Wohl ab 1757 betrieb Dr. Gregor Luzan, Provinzialprior seit 1757 negotium separationis […], a quo pro futuris temporibus dependet stabilis provinicae felicitas, vel infelicitas, omniumque membrorum perpetua vel consolatio, vel desolatio.112 Er grollte der Ordensleitung seit 1754, als er nicht in das Generaldefinitorium gewählt worden war, und erst recht seit 1757, weil der Generalprior nicht ihn, sondern den Vizeprovinzial, non adeo bonae famae hominem zum Kommissar und Generalvisitator bestellt hatte.113 Anfang 1759 erfuhr die Ordensleitung von einem libellus supplex provincialis Sueviae, den offensichtlich der Provinzialprior im August 1758 an den Papst gerichtet hatte, von ihm an die zuständige Kongregation weitergereicht und von dort dem Generalprokurator des Ordens zur Stellungnahme zugeleitet wurde. Darin klagte der Provinzialprior, die Klöster der Provinz könnten nicht mehr weiter bestehen wegen der hohen Kosten, die sie für die Reisen zu den Generalkapiteln in Ungarn und für die Reisen der Visitatoren aus Ungarn aufzubringen hätten, der „totale Ruin“ drohe. Deshalb bat er, wie schon die Provinz 1732, nach dem Beispiel der portugiesischen Pauliner der Jurisdiktion des Generalpriors entzogen zu werden, und nun, anders als 1732, dem Bischof von Konstanz unterstellt zu werden. Die Disziplin in den schwäbischen Konventen magis, ac magis deficit, wogegen der Generalprior wegen der weiten Entfernung nicht vorgehen könne, was aber ordinarius in facie loci commode posset cum sua prudentia, et facilitate impedire, et remedium ferre.114
In einer umfangreichen Stellungnahme suchte der Generalprior diese Behauptungen zu widerlegen. Die schwäbischen Klöster seien keineswegs so arm, wie sie immer behaupteten und verfügten über ausreichende Einkünfte, wie seine Vorgänger bei ihren Visitationen hätten feststellen können. Die Kriegsschäden des 30jährigen Krieges seien längst behoben. Genau rechnet der Generalvikar vor, wie oft die schwäbische Provinz bei den Generalkapiteln durch Abwesenheit geglänzt hatte und wie oft den schwäbischen Patres zugestanden worden war, sich selbst zu visitieren. Von der behaupteten disciplinae regularis collapsio sei in den jährlichen Berichten der Provinz nie die Rede gewesen, passim notificaverint vigorem observantiae, nec aliquorum scandalorum, aut graviorem excesuum mentionem fecerunt; imo modernus pater provincialis Gregorius Luzan in sua epistola expressit provinciam proficere in spiritualibus, et temporalibus.115 Allerdings sei das Indult des Nuntius von 1732 der Observanz der Provinz nicht förderlich gewesen. Die beabsichtigte Trennung sei ein Bruch des Gehorsamsgelübdes bei der Profess und verstoße gegen die Exemtionsrechte des Ordens. Das Beispiel der portugiesischen Patres könne kaum herangezogen werden, sie seien trotz der großen Entfernung bis 1520 immer zu den Generalkapiteln erschienen, danach aber wegen der Türkenkriege ferngeblieben.
Zunächst brachte nur der Exprovinzial und Prior von Tannheim Einwände gegen die Trennungsabsichten seines Nachfolgers im Amt des Provinzialpriors. Ein solch gravierender Entscheid könne nicht nur im Provinzdefinitorium getroffen werden, dazu müssten alle Mönche der Provinz befragt werden. Außerdem bestehe die Gefahr, dass man bei einer Unterstellung unter den Bischof vom Regen in die Traufe komme. Das Beispiel des Konvents Reichenau schrecke, den der Bischof 1757 wegen Widerspenstigkeit kurzerhand vertrieben habe.116 Daraufhin präzisierte Luzan seine motiva. Es ginge gar nicht so sehr um die Kosten, sondern principaliter in defectu omnis omnino assistentiae, quod simul sicut oves delerelictae, sine defensore, curatore, aut protectore, non habentes hominem, qui nos contra insultus exterorum satis potenter […] vellet defendere.117 Die Exemtion sei nicht von Vorteil, sondern von Nachteil. Die Ausgaben für die Ordensleitung seien einfach nutzlos, da die Zugehörigkeit zum Orden keinen Vorteil bringe. Stattdessen werde die Provinz dauernd wegen des apostolischen Indults und ihrer Gebräuche belästigt. Mit dem Schutzbedürfnis bezog sich Luzan auf die Grafen von Montfort, die in ihrer Finanznot als Landesherren das Kloster Langnau zu Zwangsanleihen nötigten. Ob sich die Bischöfe von Konstanz als sog. Konservatoren des gräflichen Hauses als protectores der schwäbischen Pauliner eigneten, wurde denn auch bald bezweifelt.
Von 16. bis 18. Oktober 1759 tagte im Kloster Grünwald das capitulum intermedium provinciae. Es brachte nun seinerseits eine Replik auf die Stellungnahme des Generalpriors zu Papier. Bei der Berechnung der Einkünfte müßten die Abhängigkeit von wechselndem Ernteertrag und vom Wetter bedacht werden, sowie die hohen Ausgaben für die Gebäudeerhaltung. Ein auswärtiger Visitator habe nie ausreichende Kenntnisse der Verhältnisse der Provinz. Ratio naturalis dictat, nempe observantiam disciplinae regularis eo certiorem, eoque firmiorem esse, etstrctiorem, quam proximior sit superior. Deshalb declarent petitam separationem esse utilem, licisam, ac necessariam.118 Unter sich verständigte sich das Kapitel nochmals über die Gründe der Trennung:
Ut potentiorem provinciae habeat patronum.
