Elmar L. Kuhn

Landleben am Vorabend des Bauernkriegs


Grundherrschaft

In den Güterbüchern der Herrschaften wurden im 15. und 16. Jahrhundert keine Eigengüter der Bauern aufgeführt, im 17. Jahrhundert werden in den Steuerlisten der Landvogtei gerade mal 4 Güter in Alberskirch, Dürnast und Wernsreute als bäuerliche Eigengüter bezeichnet. Doch mögen manche Bauern zusätzlich zu ihren Lehengütern noch eigene Grundstücke besessen haben. Fast alle der 140 Höfe und Güter12 waren folglich Lehengüter, d.h. eigentlicher Eigentümer war ein Grundherr, der die Höfe und Güter an die Bauern gegen Abgaben und ggf. Dienstleistungen zur Bewirtschaftung verlieh. Die Lehen konnten als Erblehen, die bei pflichtgemäßem Wirtschaften vererbt werden konnten, oder als sog. Fall- oder Schupflehen auf eine oder mehrere Lebenszeiten verliehen werden. In diesem Fall konnten die Lehennehmer nach Ablauf der Leihezeit vom Hof „geschupft“ werden, im Regelfall wurden die Erben aber wieder belehnt. Lehen durften grundsätzlich nicht geteilt werden, mit oder ohne Zustimmung der Grundherren kam es dennoch gelegentlich vor. Das bedeutete aber, dass idR nur ein Kind den Hof geschlossen übernehmen konnte.13

Hauptgrundherr im Gebiet der Gemeinde war das Kloster Weißenau. Nach großen Besitzverlusten im Interregnum um 1270 und Ende des 14. Jahrhunderts in Folge der Agrarkrise nach der Pest hatte sich das Kloster im 15. Jahrhundert mit seinen Besitzschwerpunkten beiderseits der Schussen südlich von Ravensburg und in Ummendorf wieder konsolidiert. Zwischen 1309 und 1343 erwarb das Kloster sukzessive von den Grafen von Werdenberg-Heiligenberg und den Truchsessen von Waldburg das Dorf Oberzell mit Bergle, Reute, Metzis-, Nieder- (Schaufel) und Oberweiler.14 Seither war Weißenau dort alleiniger Grundherr und verlieh sämtliche Höfe. Zwischen 1434 und 1465 verkauften verschiedene Ravensburger Bürger ihre Güter in Taldorf und im benachbarten Reute an die Weißenauer Äbte, die damit alle Höfe in Taldorf ihrer Grundherrschaft eingliederten bis auf einen, der dem Spital Ravensburg verblieb.15 Außerhalb dieser beiden geschlossenen Besitzkomplexe verlieh das Kloster seine Einzelhöfe in Hotterloch (Diethards Holz), Sederlitz und Vogler (Hub), zwei Höfe in Albersfeld (Waldburgsfeld), fünf Höfe in Wernsreute sowie einzelne Höfe bzw. Güter in Alberskirch, Bavendorf und Dürnast.16 All diesen Besitz sowie weiteren in Orten in den angrenzenden späteren Gemeinden Ettenkirch und Oberteuringen fasste das Kloster in dem grundherrschaftlichen Amt Taldorf zusammen, dem ein klösterlicher Amann vorstand, 1526-47 Konrad, ab 1549 Marx Scherer, die einen Hof in Wernsreute bewirtschafteten.17

Zweiter klösterlicher Grundherr war das Zisterzienserkloster Salem, das Adelsreute von seinem Gründer Guntram von Adelsreute als Gründungsgut erhalten, es in eine zisterziensische Grangie, ein selbstbewirtschaftetes Gut umgewandelt, es aber im 15. Jahrhundert wieder in einzelne Bauerngüter aufgeteilt hatte, die es als Lehen ausgab. Adelsreute war eine geschlossene Salemer Grundherrschaft mit 1453 drei, nach 1500 fünf, zeitweise sechs Einzelgütern.

