Elmar L. Kuhn

Der Bauernkrieg von 1525 in Oberschwaben


Ablaufmodell

In diesen Berichten zeichnet sich ein Ablaufmodell ab. Am Anfang steht die Konspiration Einzelner. Sie agitieren zunächst heimlich, dann begünstigen Weihnachtsfeiertage und Fasnacht die Kontakte. Es kommt zu ersten größeren Treffen, in denen die Beschwerden besprochen und Mut zum Handeln gefasst wird. Sobald eine gewisse Größenordnung überschritten wird, beruft die Kerngruppe eine Versammlung auf einem markanten, traditionell ausgezeichneten Ort ein, z.B. auf die Gerichtsstätte Leubas, nach Rappertsweiler, dem Gerichtsort des Klosters Langnau. Dort beschwören die Anwesenden ihren Bund und verpflichten sich zum gegenseitigen Beistand. Einen eigenen Weg gehen zunächst die Kemptener Bauern mit ihrem Beschluss, den Prozessweg zu beschreiten. Dort erleichtert auch die Existenz der „Landschaft“, der Korporation der Untertanen, das gemeinsame Vorgehen12. Im Allgäu und wohl auch im Rappertsweiler Bereich organisieren sich die Bauern zunächst innerhalb einer jeweiligen Herrschaft. Spätestens in der zweiten Hälfte des Monats Februar schließen sich die getrennt operierenden Bauernschaften zu den drei großen herrschaftsübergreifenden Haufen zusammen. Berufen sich bei den herrschaftsinternen Konflikten die Bauern in der Regel auf das „Alte (und das heißt lokal verschiedene) Recht“, so ermöglicht die neue Leitidee, das „Göttliche (und das heißt allgemein verbindliche) Recht“ die herrschaftsübergreifende Bewegung. Erst dadurch kann der Bauernkrieg zum Flächenbrand werden.

Aus dem freiwilligen Bündnis wird eine Zwangsgemeinschaft. Aus einer Bewegung wird eine feste Organisation, Hauptleute und Räte werden gewählt, ein Spitzenmann muss zuvor wie in Baltringen und Rappertsweiler erst gesucht werden, die Haufenführer werden unterstützt durch Schreiber, Fähnriche, Waibel, Profosen, Pfennigmeister, Quartier- und Proviantmeister, Fouriere. In Artikeln werden Beschwerden und Ziele formuliert, von den einzelnen Dörfern wie bei den Baltingern, gemeinsam von den Allgäuern und Rappertsweilern, aus eigenem Antrieb oder auf Aufforderung des Schwäbischen Bundes. Durch Werbeschreiben oder Drohungen werden bisher passive Dörfer zum Anschluss gedrängt, die Organisation verdichtet sich auch räumlich. Nach einer ersten Konsolidierung der Organisation beginnen erste militärische Maßnahmen mit Besetzungen von Klöstern und Burgen und der Inpflichtnahme der Besatzungen. Mit der Bildung der Christlichen Vereinigung der drei Haufen erreicht die Organisation in einer oberschwäbischen Föderation ihren Abschluss, die drei Bauernparlamente in Memmingen verabschieden drei Grunddokumente, die Zwölf Artikel, Bundes- und Landesordnung.

Unterschiede in der Organisationsdichte lassen sich nicht übersehen, am besten integriert scheint der Allgäuer Haufen mit seinem schon bestehenden Kern der Kemptener Landschaft, es folgt der Seehaufen mit dem Kern um Rappertsweiler, während die Baltringer Plätze nur in lockerer Verbindung miteinander stehen. Die Baltringer finden denn auch in der Stunde der Gefahr zu keiner gemeinsamen Aktion zusammen, ihr Bund zerfällt bei den ersten Angriffen des gegnerischen Heeres, isoliert werden die einzelnen Abteilungen geschlagen, während Seehaufen und Allgäuer geschlossen ihre Mannschaft mobilisieren können.

Der entscheidende Schritt zur Revolte, wenn nicht schon zur Revolution, ist der gemeinsame Schwur auf das Bündnis, die „Ver-Schwörung“. Alle Bauern hatten einen Huldigungseid auf ihren Leib- oder Gerichtsherrn abgelegt. Der Einungseid verbindet die Bauern horizontal, konkurriert mit der vertikalen Orientierung des Huldigungseides, überlagert ihn, löst ihn ab. Auf lokaler Ebene können beide Orientierungen, die genossenschaftlich-kommunale und feudale nebeneinander bestehen, auf regionaler Ebene in den Haufen und der christlichen Vereinigung bedroht eine bündisch-republikanische Ordnung feudale Herrschaft.

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