Elmar L. Kuhn

Die Gesellschaft Oberschwaben 1945-49


Karl (Carlo) Schmid

Michels „dicht gedrängte Sprache, sein trockener, spröder und ‚amusischer’ Stil“ (*Reifenberg 1992, S. 196), seine eigenwillige Terminologie machten und machen es dem Leser nicht leicht. Anders als Michel, der sich mit seiner Bekenntnis- und Programmschrift an „den heutigen Menschen“ und „den Christen“ allgemein wendet, sprach Karl (Carlo) Schmid in seiner Festrede in pathetischer Rede die Menschen dieser Landschaft direkt an. Als gern gehörtes, aber kaum genau gelesenes „Lob Oberschwabens“ wird der Text immer wieder nachgedruckt (°Schmid 1946. °Kuhn 2002, S. 310-314. Vgl. *Kuhn 2002, Renovatio, S. 287f.). Die Unterländer empfänden Oberschwaben gegenüber ein „Südweh“, weil hier „ein Menschenbild zur Ausprägung gekommen zu sein scheint, in dem Züge der Humanität bewahrt werden konnten, die anderwärts geopfert werden mussten“ (°Schmid 1946, S. 22). Hier sei der Mensch noch weder der Natur, noch sich selbst entfremdet, hier habe der Mensch die „Natur geformt und nicht geknechtet“ (22). Hier sehe sich der Mensch nicht „als ein ausschließlich vom Willen her bestimmtes Wesen“ mit der Folge einer „Reduktion seiner selbst auf eine Sache“. Hier werde nicht der „Wertmaßstab aus der quantitativen Leistung genommen, sondern (das) Dasein danach bewertet, was es an Reichtum der Entfaltung menschlicher Existenz möglich macht“ (23). Anderseits hebe hier auch nicht der Geist in „schwindelhafte Höhen“ ab und scheide „sich hier nie hochmütig vom Stoffe“, Kunst und Dichtung bleiben „ausgezeichnet durch ihre Bezogenheiten auf das Maß des Menschen“ (25f.). Das „Fleischwerdenlassen des Wortes in allen Dingen“ zeichne auch die „wesensmäßige Katholizität dieses Landes“ aus. Das Christentum sei „hier nie zelotisch dogmatisierend und moralisierend ..., sondern ein freudiges Bejahen der Welt, die es aus der Hand des Schöpfers empfangen hat“ (27). Das Humane habe „auch die sozialen Bewegungen getragen, die hier lebendig geworden sind“, wie z.B. den Bauernkrieg (28). Die Gesellschaft Oberschwaben habe deshalb keine andere Aufgabe, als die Kräfte dieser Landschaft fruchtbar zu machen: „Christentum und Humanität und den Drang des Menschen, um seiner Würde willen in einer Welt zu leben, in der jedem an äußeren und inneren Gütern zuteil wird, wessen er bedarf, um sein Leben zum vollen Reichtum seiner Möglichkeiten entfalten zu können“ (29). Bündig fasst Karl Schmid zusammen: der „Genius“ Oberschwabens „ist der Engel der Humanität, nichts anderes“ (27). Die Ziele, die Rieck mit dem Bezug auf den „christlichen Humanismus“ Maritains und Michel mit seiner Situationsethik eher abstrakt skizziert hatten, schrieb Schmid den Oberschwaben als Eigenschaften bereits zu. Mit diesem allzu schmeichelhaften „Lob Oberschwabens“ bereitete Schmid die Argumentation für die folgenden Verfassungsberatungen vor, in denen er für seinen „anthropozentrischen“ Verfassungsentwurf warb.

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