Elmar L. Kuhn

Die Säkularisierung Oberschwabens


Das „religiöse Feld“

Ein Gesellschaft, der „soziale Raum als Ganzes“, besteht nach Pierre Bourdieu aus einer Reihe hierarchisch strukturierter Felder, z.B. der Wirtschaft, der Politik, Kunst oder Religion.98Jedes Feld funktioniert nach einer bestimmten Logik. Die Handelnden müssen bestimmte Spielregeln beherrschen, sie müssen sich der Logik des Feldes zunächst unterwerfen, können es aber verändern. Jedes Feld ist ein Kampffeld, in dem es um Machtpositionen geht. Kampfmittel ist der Einsatz von ökonomischem, sozialem, kulturellem und symbolischem Kapital, das Ziel dessen weitere Akkumulation. Im religiösen Feld hat das symbolische Kapital der Kirchenhierarchie beträchtlich an Wert verloren, ihre Sanktionsmacht ist geschwunden, innerhalb des kirchlichen Personals haben sich die Konflikte und Fraktionierungen verstärkt. Die Konkurrenz außerkirchlicher Angebote hat zugenommen, das Feld ist sehr unübersichtlich geworden, das religiöse lässt sich vom kulturellen Feld kaum mehr abgrenzen. Nicht mehr nur die Kirche und institutionalisierte Religion geben „systematische Antworten auf letzte Fragen“.99Nachdem die Kirchenhierarchie, die „Virtuosen“, ihr Monopol an der Verwaltung der Heilsgüter, die Verfügungsmacht über das symbolische Kapital auch auf anderen Feldern weitgehend verloren hat, hat das religiöse Feld gegenüber den anderen Feldern generell drastisch an Wertigkeit und Sanktionsmacht verloren, das religiöse Feld ist für die übrigen Felder relativ unwichtig geworden. Die Rolle des Geistlichen hat an Bedeutung verloren, er ist „tendenziell ... nichts weiter mehr ... als der Leiter der sozialen Zeremonien“.100Für Kommunalpolitiker ist es kaum noch nützlich, u.U. sogar schädlich, sich kirchlich zu engagieren, das bringt kein symbolisches Kapital für das politische Feld. Das religiöse Feld ist dagegen noch so stark, dass ein freundlicher Kontakt zur Kirche und eine Nutzung kirchlicher Rituale zur Erhöhung der Feierlichkeit kommunaler Anlässe erwartet werden, eine demonstrative Distanz zur Kirche würde sich noch schädlich auswirken.

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