen erstellt und 1712 dem hl. Joseph, Patron Böhmens und Österreichs geweiht. Der Entwurf wurde bisher Christoph Dientzenhofer zugeschrieben. Den Dachgiebel der konkaven Eingangsfassade schmücken Skulpturen des Pragers Jan Oldrich Mayer. 1732 wurden der Nord- und der Ostflügel des Konventsgebäudes fertig gestellt, so dass nun „aedificium claustri in quadrum ad duas contignationes redactum est“ und mit der Kirche im Süden wiederum eine Vierflügel-Anlage bildete. 1733 schloss Martin Kubát die Ausmalung des Gewölbes ab. Die Klosterkirche gilt als eine der bedeutendsten tschechischen Sakralbauten des frühen 18. Jahrhunderts, bei dem die heimische Wandpfeilerhalle unter Einfluss von Vorbildern von Guarino Guarini und Francesco Borromini zu einem Zentralraum von drei sich durchdringenden Ovalen umgestaltet wurde.115

1714 konnte der Grundstein für die Wallfahrtskirche Maria Trost gelegt werden. Die Pläne zum Kirchenbau stammten wahrscheinlich von dem angesehenen steirischen Baumeister Andreas Stengg unter Mitarbeit seines Sohnes Johann Georg Stengg. 1716 brach man das Purberg-Schlößchen mit der Marienkapelle ab, schon 1716 wurden die Kuppel errichtet, 1719 ein provisorischer Hauptaltar mit einem Altarblatt von Franz Werendle aufgestellt, 1722 die beiden Türme, „turres binae elegantes, quibus pares Styria non habet“, und der nördliche Konventstrakt vollendet und 1722-23 die Altäre in den Seitenkapellen geschaffen, die den Heiligen Michael, Antonius, Paulus von Theben, Walburgis, Franz von Paula und der Verwandtschaft Christi geweiht wurden. 1725 war die erste große Bauperiode beendet, 1733 begann der Architekt und Maler Lukas von Schram mit der Innenausstattung. Nach dem 1740 vollendeten Hochaltar wurde 1741-46 an den beiden großen Seitenaltären mit den Altarblättern „Hl. Joachim im Tempel“ und „Maria Geburt“ gearbeitet. Die Skulpturen schuf Joseph Schokotnigg. Johann Baptist Scheith erhielt 1752 den Auftrag zur restlichen Ausmalung der Kirche, die von Schram bei seinem Weggang 1750 noch nicht vollendet hatte. Die Orgel baute 1756-58 Kaspar Mitterreiter, das Gehäuse Johann Sacodill. Das Figurenensemble der Orgel und die Kanzel von 1779 werden Veit Königer zugeschrieben, wohl ein Verwandter von Alexius Königer, der in Kroatien zahlreiche Werke ausschließlich in Paulinerkirchen schuf. 1772 erst wurde die Kirche konsekriert. Bei der Aufhebung war die Fassade der Kirche noch nicht vollendet, am gesamten Außenbau fehlte noch der Putz. Die großartige barocke Anlage mit dem zwischen zwei Klosterflügeln eingebundenen Kirchenbau grüßt vom Purberg-Hügel weit ins Land. Die Kirche besteht aus einem zentralen Kuppelbau und einem Langhaus begleitet von seitlichen Kapellen. Es ist der „bedeutendste Kirchenbau des Hochbarocks im östlichen Österreich“.116

Die Patres in Hernals konnten 1722 zwar die fertige Anlage des Kalvarienberges übernehmen, mussten aber zunächst provisorisch in einem zu kleinen Haus unterkommen. Einen Neubau des Konvents verhinderte bis 1747 das Wiener Domkapitel, obwohl der Generalprior Graf Esterhazy 1729 den Kaiser fußfällig um die Erlaubnis eines Neubaus bat und ihm eine Kopie des Tschenstochauer Gnadenbildes überreichte. 1747 konnte endlich das lang gestreckte dreistöckige Gebäude neben dem Kalvarienberg fertig gestellt werden, in dem der Provinzialprior „refectorium et provincialatum nobili stockatura adornari fecit, refectorium eleganti pictura excoli curavit“. Ein Kupferstich von 1742 vermittelt einen Eindruck von der Anlage des Kalvarienbergs, der damals offenbar noch außerhalb der Ortschaft lag. Eine doppelläufige Treppenanlage, flankiert von den jeweils sieben Stationskapellen führte zu der Kreuzigungsgruppe auf der Spitze des auf gemauerten Substruktionen ruhenden künstlichen Hügels. Am Beginn der Treppenanlage stand in der Mitte eine kleine Kapelle, seitlich am Fuß des Hügels führte ein Eingang zur im Hügel verborgenen Kirche. Seitlich vorgelagert dem Hügel erhob sich die 1718 zum Gedächtnis der Pestopfer von 1713 errichtete Annenkapelle, in der „das Marianische Gnaden-Bild stehet“. Die Stationen wurden 1730-31 durch neue Reliefs ersetzt. Das Provinzkapitel beschloss 1766 den Abbruch und Neubau des Kalvarienbergs, dessen Bergkirche durch eindringende Nässe baufällig geworden war. Beim Neubau wurde die Bergkirche verkleinert, die Kapelle am Fuß der Stiege vergrößert und ihre Fassade vorgezogen. 1769 war der Bau im wesentlichen abgeschlossen, 1772 erhielt die Kapelle noch zwei Seitenaltäre zum hl. Paulus von Theben und hl. Johannes Nepomuk sowie eine Orgel.117

Den regulären Grundriss einer Vierflügel-Anlage, wobei einen Flügel die Kirche bildete, wiesen die Klostergebäude von Ranna, Mährisch Kromau, Oboriste und wohl auch Wiener Neustadt auf. Die Konventsgebäude konnten je nach der lokalen Situation im Süden, wie üblich, oder im Norden an die Kirche anschließen. In Maria Trost flankierten die zwei Flügel der Klostergebäude beiderseits die Kirche. In Hernals begleitete der lang gestreckte Bau des Konvents parallel den Kalvarienberg mit seiner Kirche. Die Klosterkirchen von Ranna, Wiener Neustadt und Mährisch Kromau stammten noch aus der Gotik und wurden im späten 17. und im 18. Jahrhundert barockisiert. Im Barock neu erbaut wurden die Kirchen in Oboriste, Hernals und Maria Trost, von denen die Kuppelbauten von Oboriste und Maria Trost als Schöpfungen bedeutender Architekten herausragen. Die eindrucksvolle Klosteranlage von Maria Trost auf dem Purberg mit ihrer Doppelturmfassade und den Konventsflügeln auf beiden Seiten wirkt wie eine vereinfachte Ausführung der großen österreichischen Stiftsbauten und oberschwäbischen Prälatenklöster. Gegenüber diesen anspruchsvollen Bauten fallen die durchweg schlichten Kirchen der schwäbischen Paulinerklöster stark ab, die alle keinen Turm, nur Dachreiter aufwiesen. So fand der Generalprior bei seiner Visitation selbst die Klosterkirche Langnau, Sitz des schwäbischen Provinzialpriors, „sine ullo … splendore“.118

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