Elmar L. Kuhn

Revolution und Räte 1918/19


Die Führer

Die bei der Revolution in Friedrichshafen führenden Personen sind alle erst während des Krieges in die Stadt am See zur Arbeit in der Rüstungsproduktion gekommen. Mehrere treten schon vor 1918 als Mitglieder der Arbeiterausschüsse, Vorläufer der späteren Betriebsräte, oder als Flugblattverteiler hervor. Die wichtigsten Personen ziehen aus Stuttgart zu. In Stuttgart aber ist der linke Flügel der Arbeiterbewegung, die USPD und der Spartakusbund besonders stark, hier hat sich die Sozialdemokratie bereits 1914 und damit am frühesten im Reich organisatorisch gespalten. Aus Stuttgart kommt am 24. Oktober Fritz Rück, der Landesvorsitzende der USPD, und entwickelt "die Grundzüge des revolutionären Programms"28. Am 26. Oktober sprechen wieder Rück und August Talheimer zu den Demonstranten, Talheimer ist bald einer der führenden Köpfe der KPD. Rück steht in enger Verbindung mit Leo Jogiches, dem fähigsten Organisator des Spartakusbundes in Berlin. In Stuttgart holen sich die Arbeiterratsmitglieder Matthiesen und Thomas am 5. November Rat und werden auf der Rückreise mit der Bahn am 6. November zusammen mit Rück und August Talheimer verhaftet, die offenbar in Friedrichshafen die Bewegung wieder vorantreiben sollten. Jakob Braun, der Vorsitzende des Arbeiterrats bis in den Sommer 1919, USPD-, später SPD-Vorsitzender und Gemeinderat, ist 1916 aus Stuttgart zugezogen, wird sogleich der Verbreitung von Flugblättern verdächtigt und tritt 1917 als Vorsitzender des Arbeiterausschusses des Maybach-Motorenbaus hervor. Ludwig Reinhardt, der Geschäftsführer des Arbeiterrats, ist erst 1918 aus Stuttgart an den See gekommen, er ist USPD-Mitglied und gründet im Juli 1919 die Ortsgruppe der KPD. Drei weitere Personen sind nur kurzfristig in Friedrichshafen nachzuweisen. Bis auf einen Rechtskonsulenten sind von den 7 Führern der ersten Stunde alle gelernte Facharbeiter, zwischen 26 und 40 Jahre alt und meist beim Maybach-Motorenbau tätig, bei den meisten sind vorige Verbindungen zur Arbeiterbewegung in Stuttgart wahrscheinlich. Interessant ist die Diskrepanz in den politischen Einstellungen zwischen den Funktionären und der Vollversammlung des Arbeiterrats. Alle vier in der ersten Jahreshälfte 1919 tätigen Funktionäre sind USPD-Mitglieder, viele der Arbeitervertreter in der Vollversammlung wohl auch. Aber die Ordnungskoalition der "bürgerlichen Fraktion" mit den rechten Sozialdemokraten stellt in der Vollversammlung eigentlich die Mehrheit, allerdings bleiben die Bauernräte den Sitzungen häufig fern.

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