Elmar L. Kuhn

Oberschwaben und das Konzil von Konstanz 1414-1418


Ereignisse und Beschlüsse

Die sog. Generalkongregationen tagten immer im Münster. In der Mitte vor dem Lettner befand sich der Thron des Papstes, solange er noch im Amt war, umgeben von den Patriarchen und dem Hochmeister des Johanniterordens. Neben dem Papst thronte der König mit drei Begleitern. Auf drei stufenartigen Rängen zu beiden Seiten des Schiffs nahmen zuoberst die Kardinäle, Erzbischöfe und Fürsten, darunter die Bischöfe und Äbte, zuunterst die Professoren des Kirchenrechts und der Theologie Platz. Vor den Rängen in der Mitte saßen Schreiber und einfache Geistliche. Teilnahmeberechtigt waren also nicht nur Geistliche in mindestens Bischofsrang wie heute, sondern alle anwesenden Theologen und Kanonisten, auch weltliche Adlige, aber ohne Stimmrecht. Abgestimmt wurde nicht nach Köpfen, sondern nach Nationen: Germanien (mit Ost- und Nordeuropa), England, Gallien, Italien und ab 1416 Spanien. Die Nationen tagten getrennt, die Italiener im Refektorium, die Franzosen im Kapitelsaal der Dominikaner, die Deutschen im Kapitelsaal, die Engländer im Refektorium der Franziskaner, die Spanier im Refektorium der Augustiner-Eremiten. Entscheidenden Einfluss auf den Gang der Verhandlungen und Beschlüsse hatten drei Kardinäle, die zwei Franzosen d’Ailly und Fillastre und der Italiner Zabarella, sowie Jean Gerson, der Kanzler der Pariser Universität. König Sigismund als Schutzherr des Konzils, der zeitweise sogar das Präsidium der Sitzungen übernahm und den Verhandlungsgang bestimmen wollte, konnte sich mehrfach nicht durchsetzen.

Drei Aufgaben hatte sich das Konzil gestellt: die causa unionis, die Beendigung des Schismas, die causa fidei, die Glaubensfrage und die causa reformationis, die Kirchenreform. Papst Johannes hatte angenommen, das Konzil werde ihn als rechtmäßigen Papst anerkennen und damit das Schisma beenden. Als er erkannte, dass damit nicht zu rechnen war, floh er am 20. März 1415 aus der Stadt mit Hilfe des Herzogs Friedrich von Österreich, dem Gegner des Königs. Um handlungsfähig zu bleiben ohne präsidierenden Papst, verabschiedete das Konzil am 6. April das Dekret „Haec sancta“, wonach es seine Autorität direkt von Christus, nicht vom Papst habe, und der Papst dem Konzil Gehorsam schulde. Es gelang, Papst Johannes gefangen zu nehmen und am 29. Mai wurde seine Absetzung verkündet. Am 4. Juli 1415 verkündete die Delegation des römischen Papstes Gregor, dass er auf sein Amt verzichte. Nun blieb nur noch der halsstarrige Papst Benedikt.

In der Zwischenzeit glaubte das Konzil auch die Glaubensfrage gelöst mit der Verurteilung des böhmischen Reformators Johannes Hus, der am 6. Juli 1415 verbrannt wurde. Zu seiner Unterstützung erschien im April 1415 auch Hieronymus von Prag in Konstanz. Als er sah, dass man Hus nicht einmal anhören wollte, flüchtete er nach Überlingen und bat von dort aus um sicheres Geleit, um vor dem Konzil seine Sache zu vertreten. Nachdem er erfuhr, dass weder König noch die Konzilsväter dazu bereit waren, begab er sich auf die Heimreise nach Böhmen, wurde aber unterwegs gefangen genommen und vor Gericht gestellt. Im Mai 1416 erlitt Hieronymus von Prag das gleiche Schicksal wie Hus und wurde als Ketzer verbrannt.

Um Papst Benedikt ebenfalls zum Rücktritt zu bewegen, verließ König Sigismund am 9. Juli 1415 Konstanz und reiste mit einem großen Troß von viertausend Begleitern nach Südfrankreich zu Verhandlungen mit Benedikt und den spanischen Herrschern. Benedikt blieb zwar uneinsichtig, aber Spanien und Schottland wandten sich nun von ihm ab, so dass der Weg für die Absetzung frei war. Die Verhandlungen auf der Weiterreise nach Paris und nach England mit den Königen von Frankreich und England, um den Krieg zwischen beiden Ländern zu beenden und sie für einen gemeinsamen Kreuzzug zu gewinnen, blieben erfolglos. Nach anderthalbjähriger Abwesenheit traf Sigismund am 27. Januar 1417 wieder in Konstanz ein. Er hatte gebeten, während seiner Abwesenheit keine wichtigen Beschlüsse zu fassen. Viele weltliche Teilnehmer hatten Konstanz in dieser Zeit ebenfalls verlassen und kehrten erst wieder mit dem König zurück. Die geistlichen Teilnehmer mussten bleiben und befassten sich mit aktuellen Fragen wie dem Konflikt des Deutschen Ordens mit Polen, dem Streit zwischen Burgund und Orléans über die Berechtigung des Tyrannenmordes und mit der Union mit der griechisch-orthodoxen Kirche. Keines dieser Probleme lösten sie. Stattdessen feierten sie kirchliche und weltliche Feste, unterhielten sich bei Turnieren, Tänzen und literarischen Lesungen. Nach Konstanz zurückgekehrt nahm der König bei den Konzilssitzungen im Münster nun den Platz ein, auf dem vorher Papst Johannes gesessen hatte und demonstrierte damit seinen Anspruch auf Sitzungsleitung, der ihm aber von der Mehrheit der Nationen bestritten wurde.

Nachdem die spanischen Könige die Partei Papst Benedikts verlassen hatten, reisten im Herbst 1416 auch die ersten Spanier zum Konzil an und bildeten nun die fünfte Nation. Damit war der Weg frei für die Absetzung Papst Benedikts am 26. Juli 1417 und für die Wahl eines neuen Papstes. Benedikt sah sich dessen ungeachtet weiter als legitimen Papst und zog sich in ein Kastell bei Valencia zurück, worum sich die christliche Welt aber nicht mehr kümmerte.

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