Elmar L. Kuhn

Oberschwaben und das Konzil von Konstanz 1414-1418


Gewinner und Verlierer

Damit hatte ein Konflikt sein vorläufiges Ende gefunden, der wohl das wichtigste Ergebnis der Konzilszeit für Oberschwaben zeitigte. Mit Herzog Friedrich von Österreich, den Regenten von Tirol und der österreichischen Vorlande verband König Sigismund eine herzliche Abneigung. Friedrich hatte Venedig in einem Konflikt des Königs mit der Adria-Republik unterstützt, die Sigismund als König von Ungarn Dalmatien entrissen hatte. Friedrich fürchtete, der König würde das Konzil zu einer Abrechnung benutzen, der König ohne eigene Machtbasis im Reich musste den Herzog als mächtigsten Fürst im weiten Umkreis fürchten. Der Herzog hatte Papst Johannes auf seiner Reise nach Konstanz seines Schutzes versichert. Als Papst Johannes seinen Rücktritt am 1. März 1415 bereute, floh er in der Nacht auf den 21. März aus der Stadt. Herzog Friedrich hatte seine Flucht unterstützt und folgte ihm wenig später. Es war eine politische Dummheit, auch sein weiteres Verhalten charakterisieren die Historiker als unüberlegt, kopflos, würdelos, oft rücksichtlos und doch wieder zaudernd. Er hatte noch den Grafen von Lupfen, bis 1411 österreichischer Landvogt, jetzt aber in königlichem Dienst, um Hilfe gebeten, der sich aber verweigerte. Das Konzil drohte sich aufzulösen. Es gelang aber dem König, die Teilnehmer zum Bleiben zu bewegen. Sofort nutzte Sigismund die Chance, rief zum Krieg gegen den Herzog auf und ächtete ihn. In wenigen Tagen versandten Adel und Reichsstädte Hunderte von Fehdebriefe an den Herzog, darunter der ganze oberschwäbische Adel. Damit fielen dem König alle Besitzungen des Herzogs zu, die er bald an all die verlieh oder verpfändete, die in seinem Namen Krieg gegen den Herzog führten. Die bislang österreichischen Städte beförderte er zu Reichsstädten. In wenigen Wochen brach die österreichische Herrschaft in den Vorlanden zusammen. Aufgebote der oberschwäbischen Städte, darunter der Stadt Überlingen eroberten den Thurgau. Die Eidgenossen besetzten den Aargau, die habsburgischen Stammlande mit Baden an der Limmat, dem Verwaltungssitz der Vorlande mit dem Archiv, Graf Friedrich von Toggenburg die vorarlbergischen Herrschaften.

Nun konnte der König Wohltaten seine engen Mitarbeiter belohnen. Frischhans von Bodman erhielt zunächst als Reichspfand die Vogtei der Grafschaft Feldkirch und im Rheintal wieder, die er bis 1411 im österreichischen Dienst verwaltet hatte. Im gleichen Jahr bekam er alle Reichsteuern der oberschwäbischen Reichsstädte auf Lebenszeit verpfändet. Nach kaum einem Monat aber sprach der sprunghafte König die Grafschaft Feldkirch und das Rheintal dem Grafen Eberhard von Nellenburg zu. Im Sommer 1415 hatte wiederum Eberhard die Vogtei des Rheintals und den hinteren Bregenzerwald an die königlichen Räte Frischhans von Bodman und Lienhart von Jungingen abzutreten. 1417 verlor Eberhard auch die Grafschaft Feldkirch, die der König an den mächtigeren und durchsetzungsfähigeren Grafen Friedrich von Toggenburg verpfändete, der 1425 auch die Vogtei über das Rheintal von Frischhans von Bodman und Lienhart von Jungingen erwarb. Für den Verlust der Grafschaft Feldkirch entschädigte der König kaum adäquat Graf Eberhard mit der vorher österreichische Stadt Aach als Reichspfand und setzte ihn 1417-1422 als Landvogt im Thurgau ein. Graf Hans von Lupfen übertrug der König die vordem österreichische Landvogtei Elsaß, die er 1417 noch um den Breis- und Sundgau erweiterte. Nach der Aussöhnung des Königs mit Herzog Friedrich musste Lupfen diese Landvogteien aufgeben, waltete aber 1418 bis zu seinem Tod 1436 als Hofrichtet, also oberster Richter des Reichs, und ab 1426 als königlicher Hofmeister. Die Entlohnung Graf Eberhards von Nellenburg blieb mit der Verpfändung der Stadt Aach relativ bescheiden.

