Elmar L. Kuhn

Oberschwäbische Modelle


Das Glücksversprechen der Vergangenheit

Auch der Fürst von Salina musste einsehen: „Wenn wir wollen, dass alles so bleibt wie es ist, dann ist nötig, dass alles sich verändert.“35Aber das Motiv für die Bereitschaft zur Veränderung war historisch meist ein Glücksversprechen in Erinnerung an das vermeintliche oder reale Glück einer Vergangenheit. Darin berühren sich so gegensätzliche Denker wie Heidegger und Adorno, dass Erinnerung utopische Kraft zu entfalten vermag, damit sie wieder Hoffnung auf Zukunft wird.

„Wer leidet unter der Allherrschaft des bloß Seienden ..., der mag mehr Wahlverwandtschaft zu einem süddeutschen Marktplatz spüren als zu einem Staudamm“36. Das „Maß dessen, was ersehnt wird, ist immer bis zu einem gewissen Grade Glück, das durch den Fortschritt der Geschichte verloren gegangen ist“ oder verloren zu gehen droht37.

Der Student im Roman „Vorläufige Beruhigung“ von Peter Renz kam denn auch für Oberschwaben zum Ergebnis: „In Oberschwaben, in der Provinz hier, gab es praktisch nie eine wirklich emanzipatorische Bewegung, eine Bewegung also im Sinne eines gesellschaftlichen Fortschritts. Alle Bestrebungen waren geschichtlich bisher solche, die auf den Bestand der Provinz gerichtet blieben. In Ruhe überleben.“38Statt der Maxima an Veränderungen, die in den 60er und 70er Jahren angestrebt wurden, ist man heute zufrieden, „Minima zu gewährleisten“39, das heißt, einen historischen Stand an Lebensqualität zu erhalten. Und wenn die glückhafte Rückständigkeit Oberschwabens ein Glücksversprechen auch für die Zukunft bleiben soll, müsste sich wahrlich vieles ändern, um in dieser Landschaft „in Ruhe zu überleben“. Aber Ruhe gibt es nur um den Preis der Unruhe, der tätigen Teilnahme, der beständigen Übung in „Republikanismus“.

Einen kleinen Beitrag zum Überleben Oberschwabens können seine Bewohner leisten, wenn sie der Gesellschaft Oberschwaben beitreten, falls sie noch nicht Mitglied sind. Der Ravensburger Landrat Dr. Guntram Blaser zitierte gerne: „Schwabe zu sein ist eine Gabe, Oberschwabe zu sein eine Gnade.“40Bibliotheken wurden über den Gnadenbegriff geschrieben, aber die Theologen sind sich einig, dass die Gnade keine Eigenaktivitäten ersetzt41.

Etwas ergänzt gegenüber: Oberschwaben 9, 2010, S. 180-191.

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