Elmar L. Kuhn

Schwierige Verbindung schwäb. Provinz - Ordensleitung


Integration durch Repräsentation

Die Visitatoren, die aus Ungarn anreisten, suchten regelmäßig bei ihrer Visitationsreise nicht nur die Konvente auf, sondern machten auch in den Höfen und Verwaltungssitzen der jeweiligen Landesherrschaften ihre Aufwartung. Diese Besuche hätten unter zwei Aspekten utilitaristisch die Integration der Provinz in den Orden stärken können. Zum einen konnten mit der höheren Autorität der Ordensleitung u. U. Konflikte zwischen den Klöstern der Provinz und ihren Landesherren leichter gelöst werden, zum andern konnten die Besuche der Generalprioren das Prestige der doch immer im Schatten der großen Reichsabteien stehenden Pauliner in Schwaben erhöhen.

Je nach Rang wurde den Visitatoren unterschiedliche Aufmerksamkeit zuteil. Am herzlichsten gestaltete sich der Empfang in St. Blasien, dessen Abt mit seinem Kloster zwar selbst der vorderösterreichischen Landesherrschaft unterstand, aber als Herr der gefürsteten Grafschaft Bonndorf Reichsfürst war. Als 1718 der Generalprior von Grünwald aus St. Blasien aufsuchte, empfing ihn der Fürstabt mit einigen Mönchen vor der Klosterpforte. Sie speisten familiariter zu Mittag und zu Abend von silbernem Geschirr, die Vesper gestalteten die Mönche mit Musik. Fürstabt, Prior und weitere Mönche führten den Generalprior durch Bibliothek, Apotheke und Klausur. Bei seinem Abschied am folgenden Tag überreichte der Fürstabt seinem Gast ein wertvolles Geschenk. Der Besuch war auch insofern erfolgreich, als St. Blasien seinen Widerstand gegen die Erweiterung des Paulinerklosters in Bonndorf aufgab und die Vergrößerung des Konvents von vier auf sechs Professen erlaubte. 1721, als ‚nur’ der Definitor der ungarischen Provinz den neugewählten Fürstabt als amicum ordinis aufsuchte, begnügte sich der Chronist damit, festzuhalten, er sei maximo cum honore empfangen worden. 1730 fiel der Besuch durch den Generalprior aus, da der Fürstabt nicht anwesend war. 1760 ehrte der Fürstabt den Generalprior dadurch, dass er ihm die sechsspännige Kutsche für die Rückkehr nach Bonndorf überließ, die nur einem Landesherrn zustand. Mit noch größeren Ehren wurde der Graf Esterhazy als Generalprior 1772 empfangen. Ihn empfingen schon weit vor dem Kloster der Hofkaplan und Hofrat des Klosters und ließen ihn in die Kutsche des Fürstabts umsteigen. Bei der Anfahrt zum Kloster schossen von den umliegenden Hängen Geschütze Salut, an der Pforte erwartete den Generalprior tota aula und im Festsaal dann der Prälat. Beim Essen wurde Tafelmusik geboten.89

Schwieriger gestalteten sich die Beziehungen des Ordens zu den Grafen von Montfort, da sie als Landesherren des Klosters Langnau das Recht beanspruchten, einen ihnen nicht genehmen neugewählten Prior des Klosters abzulehnen. Darüber wurde auch bei den Besuchen der Visitatoren 1718 und 1721 mit den Grafen gesprochen, doch kam es erst 1729 zu einem neuen Vertrag. 1718 wurde der Generalprior im gräflichen Schloss in Tettnang singulari amore, et affectu empfangen. Wenige Tage später reisten Graf und Gräfin zum Gegenbesuch in Langnau an, wo sie auch die Nacht verbrachten. 1721 würdigte der Visitator wiederum seine Aufnahme im Schloss cum animi iubilo, et maximo cum respectu, affectu, et amore prandio, et musica exequisita. 1730 ließ der Graf den Generalprior in der mit sechs Pferden bespannten Kutsche abholen, begrüßte ihn mit dem ganzen Hof unten an der Treppe des noch im Bau befindlichen Neuen Schlosses und lud ihn zur Tafel, wo sie opulento tractamento, et suavibus discursibus divertendo speisten. Spätere Berichte über Besuche im Tettnanger Schloss fehlen, wohl auch weil sich mit wachsender Schuldenlast der Grafen die Beziehungen zwischen Kloster und Landesherren verschlechterten, so dass sie 1766 auf dem Generalkapitel als hostes, inimici & persecutores dictae provinciae bezeichnet wurden.90

Spannungsreich waren auch meist die Beziehungen zu den Fürsten zu Fürstenberg als Landesherren der Klöster Grünwald und Tannheim. 1718 begnügte sich der Generalprior, auf Wunsch des Priors von Tannheim den Fürsten brieflich in die Confraternität des Ordens und dadurch in die Fürbittgebete der Ordensangehörigen aufzunehmen. 1760 lud das Fürstenpaar den Generalprior zur Tafel und ließ beim Empfang das Militär präsentieren. Weniger erfreut war man 1772 in Grünwald, als der Fürst mit großer Jagdgesellschaft und 36 Pferden den Generalprior Graf Esterhazy bei seiner Visitation dort besuchte und im Kloster übernachtete.