Am 5. Mai stellte sich Friedrich dem König in Konstanz und ergab sich auf Gnade und Ungnade. Der Papst Johannes war mittlerweile in Freiburg gefangen gesetzt worden und wurde später nach Konstanz überführt. Im Juli reiste der König nach Frankreich ab, der Herzog blieb als Geisel in Konstanz. Ende März 1416 floh er wiederum aus Konstanz, diesmal nach Tirol, wo ihm die Untertanen treu geblieben waren. Als König Sigismund 1417 nach Konstanz zurück kehrte, ließ er erneut Friedrich ächten und rief einen Reichskrieg gegen Friedrich in Tirol aus, mit geringem Erfolg. Beim Urteilsspruch gegen Friedrich hatten die Grafen Wilhelm von Montfort-Bregenz und Hugo von Werdenberg-Heiligenberg mitgewirkt. Der neue Papst Martin V. bemühte sich um Versöhnung, am 8. Mai 1418 verlieh der König dem Herzog in einem feierlichen Akt auf dem oberen Markt in Konstanz seine Lehen wieder. Der Herzog konnte die verpfändeten Gebiete wieder gegen Bezahlung der Pfandsummen wieder zurücklösen mit Ausnahme der von den Eidgenossen besetzten Gebiete, den neuen Reichsstädten sollte ihr Status erhalten bleiben. Für diese Versöhnung musste der Herzog die gewaltige Summe von 50.000 fl. an den König zahlen. 1425 spezifizierte Sigismund in einem Vertrag die Herrschaften, die er wieder an sich bringen könne. Die Rückgewinnung der verlorenen Gebiete war auf Jahrzehnte das Hauptziel Friedrichs und seines Sohnes. Die Stammlande des Aargaus blieben aber auf Dauer verloren und festigten als erste gemeinsame Untertanenlande die Eidgenossenschaft.

Graf Wilhelm von Montfort-Tettnang, vorher herzoglicher Rat, hatte genauso wie die anderen oberschwäbischen Adligen Herzog Friedrich 1415 die Fehde angesagt. Noch am 31. Januar 1418 wirkte Wilhelm bei einem Gerichtstag in Konstanz gegen den flüchtigen Herzog mit, der zu einer neuen Achterklärung führte. Doch nach neuen Verhandlungen sicherte Sigismund dem Herzog sicheres Geleit zu. Im März 1418 begleitete Wilhelm den Herzog auf seiner Reise von Tirol zurück und nahm ihn zunächst in seinem Schloss in Tettnang auf, von wo er zu den Verhandlungen mit dem König in Meersburg weiterreiste. In der Folgezeit diente Wilhelm dem Herzog wieder in unterschiedlichen Vertrauensposten, ab 1420 als Hofmeister, erhielt im gleichen Jahr sogar Bludenz mit dem Montafon als österreichische Pfandherrschaft, wurde 1425 mit der Rücklösung vom König verpfändeter Herrschaften beauftragt, 1427 mit Erfolg bei den Breisgaustädten, 1427 wurde Wilhelm als Pfleger in Tirol eingesetzt, dann als Landvogt im Elsaß, Breis- und Sundgau. Gegen Ende seines Lebens überwarf er sich allerdings wieder mit Herzog Friedrich, als dieser 1433 die Herrschaft Bludenz wieder auslöste. Im gleichen Jahr begleitete er König Sigismund auf seinem Zug nach Rom zur Kaiserkrönung.

Graf Wilhelm von Montfort-Tettnang hatte sich 1415 nur kurzfristig von Herzog Friedrich abgewandt, vor 1415 wie wieder ab 1418 gehörte er zur österreichischen Klientel. Das mag drei folgenreiche, für das Haus Montfort negative Entscheidungen von König Sigismund mit beeinflusst haben. Graf Rudolf von Montfort-Tettnang zu Scheer wurde als Reichslandvogt Oberschwabens 1415 durch Truchsess Johann von Waldburg ersetzt. Dass der König den Grafen Rudolf 1417 zu seinem Rat ernannte, war ein geringer Ersatz. Der Aufenthalt in Konstanz kam Rudolf so teuer zu stehen, dass er noch 1415 seine Herrschaft Scheer erneut verpfänden musste. Sie ging den Montfortern auf Dauer verloren.

