Dass der im Juli noch gesamtwürttembergische „Landesdirektor“ Prof. Dr. Karl (später: Carlo) Schmid in Josef Rieck den geeigneten Mann sah, einen solchen „kulturellen Mittelpunkt“ aufzubauen, hatte mit der Rolle seiner Buchhandlung im Dritten Reich zu tun. Die Initiative für diesen „Auftrag“ ging auch wohl eher von Rieck aus, der sich in Tübingen die offizielle Rückendeckung holte. Josef Rieck, geboren 1911 in Stuttgart, hatte nach einer bewegten Biographie als Theologiestudent, Benediktinernovize, Lehrer in Brasilien, Parteimitglied der NSDAP ab 1935, Buchhändler in Stuttgart und Berlin 1938 seine eigene Buchhandlung in Aulendorf eröffnet (*Burger 2002. *Klöckler 2002, Rieck). Er und seine spätere Frau Erika, geboren 1909 in Leipzig, Kommunistin, die unter dem Einfluss Riecks zum Katholizismus konvertierte, hielten sich in Berlin für gefährdet. Sie wählten Oberschwaben wegen seines katholischen Milieus und Aulendorf wegen seiner günstigen Verkehrslage für eine Versandbuchhandlung als Geschäfts- und Wohnort. Rieck hatte den Ehrgeiz, „seinen Kunden die 30 besten Bücher der Welt anzubieten“ (Erwin Glonegger nach *Burger 2002, S.30) und warb für sie bei einem speziellen Kundenkreis von Pfarrern, Lehrern, Ärzten und Rechtsanwälten persönlich oder durch Briefe und Anzeigen. „die kommunistisch-katholische allianz spürte gerade die bücher auf, die futter waren, .... bücher...., die streng wissenschaftlich waren, aber so doppelbödig, dass der aktuelle klartext herüberkam. ... diese buchhandlung... spielte intelligenz gegen die partei aus“ (°aicher 1985, S. 152). „Auf diese Weise entstand in Aulendorf etwas, was es wohl sonst an keinem Orte des Dritten Reiches gegeben hat: eine Kartothek der Menschen, die auf dem Wege zu wesentlichen Erkenntnissen waren ... und die damit gleichsam zwangsläufig als ernsthafte Gegner des nationalsozialistischen Regimes gekennzeichnet waren.“ (°Messerschmid 1946, S. 7).
Im Gespräch mit den Laientheologen Ernst Michel-Frankfurt (*Groß 1996. *Reifenberg 1992. *Schütz 2002, Michel) und Joseph Bernhart-Türkheim (°Bernhart 1997. *Weitlauff/Kustermann 1995) sowie dem Tübinger Studentenpfarrer Bernhard Hanssler (*Hank 1997. *Schüler 2000, S. 50) entstanden bereits Pläne, Buchhandlung und Kundenkreis enger aneinander zu binden. Ernst Michel fasste diese Gedanken im September 1943 unter dem Titel „Geistige Grundlagen des Unternehmens Rieck“ zusammen. Ein engerer Kreis sollte mit der Buchhandlung „in dauernder Mitarbeit (stehen) und ist ihr Organ, der weitere Kreis wird periodisch und je nach den besonderen Aufgaben gegliedert und zu Aussprachen zusammen gerufen“. Diese „innere Gemeinschaftsstruktur und Lebensordnung des Arbeitskörpers“ sollte „das Unternehmen selbst vorbildlich als Zelle und Instanz in den neuen Volksaufbau hineinstellen“. „Geistige Grundhaltung“ war „eine weltoffene Katholizität“ (*Schütz 2002, Michel, S. 52f.).
Mit dem Kriegsende war „die Aufgabe der Sammlung der Kräfte des Widerstandes gefallen“, nun suchte Rieck Verbündete für „die größere Aufgabe der Sammlung und Zielweisung des Denkens, der Klärung unserer historischen Situation“ (°Messerschmid 1946, S. 8).