Elmar L. Kuhn

Die Säkularisierung Oberschwabens


Die barocke Reichskirche

Die barocke Reichskirche konnte in ihrem Episkopat eine vergleichsweise große Autonomie vom Papst wahren, auf seinen Klerus hatte der Bischof aber nur vergleichsweise geringen Einfluss. Die Pfarrer hatten ein Netzwerk von Abhängigkeiten von Patronats-, Zehnt- und Landesherren, von kommunalen Kirchenpflegern und Gemeindedruck auszutarieren. In der fragmentierten, teilweise ohnehin geistlichen Kleinstaatenwelt Oberschwabens konnte die gegenseitige Durchdringung von Kirche und Staatlichkeit kaum intensiver sein. Landesordnungen sicherten die Einhaltung der Kirchengesetze, Pfarrer hatten ihre Funktionen als Organe der Herrschaft und als Hirten ihrer Gemeinde zu verbinden. Die Frömmigkeitsformen waren vielfältig, sprachen die Sinne an und betonten „jene Elemente, die von den Reformatoren geleugnet wurden: Verehrung der Heiligen, Reliquienkult, Ablass, Eucharistie, ... Ordenswesen, Rosenkranz, Wallfahrten, Fegefeuer“ .10Ein durch Werkgerechtigkeit bestimmter Erlösungsglauben schloss magische Praktiken mit Votivgaben, Benediktionen, Amuletten etc. nicht aus. Der Handlungsspielraum der Lebenswelt war extern eng begrenzt durch die Gebote der Kirche, die im engen Zusammenwirken von Kirche, Herrschaft und lokaler sozialer Kontrolle durchgesetzt wurden. Marc Förster meint v.a. in Oberschwaben „eine Art von regionalem Katholizismus..., der ... einen eigenständigen Charakter hatte“ zu entdecken,11wobei er das Zusammenspiel von „communalism and clericalism“ besonders hervorhebt,12aber wohl das Zusammenwirken von Kirche und Herrschaft zu gering gewichtet.

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