Elmar L. Kuhn

Oberschwäbische Modelle


Walter Münch und der Regionalplanungsverband Oberschwaben

Eben dieser Landrat Münch, oberschwäbischer Regionalist avant la lettre, versuchte bei der ersten Landschaftsversammlung 1961 des von ihm initiierten Planungsverbandes Oberschwaben in einer programmatischen Rede Antworten zu finden auf die Frage „Was soll aus Oberschwaben werden?“ Er beschrieb als Ausgangssituation: „Unsere Heimatlandschaft Oberschwaben birgt auch in unserem Jahrzehnt noch viele Züge jungfräulicher Unbeschriebenheit. ... Es ist ein Raum um uns, der viel weniger als andere Gebiete unter inneren Aufladungen oder fremden Überlagerungen leidet, und der Menschennatur noch gemäß ist. Das gibt ihm den Wert des Seltenen und den Ruf einer glückhaften Landschaft.“20

Die Landschaftsversammlungen sollten „das Landschaftsbewußtsein [pflegen] durch Bemühungen, die zur Selbsterkenntnis, Selbstkritik und Selbstdarstellung führen, zur Fähigkeit, die eigenen Werte zu erkennen und in die rechte Rangordnung zu bringen. Sie versucht, die historisch-politische Individualität der einheitlichen Kulturlandschaft zu verdeutlichen“. „Auf dem Umweg über die Geschichte ... erschließt sich das geistige Gesicht und der Charakter der Landschaft“, zitiert er Johannes Schmid21.

Auf Vorschlag Münchs beschloss die erste Landschaftsversammlung „allgemeine Planungsziele“: „Oberschwaben ... ist dreifach ausgeformt – als jahrtausendalte Kulturlandschaft, als ein weiträumiges Agrargebiet mit ausgeprägt städtischen Mittelpunkten ... und schließlich als bevorzugter Erholungsraum. Auf Grund dieser Eigenarten sollte jede Planung ein ausgewogenes Verhältnis kultureller, wirtschaftlicher und der Erholung dienender Gegebenheiten anstreben. ... Geistesgeschichtliche Überlieferungen und künstlerisches Erbe prägen die Eigenarten dieser Landschaft. Sie sollen auch in der modernen Entwicklung ... als überzeitlicher Wert erkannt und erhalten bleiben.“22In den Vorschlägen des Regionalplanungsverbandes von 1968 zum Gebietsentwicklungsplan Oberschwaben klang das dann aber schon ganz anders. Danach sollte als Hauptziel „der wirtschaftliche, schulische und soziale Rückstand ... aufgeholt [werden] und Oberschwaben künftig am allgemeinen Fortschritt des Landes angemessen teilnehmen“23, da kam Vergangenheit nur noch als gar nicht glückhafter Rückstand in den Blick.

Münch war der einzige unter den hier behandelten Autoren, der als Politiker die Möglichkeit hatte, seine Visionen zu konkretisieren und in praktische Politik umzusetzen. Der 1961 bis 1972 bestehende (Regional)Planungsverband Oberschwaben war die erste politische Klammer Oberschwabens wieder seit dem Ende des Schwäbischen Kreises mit seinen Kreisvierteln 1806. Als Münch 1973 mit der Kreisreform sein Amt verlor, liquidierten die Repräsentanten der Region die einzige politische Plattform für Selbstverständigungsprozesse dieser Landschaft.

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