Die Machtfrage in Reich und Land ist Anfang 1919 eigentlich entschieden, aber in der "Zeit der Enttäuschungen" beginnen nun die "verzweifelten Versuche einer Revision". Die aufeinanderfolgenden Wellen von Streiks und großen Demonstrationen zähle ich hier nur knapp auf. Schon im Januar 1919 fürchtet die Regierung einen Putschversuch in Friedrichshafen und lässt Sicherheitstruppen patrouillieren. Aber die erste größere Demonstration im Februar wird nicht durch Umsturzpläne, sondern eine Milchpreiserhöhung ausgelöst. Den Anlaß zum großen württembergischen Generalstreik Anfang April 1919 geben zwar konkrete Regierungsmaßnahmen, aber der "Aktionsausschuss des geeinten Proletariats" unter Führung der USPD zielt auf mehr. Die "Rote Seefahne" in Friedrichshafen fordert, nun gelte es, den "Sozialismus in die Tat umzusetzen"51. Nach fünf Tagen endet der Streik erfolglos.
Über Putschgerüchte, kleinere Streiks, Teuerungsdemonstrationen berichten die Zeitungen in den folgenden Jahren immer wieder. Gegen den Kapp-Putsch im Frühjahr 1920 streiken und demonstrieren die Friedrichshafener Arbeiter zwei Tage. Dann scheinen sie zu resignieren, denn an dem großen württembergischen Steuerstreik im August 1920 gegen den neu eingeführten Lohnsteuerabzug nehmen sie nicht teil. Gegen die Mörder Erzbergers im August 1921 sowie gegen die Mörder Rathenaus im Juni 1922 veranstalten die Gewerkschaften große Protestversammlungen, jeweils ohne Beteiligung der Parteien, denen die Toten angehörten.
Als die Unternehmer eine der letzten verbliebenen Errungenschaften der Revolution zu Fall bringen wollen, den 8-Stunden-Tag, wehren sich die Arbeiter erbittert von März bis Juni 1922 im Süddeutschen Metallarbeiterstreik, eigentlich einer Aussperrung, 11 Wochen lang, in Friedrichshafen noch länger als sonst, ohne Erfolg. Ende 1923 ist die politische Lage derart angespannt, dass alle Seiten aufrüsten, der offene Bürgerkrieg steht bevor. Die KPD stellt Handgranaten her, die Nazis führen militärische Übungen durch, der Stadtschultheiß bildet eine bewaffnete Bürgerwehr, die Polizei löst Betriebsversammlungen auf und besetzt zweimal die Zahnradfabrik.