Elmar L. Kuhn

Die österreichische Provinz des Paulinerordens


Die Generalvisitationen

Mit der Teilnahme am Generalkapitel und den Berichten hatte die Provinz eine Bringschuld an Informationen zu entrichten, im Gegenzug war die Pflicht des Generalpriors alle drei Jahre die Konvente jeder Ordensprovinz zu visitieren, eine Holschuld, sich ein unmittelbares Bild von den Verhältnissen vor Ort zu verschaffen. Dieser Pflicht zur Visitation kamen die Generalprioren in der österreichischen Provinz, wie schon bei den Provinzkapiteln festgestellt, fast immer persönlich nach. Dagegen beauftragten die Generalprioren des 18. Jahrhunderts in der Hälfte aller Fälle Konventualen der schwäbischen Provinz mit der Visitation ihrer eigenen Provinz, auch wenn sie wussten, dass sie von ihnen keine objektiven Informationen erwarten konnten. Bei zehn Visitationen besuchte der Generalprior oder sein Kommissar allerdings nicht alle Klöster der österreichischen Provinz, sondern beauftragte Amtsträger der Provinz mit der Visitation einzelner Konvente. Allein neun Mal verzichtete der Generalvisitator auf die Reise nach dem entfernten Oboriste, viermal wurde die Visitation von Wiener Neustadt einem österreichischen Amtsträger überlassen, die anderen Konvente wurden nur ein oder zweimal nicht persönlich aufgesucht. Für die Visitation war der Generalprior vom Aufbruch aus seiner Residenz in Maria Tal etwa einen Monat unterwegs, wobei er meist in Wien noch dem Fürsterzbischof als Kardinalprotektor des Ordens und dem Apostolischen Nuntius Besuche abstattete und gelegentlich dem Kaiser bei einer Audienz Anliegen des Ordens vortrug. Im Vergleich dazu benötigte der Generalprior für eine Visitation der weit entfernten schwäbischen Provinz etwa ein Vierteljahr. Im Anschluss an die Visitation der einzelnen Konvente fand sich der Generalprior zum Provinzkapitel in Wiener Neustadt ein, dem er präsidierte. Die Ergebnisse der Visitation ebenso wie der Beratungen flossen in die „ordinationes“ und „articuli salutares“ ein. In einigen Fällen hinterließ der Visitator aber auch spezielle Anordnungen in den einzelnen Konventen, so vor allem 1720 insges. 25 Regelungen in den sechs Konventen. Dabei wurden u.a. Missstände gerügt in sechs Fällen der Finanzverwaltung, in fünf Fällen der Behandlung der Kirchengeräte, je drei Mal des ungeregelten Ausgangs und der Klausur und zwei Mal Abweichungen des Habits, außerdem wurde eine sorgsamere Auswahl und Erziehung der Novizen angemahnt. Den Zorn des Visitators erregte die Meldung, dass unmittelbar nach seiner Abreise aus Oboriste dort entgegen den Konstitutionen schwarze statt weiße „pileoli“ getragen wurden, „regularis mensa“ abgeschafft wurde und die Patres auswärts übernachteten. Einzelne Konvente betreffende Anordnungen wurden dann nur noch drei Mal protokolliert, als 1726 drei Konventualen in Ranna bestraft werden mussten, die „se peccato sodomiae vacasse“, 1735 dort ein Pater wegen häretischer Reden befragt wurde und 1765 in Hernals Klausur und Ausgang wieder beanstandet wurden .

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