Funktion der Religion ist nach Luhmann, mittels der Unterscheidung Immanenz / Transzendenz und des Mediums Glaube, unbestimmbare in bestimmbare Komplexität zu transformieren und bis zur Verselbständigung der gesellschaftlichen Systeme ein Gesamtprogramm für die Weltinterpretation und Lebensführung zu generieren.12 Innerhalb von Funktionssystemen bilden sich handlungsfähige Organisationssysteme, die sich durch ‘Programme’, spezifische Strukturen (nach Luhmann ‘Kommunikationswege’) und Mitgliedschaftsregeln von ihrer Umwelt abgrenzen. Die katholische Kirche mit ihren Teil- und Subsystemen ist eines der Organisationssysteme innerhalb des Funktionssystems Religion.
Ein Orden kann als Teil-Organisationssystem innerhalb des Funktionssystems Religion und seines Organisationssystems Kirche verstanden werden. Die Umwelt des Ordens bilden andere Funktionsysteme wie vor allem Politik und Ökonomie sowie die anderen Teilsysteme der Kirche, mit denen der Orden durch ‘strukturelle Kopplungen’ kommuniziert. Als kirchliche Teilsysteme kommen die römische Kurie, der Kardinalprotektor13, die Nuntien und die Bischöfe, im System Politik das Reich und die verschiedenen Landesherren in Betracht, ökonomisch hängt der Orden von den Erträgen und damit von Wetter, Kriegen, Wirtschaftsweise und Spenden ab.
Erstes Ziel eines Systems ist der Systemerhalt. Das System reproduziert sich über seine Elemente oder Subysteme. Die Integration des Gesamtsystems kann normativ, utilitaristisch durch materielle Belohnung und/oder koerziv durch Gewalt erreicht werden. Ein Orden ist eine vor allem normativ integrierte hierarchisch aufgebaute Organisation, die aber auch utilitaristische und koerzive Mittel einsetzen kann.14 Ordensprovinzen und einzelne Konvente können jeweils als Subsysteme aufgefasst werden, die wiederum mit ihren Steuerungszentren, der Ordensleitung und den Provinzleitungen, kommunizieren. Aufgabe der Ordensleitung ist es, im Interesse des Systemerhalts für eine optimale Integration der Ordensprovinzen in den Gesamtorden zu sorgen, entsprechend kontrollieren die Provinzleitungen ihre Konvente. Eigentlich sichert das Gelübde des Gehorsams, das jeder Novize bei der Aufnahme in den Orden abzulegen hat, eine effektive hierarchische Steuerung des Ordens durch dessen Leitung.15
Die Provinzen waren wiederum in die Ordensleitung eingebunden, da sie zum Generalkapitel ihre Delegierten entsenden konnten, das die Ordensleitung wählte (Generalprior, Generalvikar, Generaldefinitoren, Generalsekretär, Generalprokurator). Der vom Provinzkapitel gewählte Provinzialprior musste seinerseits vom Generalprior in seinem Amt bestätigt werden. Der Generalprior hatte die Pflicht, die Klöster der Provinz regelmäßig zu visitieren und damit die Einhaltung der Ordenskonstitutionen und –statuten zu kontrollieren sowie dem Provinzkapitel zu präsidieren.
Eine Gefahr für einen Orden ist, dass die Leitung die unterschiedlichen Umwelten des Verbreitungsgebietes zu wenig berücksichtigt, und die Ordensprovinzen sich mehr an ihren regionalen Umwelten orientieren, als an Systemzielen und Programmen des Gesamtordens.
Ich untersuche im folgenden die Binnenkommunikation im Orden zwischen Leitung und schwäbischer Provinz und die sporadische externe Kommunikation im offenen Konfliktfall. Da sich in den deutschen Archiven fast nur Quellen zur Klosterwirtschaft erhalten haben, stütze ich mich vor allem auf eine Auswertung der Acta generalia der Ordensleitung zwischen 1640 und 1770 mit ihren Protokollen der General- und Provinzkapitel, der Generalvisitationen und Kopien der Korrespondenz.16 Während die Generalkapitel in den Acta generalia wie zu erwarten bestens dokumentiert sind, enthalten sie ausführlichere Berichte über die Generalvisitationen und Provinzkapitel der schwäbischen Provinz nur für die Jahre 1718, 1721, 1730, 1732, 1736, 1760 und 1763, in denen externe Visitatoren die Provinz aufsuchten.