In Oberdeutschland und damit auch in Oberschwaben war zumindest anfänglich nicht Luther, sondern Ulrich Zwingli „der gesellschaftlich wirksamere Reformator“ (Blickle). Geboren im Toggenburg, studierte er in Wien und Basel, was ihn in engere Berührung mit dem Humanismus brachte. 1506 wurde er als Gemeindepfarrer nach Glarus berufen und begleitete in den Folgejahren zwei Mal Schweizer Söldnertruppen nach Italien als Feldprediger. Nach diesen Erfahrungen lehnte er den Solddienst grundsätzlich ab. Nicht innerliche Kämpfe wie den Mönch und Universitätsprofessor Luther, sondern äußere Erfahrungen mit seiner sozialen Umwelt veranlassten den Seelsorger Zwingli zu seinen reformatorischen Auffassungen, „aus dem Wort Gottes heraus das gesellschaftliche und soziale Leben des kommunalen Gemeinwesens zu gestalten“ (Kaufmann) und schließlich eine eigene Konfession innerhalb der reformatorischen Strömungen zu begründen. Er ging einen eigenständigen Weg neben Luther, wurde aber durch dessen Resonanz in der Öffentlichkeit ermutigt. Ab 1519 wirkte Zwingli als Leutpriester am Zürcher Großmünster und damit als wichtigster Seelsorger an der wichtigsten Kirche einer damaligen Großstadt. Dort begann er in humanistischem Geist eine Predigtreihe über das Matthäus-Evangelium. Bald predigte er gegen die Verehrung der Heiligen, gegen die Lehre vom Fegefeuer, das Zehntwesen, gegen die Priesterehe, gegen das Fasten. Als es 1522 in der Stadt in der Passionszeit zu öffentlichem provokativen Fastenbrechen kam, sah sich der Stadtrat als weltliche Obrigkeit gefordert. Er lud zu einer öffentlichen Disputation über die Thesen Zwinglis ein, der Rat werde dann auf der Grundlage der Heiligen Schrift urteilen. Als Grundlage für das Gespräch fasste Zwingli seine Kernpunkte in 67 Artikeln zusammen, die im Kern kaum von Luthers Positionen abwichen. Im Gegensatz zu Luther wies er aber der weltlichen Obrigkeit das Recht und die Pflicht zur Neuordnung der christlichen Gesellschaft und auch der kirchlichen Angelegenheiten zu. Von Anfang an hatte Zwingli die Unterstützung seiner Stadtregierung, die seine Lehren umsetzte. In einer zweiten Disputation ging es um die Messe und die Bilder in den Kirchen. Ganz im Sinne Zwinglis beschloss der Rat 1524 die Beseitigung der Bilder und Statuen in den Kirchen, 1525 folgte die Neuordnung und radikale Vereinfachung der Liturgie. Ein vom Rat besetztes Sittengericht überwachte die Lebensführung der Gemeindemitglieder. Es war „die erste Kirchengründung der Reformation“ und Zwinglis „Auslegung“ seiner Artikel gilt als „die erste evangelische Dogmatik in deutscher Sprache“ (Moeller/Locher). Schon seit 1522 lebte Zwingli in zunächst geheim gehaltener, ab 1524 in öffentlicher Ehe, also noch vor Luther. Von zwei Seiten zeigten sich Gefahren, in der Stadt selbst regten sich radikalere Strömungen, die Zwingli und dem Rat zu wenig Entschiedenheit vorwarfen. Im äußeren zeichnete sich die konfessionelle Spaltung der Eidgenossenschaft ab. Als Zürich versuchte, die „freie Predigt“ auch in der Innerschweiz durchzusetzen, kam es zum Krieg. Zwingli hatte zum Krieg gedrängt, wenn Überzeugung nicht ausreiche, den richtigen Glauben zu verbreiten, müsse er eben mit Feuer und Schwert durchgesetzt werden. Die neugläubigen Orte erlitten 1531 eine Niederlage und Zwingli fiel, der die Zürcher Truppen als Feldprediger begleitet hatte. Doch blieben die konfessionellen Besitzstände in der Schweiz erhalten und jedem „Ort“ der Eidgenossenschaft wurde zugestanden, über Glaubensfragen selbst zu entscheiden. Kaum zehn Jahre später sollte die „reformierte“ Konfession, wie sie im Unterschied von den Lutheranern genannt wurde, durch die Genfer Reformation auf Betreiben von Calvin entschieden gestärkt werden, dessen Lehren später im Reich in der Kurpfalz verordnete Doktrin wurde, in Frankreich bei den Hugenotten und in den Niederlanden Anhänger fand.