Im 15. Jh. hatte die Familie Humpis die meisten Höfe in Bavendorf erworben. Jos Humpis von Ratzenried veräußerte aber seinen gesamten Bavendorfer Besitz 1513 mit dem Maierhof an das Spital Ravensburg, das damit der dritte Grundherr in der späteren Gemeinde mit einer nahezu geschlossenen Grundherrschaft war. Die Klöster Weingarten und Weißenau sowie die Heiligenpflege Taldorf besaßen in Bavendorf noch je einen Hof.18 Das Spital Ravensburg verlieh außerdem noch je einen Hof in Alberskirch, Ettmannsschmid, Oberweiler und Wernsreute, die Stadt Ravensburg einen Hof in Eggartskirch und zwei Höfe in Rieter (Diepoldsweiler).19

Von weiterem Streubesitz von Grundherren erfahren wir ebenfalls mehr als ein Jahrhundert später:20 In Alberskirch (Waldburgsfeld) Kloster Weingarten, Kloster Kreuzlingen, die Karmeliter von Ravensburg und der Kirchenbaufonds je ein Hof; in Eggartskirch der Widdumhof der dortigen Pfarrkirche und der Kirchenbaufonds Taldorf je ein Hof; in Segner die Ravensburger Familie Schindelin von Unterreitnau ein Hof (Mühle?); in Wernsreute das Kapitel Markdorf ein Hof.

Für die Leihe ihrer Höfe hatten die Lehenempfänger jährliche Abgaben zu entrichten. Konrad Troll vom größten Hof des Klosters Weißenau in Taldorf hatte z.B. für seine 74 Jauchert Ackerfeld und 20 Mahd Wiesen 10 Scheffel Vesen (Dinkel), 6 Scheffel Hafer, 7 Hühner, 100 Eier und 10 Karren Mist dem Kloster an Naturalabgaben zu liefern und 1 Pfund Pfennig (1 Gulden, 10 Kreuzer) zu bezahlen. Bei einer mittleren Hofgröße wie bei Thomas Raul in Oberzell waren es von 23 Jauchert und 7 Mahd: 7 Scheffel Vesen, 2 Hühner, 60 Eier, 5 Karren Mist und 1 Pfund Pfennig. Jakob Mühlebach in Oberzell hat von 3 Jauchert und 2 Mahd immerhin noch 1 Scheffel Vesen, 2 Hühner, 20 Eier, 3 Karren Mist und 1 Pfund Pfennig Zins zu bezahlen.21 Das Kloster Weingarten verlangte für ein „Gütlein“ in Bavendorf 1513 jährlich 8 Scheffel Vesen, Hühner und Eier nach Angaben des Urbars und 19 Schilling Pfennig (0,95 Pfund Pfennig).22 Die Abgaben konnten von Grundherrschaft zu Grundherrschaft sehr verschieden sein und sie verringerten sich nicht unbedingt proportional zur Größe des Lehengutes, sondern belasteten die kleineren Lehen überproportional. Das „Gütlein“ in Bavendorf war deshalb mit fünf jährlichen Liefermengen seiner Getreideabgaben im Rückstand. Besonders hohe Abgabenlasten hatten die Salemer und damit die Adelsreuter Lehenbauern zu tragen. Im Durchschnitt hatten die Höfe in unserer Gegend in der Summe aller Abgaben etwa ein Drittel ihres Ertrags abzuliefern. Salem forderte allein an grundherrlicher Abgabe oft die zweite oder dritte Garbe.

Zusätzlich zu den jährlich anfallenden Abgaben wurde meist bei jedem Wechsel des Besitzers der sog. Erschatz in mehrfacher Höhe der Jahresabgaben verlangt. Darauf verzichteten offensichtlich bis Mitte des 16. Jahrhunderts die Klöster Weingarten und Weißenau und die Stadt Ravensburg.23

Das Kloster Weißenau verlieh seine Güter als Falllehen jeweils auf Lebenszeit eines Ehepaares, danach musste der Erbe um Neuverleihung bitten. Das Kloster Weingarten lieh seine Höfe auf „drei Lebtag“, also an ein Ehepaar und dessen jüngsten Sohn oder jüngste Tochter. Die Stadt Ravensburg verwandelte ab Ende des 15. Jahrhunderts viele Erblehen zu Falllehen auf Lebenszeit nur des Bauern.24 Zu den schlechtesten Bedingungen lieh die Abtei Salem ihre Güter aus, die als Handlehen immer nur auf Jahresfrist vergeben wurden. Schließlich erreichten die Inhaber 1473 die Zusage, dass die Güter bei guter Bewirtschaftung nicht entzogen wurden.25

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