Am wenigsten belastet scheinen die Beziehungen des Klosters Rohrhalden zu seiner Landesherrschaft, der Verwaltung der schwäbisch-österreichischen Grafschaft Hohenberg in Rottenburg, gewesen zu sein. Schon während seiner Visitation in Rohrhalden hatten 1718 den Generalprior die Freiherren von Hohenberg, in Rottenburg residierende unebenbürtige Habsburger, sowie Mitglieder der verschiedenen in Rottenburg vertretenen Orden aufgesucht, der Stadtrat und der Dekan hatten ihm Wein- und Fischpräsente geschickt. Beim Besuch des Rohrhalder Hofes, eines Stadthofes des Klosters in Rottenburg, liefen die Bürger zusammen und nötigten den Generalprior zwei Stunden, sie zu segnen. Der Pfandherr und Landvogt der Grafschaft, Baron von Ulm, lud ihn in sein Haus ein und unterhielt ihn mit Musik bis Mitternacht. Auch 1730 suchte der Generalprior wieder den Baron von Ulm als Landvogt auf. 1760 empfing der Generalprior die geistlichen und weltlichen Würdenträger aus Rottenburg in Rohrhalden.

Stets konfliktgefährdet sind die Beziehungen der exemten, also direkt den Päpsten unterstehenden Orden zu den Bischöfen. So blieben auch die Generalprioren des exemten Paulinerordens bei ihren Besuchen auf Distanz zu den Bischöfen von Konstanz. 1718 segelte der Generalprior auf seiner Visitationsreise von Konstanz nach Langenargen an der Residenz des Konstanzer Fürstbischofs vorbei. Von Langnau aus entschuldigte er sich brieflich und empfahl die Klöster der Provinz dem Bischof, der nicht einmal antwortete. 1730 ließ der Generalprior das Schiff auf der Fahrt von Langenargen nach Konstanz wenigstens anlegen und erhielt eine viertelstündige Audienz beim Fürstbischof Schenk von Stauffenberg, eine Einladung auf den nächsten Tag schlug er aus. Dafür hielt er sich länger in Konstanz beim Weihbischof von Sirgenstein aus, den er als Studienkollege aus Rom kannte. 1760 scheute sich der Generalprior nicht, in Meersburg zu übernachten, obwohl er gerade dabei war, seine Klöster davon abzubringen, sich dem Bischof zu unterstellen. Kurz zuvor hatte ihm der Kardinal von Rodt in einem Mandat verbieten wollen, die Provinz zu visitieren und Kloster Langnau zu betreten. So riet man ihm ab, um eine Audienz zu ersuchen. 1772 hatte sich der bischöfliche Zorn soweit gelegt, dass dem Grafen Esterhazy bei seinem Besuch specialis exhibitus fuit honor.91

Es verwundert, dass die Generalvisitatoren auf ihren Reisen nach und in Schwaben kaum je andere Klöster aufsuchten. 1718 machte der Generalprior von Langnau aus einen kurzen Abstecher nach Neuravensburg, wo der Fürstabt von St. Gallen damals im Exil weilte, und zur Fürstäbtissin von Lindau. 1760 hielt der Chronist zwar fest, dass man auf der Anreise Ochsenhausen und Zwiefalten passierte, betrat es aber nicht. Erst Graf Esterhazy suchte 1772 auch die Reichsabteien Salem und Weissenau auf.

Aber nicht nur wegen der Kosten und der unerwünschten Kontrolle waren der Provinz die Besuche der Generalvisitatoren unangenehm.Der Provinzialprior klagte 1732: propter nimiam frequentiam reverendissimus pater venit in despectum; cum aliorum religiosorum generales raro, vel numquam suas provincias soleant personaliter, et toties visitare, sed per commissarios nationales.92 Die Schwaben fürchteten, sich durch die damals häufigeren Generalvisitationen lächerlich zu machen. Als die Provinz umgekehrt sich 1760 beschwerte, dass wegen des weit entfernten Sitzes des Generalpriors sich dieser zu wenig um den Schutz seiner schwäbischen Klöster kümmern könne, wies der Generalprior darauf hin, dass die Generäle der anderen Orden mit ihrem Sitz im Rom noch viel weiter entfernt seien. Sie seien auch nicht in tanta figura ut generalis noster, qui inter magnates Hungariae reputatur, et abbates, ac archiabbates in comitiis regnis praecedit.93 Solchen Stolz vermochte aber offenbar erst der Graf Esterhazy mit seinem standesgemäß aufwendigen und glanzvollen Auftritt in der Provinz zu entfachen, als infulierter Titularbischof auch von gleichem kirchlichen Rang wie die oberschwäbischen Reichsprälaten. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis des sehr viel bescheideneren Auftretens der früheren Generalprioren wurde negativ beurteilt, erst der sehr viel höhere Kostenaufwand für den Grafen zahlte sich in entsprechendem Prestigegewinn aus. comitivo sanguine natus […] splendorem ortus sui manifestum redidit.94

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