Elmar L. Kuhn

Oberschwaben und das Konzil von Konstanz 1414-1418


Bittsteller

Wenn König und Papst schon in der Nähe weilten, nutze man die Gelegenheit, ihnen Anliegen vorzutragen. Schon als sich der König im August 1413 in Meran und dann bis zum September in Chur aufhielt, eilten ihm offenbar Vertreter der oberschwäbischen Reichsstädte von B wie Buchhorn bis W wie Wangen entgegen, von ihm ihre Rechte und Privilegien bestätigen zu lassen. An einem Tag, dem 4. August 1413 wurden allein elf solcher Privilegien-Urkunden für diese Städte ausgestellt, darunter auch Überlingen. Ebenso bestätigte er die Rechte der bischöflichen Stadt Meersburg, des Stifts Lindau, der Klöster Salem und Weingarten und der Freien auf Leutkircher Heide. Buchau und Wurzach verlieh er Marktrechte. Den Truchsess Johann von Waldburg belehnte er mit der Feste Waldburg mit Wildbann und bestätigt die Pfandschaft der Feste Zeil. Graf Hugo von Werdenberg-Heiligenberg zu Rheineck verlieh er die Grafschaft Heiligenberg, auf die Herzog Friedrich von Österreich Anspruch erhob. Mark von Schellenberg bestätigte er die Reichspfandschaft der Kelhöfe bei Lindau. Einige Juden aus Lindau, Ravensburg und Überlingen (Liebermann und Anselm), die ihn in der Lombardei und bei seinem Aufenthalt in Chur in finanziellen Nöten unterstützt hatten, nahm er unter seinen Schutz und gewährte ihnen Freiheiten.

Auf den weiteren Reisen des Königs in die Lombardei zur Verhandlungen mit Papst Johannes und dann über Speyer und Nürnberg nach Aachen blieben dann weitere Königsurkunden für oberschwäbische Empfänger aus. Erst als er Weihnachten 1414 in Konstanz eintraf und sich dort bis zum Juli 1415 und dann wieder vom Januar 1417 bis Mai 1419 aufhielt, wurden wieder oberschwäbische Herrschaften mit ihren Wünschen bei ihm vorstellig. Nun erhielten die Klöster Füssen, Löwental, Marchtal, Ochsenhausen, Ottobeuren, Petershausen, Schussenried, der Paulinerorden mit seinem Kloster Langnau bei Tettnang sowie die landesherrlichen Städte Ehingen, Markdorf und Wurzach ihre Privilegienbestätigungen. Das königliche Hofgericht fällte Urteile zugunsten des Klosters Weingarten in seinen Konflikten mit den Untertanen in Altdorf und Hagnau. Die Altdorfer hatten, um ihre Interessen zu vertreten sogar eine Delegation dem König nach Paris nachgeschickt, wo er mit dem französischen König verhandelte und sicherlich andere Prioritäten hatte. Das Kloster Löwental erwirkte ein günstiges Urteil gegen die Reichsstadt Buchhorn betr. der Nutzung des Waldes Schwaderloh.

Die in Konstanz anwesenden hohen geistlichen Würdenträger, Erzbischöfe, Bischöfe und päpstliche Dignitäre stellten großzügig Urkunden über geistliche Wohltaten aus wohl gegen entsprechende Gebühren, so über Ablässe für den Münsterbau in Salem und für den Besuch der dortigen Kirchen, der Äbtissin von Heiligkreuztal Dispens von den Fastengeboten, dem Spital Überlingen das Recht entfremdete Güter zurückzufordern und der Stadt Biberach, hingerichtete Übeltäter zu beerdigen. „Um jeden Kardinal drängten sich Hunderte, die sich seiner Fürsprache versichern wollten.“ Der Erzbischof von Salzburg, dessen Erzbistum das Kloster Salem seit 1201 formell unterstellt war, weihte am 23. Dez. 1414 das Münster, obwohl der Bau noch nicht fertiggestellt war. Immer wieder wird vermutet, dass König Sigismund zu diesem Festakt nach Salem gekommen sei. Aber am Tag der Weihe befand er sich noch auf der Anreise an den Bodensee. Das Paulinerkloster Argenhardt konnte sich freuen, dass der Erzbischof von Korinth ihre neue Kapelle weihte.

Selbst mit Streitfällen ländlicher Kirchengemeinden befassten sich Papst und Konzil. Papst Johannes XXII. hatte bereits 1410 der Gemeinde Immenstaad die Stiftung einer Kaplanei bestätigt, mit der sich Immenstaad teilweise aus der Pfarrei Bermatingen löste, deren Pfarrvikar der Abt von Salem einsetzte. Mit dem folgenden Streit, wer über das Patronat der Immenstaader Kaplanei verfügte, der Salemer Abt oder die Gemeinde Immenstaad, musste sich Papst Johannes bis zu seiner Flucht und anschließend gar das Konzil mehrfach befassen. Im Auftrag des Konzils entschieden dann geistliche Richter zugunsten der Gemeinde. Nur ganz wenige Gemeinden im Reich konnten ihren Seelsorger selbst wählen, das war dann eine wichtige Forderung im Bauernkrieg.

Nach seiner Wahl zum Papst beurkundete Martin V. geradezu inflationär Gnadenakte. Er nahmu.a. die Klöster Bonndorf, Heiligkreuztal, Kempten und Petershausen in seinen Schutz, bestätigte die Privilegien des Zisterzienserordens und von Schussenried und verlieh Salem neue Privilegien. Wenn er dem Domkapitel Konstanz, dem Stift Buchau, den Klöstern Kempten, Marchtal und Petershausen die Inkorporation von Pfarrkirchen bewilligte, demonstrierte er, wie wenig er die Kirchenreform im Sinne hatte, ebenso wenn er dem Johannes Vogt von Summerau zu Praßberg erlaubte, neben der Pfarrei Niederwangen noch die Kaplanei in Immenstaad und zwei weitere Pfründen zu besitzen. Einer Unzahl von Antragstellern stellte die päpstliche Kanzlei sog. Provisionen aus, in denen sie über die Rechte der eigentlichen Patronatsherren hinweg geistliche Stellen verlieh und ihren Tausch ermöglichte. Diese Praxen beschränkten sich nicht auf den Aufenthalt des Papstes in Konstanz, sondern gingen danach ungebremst weiter.

     

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