Als Reichslandvogt hatte Rudolf 1414 auf seine Rechte über die Freien auf Leutkircher Heide verzichtet und die Pfandschaft an seinen Bruder Graf Wilhelm übertragen. Auf den Protest der Freien hin entzog Sigismund 1415 Graf Wilhelm die Pfandrechte, die fortan mit der Landvogtei verbunden waren, die im gleichen Jahr an die Waldburger überging.

Schon 1413 hatte König Sigismund dem Grafen Wilhelm von Montfort-Bregenz das Recht eingeräumt, seinen halben Anteil an der Herrschaft Bregenz an seine Tochter Elisabeth zu vererben, die mit dem Grafen Eberhard von Nellenburg verheiratet war, dem mehrfach erwähnten Rat des Königs. Damit wurde verhindert, dass beim Fehlen eines männlichen Nachkommens die halbe Herrschaft an die Regenten der anderen Hälfte, den Zweig Montfort-Bregenz-Pfannenberg oder an die Grafen von Montfort-Tettnang gefallen wäre. Nach dem Tod Graf Eberhards wurde die Erbberechtigung auf den zweiten Mann Elisabeths, den Markgrafen Wilhelm von Baden-Hachberg, übertragen. 1451 verkaufte die Markgräfin ihr Erbe an Österreich, womit es dem Hause Montfort verloren ging. Angebote der Linie Montfort-Tettnang, ihren Anteil zu kaufen, wies sie ab.

Traf Sigismund folglich mehrere nachteilige Entscheidungen für die die Grafen von Montfort-Tettnang und Montfort-Bregenz, so bewahrte der Konflikt des Königs mit Herzog Friedrich die Grafen von Werdenberg-Heiligenberg vor dem Verlust ihrer Grafschaft Heiligenberg. Graf Albrecht von Heiligenberg hatte keine Erben und seine Grafschaft deshalb seinem Neffen Hugo von Werdenberg-Heiligenberg zu Rheineck zugesagt. Die Fehde des Neffen mit dem Herzog, an den Hugo seine Herrschaft Rheineck verloren hatte, erbitterte Albrecht so, dass er 1413 die Grafschaft an Herzog Friedrich verkaufte, die dieser auch gleich besetzte. Hugo protestierte beim König dagegen und als Friedrich nach seiner Flucht geächtet wurde, nahm er seinerseits die Burg im Handstreich. Der König sicherte ihm 1418 zu, dass auch nach seiner Aussöhnung mit Friedrich, dieser die Grafschaft nicht zurückfordern dürfe. So blieb die Grafschaft der Linie Werdenberg-Heiligenberg erhalten. Aber Hugo 1428 kinderlos starb, sah Friedrich nochmals eine Chance, in den Besitz der Grafschaft zu kommen. Doch Sigismund erklärte das Reichslehen für verfallen und verlieh sie einem Günstling, dem Statthalter von Verona Bruno della Scala. Als nächster Agnat erhob jedoch Graf Johann von Werdenberg-Sargans-Trochtelfingen zu Sigmaringen Anspruch auf sein Erbe und besetzte nun die Burg. Nach jahrelangen Prozessen wurde ihm 1434 die Grafschaft zugesprochen, die das Haus Werdenberg bis zu seinem Aussterben 1534 weiter regieren konnte.

Hauptgewinner in Oberschwaben war das Haus Waldburg. Truchsess Johann mit den vier Frauen, der bereits unter Graf Rudolf Unterlandvogt gewesen war, stieg 1415 zum Reichslandvogt in Oberschwaben auf und konnte damit seine Herrschaftsgebiete weiter abrunden. Die Landvogtei blieb mit einer Unterbrechung bis 1541 beim Haus Waldburg. Mit der Landvogtei erhielten sie auch die Pfandschaft über die Freien auf der Leutkircher Heide, die die Grafen von Montfort beanspruchten, aber nicht mehr realisieren konnten. Die fünf Donaustädte, seit 1384/86 von Österreich an die Waldburger verpfändet, erklärte der König 1418 zu nicht rücklösbaren Reichslehen.

Dass die Habsburger auf Jahrzehnte geschwächt waren und die oberschwäbische Landvogtei im 15. Jahrhundert nicht als Instrument ihrer Territorialpolitik nutzen konnten, sicherte den oberschwäbischen Herrschaften den Weg zur Anerkennung ihrer Reichsunmittelbarkeit.

     

Copyright 2024 Elmar L. Kuhn