Die Schädigung durch die ungeheuren Kosten für den Orden in Höhe von 18 000 fl. seit 1718. (Umgerechnet ergibt das 450 fl. pro Jahr, etwa 3-4 % der Jahreseinnahmen der Provinz!).
Die Provinz hätte keinerlei Vorteile vom Orden, sie werde von Ämtern der Ordensleitung ausgeschlossen und erhalte trotz aller Bitten eine Stipendien für ihre Studenten. Statt dessen müsse sie sich dauernd Vorwürfe wegen ihrer Gebräuchen anhören.
Das Beispiel des Trennungsversuchs von 1732.119
Anschließend wurden die Kapitularen befragt, ob der Bischof die Rechte der Provinz effektiver schützen würde, was einhellig bejaht wurde, und wie hoch die Kosten für den Bischof im Vergleich zu denen für die Ordensleitung sich belaufen würden. Man rechnete mit geringeren Kosten, wenn keine externen Visitationen mehr durchgeführt würden. Zur Unterwerfung unter den Bischof war man nur unter einer Reihe von Bedingungen bereit, die vor allem die Rechte der Provinzialleitung stärkten. Der Bischof müsse die Ordenskonstitutionen, den Indult des Nuntius und alle bisherigen Gebräuche der Provinz anerkennen. Eine Visitation dürfe der Bischof nur auf Anforderung der Provinzleitung durchführen lassen. Ein Delinquent dürfe nur von der Provinz, nicht vom geistlichen Gericht des Bistums bestraft werden.
Die um das Zugeständnis, dass der Bischof wenigstens alle neun Jahre die Provinz durch einen Domherrn visitieren lassen dürfe, nachgebesserte Supplik wurde dem Vizegeneralvikar am 28. November übergeben. Am 8. Januar leitete der Konstanzer Bischof, Kardinal von Rodt, die Supplik mit einem Empfehlungsschreiben an die Kongregation für Bischöfe und Ordensleute weiter.
Aber mittlerweile war es in der Provinz zum Eklat gekommen. Der Generalprior hatte dem Vizeprovinzial und Prior von Rohrhalden eine Kopie des Libells von 1758 zugeleitet. Erbost darüber, tamquam religiosi irreligiosi, scandalosi, et indisciplinati coram summam sedem describantur, protestierten am 22. Dezember die Prioren von Rohrhalden, Bonndorf und Grünwald sowie ein Provinzdefinitor gegen diese calumnias und warfen dem Provinzialprior vor, sie ebenso wie den Papst mit falschen Argumenten getäuscht zu haben. Sie schrieben nach Rom, sie wollten ihrem Gelübde treu und weiterhin mit dem Orden vereint bleiben. Allerdings bestanden sie darauf, von den externen Generalvisitationen und vom zu häufigen Erscheinen zu den Generalkapiteln befreit zu werden, auch sollten endlich der Indult von 1732 und die „löblichen und seit langer Zeit üblichen Gebräuche“ der Provinz anerkannt werden. Luzan bestritt zwar heftig, dass er der Verfasser des Libells von 1758 sei, aber der Verdacht blieb, schließlich war er der Promotor der Trennung.
Der Schriftwechsel zwischen der Ordensleitung, der Provinzleitung und dem Bischof einerseits und Rom andererseits schwoll an, beide Seiten hatten ihre Aussagen mit ausführlichen Aktenauszügen zu belegen. Der Kardinal und Luzan vertrauten auf ihre guten Beziehungen nach Rom. Rodt hatte 1758 als Vertreter der kaiserlichen Interessen die Papstwahl von Klemens XIII. unterstützt.120 Luzan verfügte vielleicht noch aus der Zeit seines Generalprokurats 1751-54 über Kontakte. Beim Generalkapitel im Mai 1760 legte der ablegatus ein römisches Dekret vor, wonach der Provinzialprior vom persönlichen Erscheinen zum Kapitel befreit und dem Generalkapitel untersagt wurde, irgendwelche Beschlüsse gegen die schwäbische Provinz zu fassen. Außerdem werde die Provinz bis zu einem Entscheid über ihren Trennungsantrag keine Taxen mehr an die Ordensleitung abführen. Am 11. Juni gratulierte Luzan dem neu gewählten Generalprior, dem Österreicher Georg Löderer, zu seinem neuen Amt, begrüßte ihn velut angelum pacis pro salute provinciae Rhenanae peculiariter missum, gelobte ihm reverentiam, et oboedientiam und bat als ersten Gunsterweis, das Provinzkapitel bis zum Entscheid aus Rom zu verschieben.121
Aber am 7. Juli 1760 kündigte überraschend der neue Generalprior Luzan an, er werde in Kürze persönlich die Provinz visitieren. Luzan glaubte, vorgesorgt zu haben, da er am 4. Juli von einem Kurienkardinal ein Inhibitorium ausgestellt erhalten hatte, das dem Generalprior Veränderungen der Provinz- und Konventsoberen und Versetzungen der Mönche vor einem Generalkapitel verbot. Am 15. und wiederum am 26. Juli schrieb Luzan an den Generalprior und suchte ihn von der Visitation unter Hinweis auf das römische Dekret abzubringen. Löderer ließ sich nicht beirren, brach am 27. Juli von seiner Residenz in Maria Tal auf, traf am 16. August in Rohrhalden ein und begann dort mit der Visitation, wo ihm alle Patres versicherten, sie wollten weiterhin dem Generalprior gehorsam sein. In Tannheim erschien am 25. August der Dekan von Donaueschingen und präsentierte dem Generalprior das Inhibitorium des Kurienkardinals und den Befehl des Bischofs von Konstanz, das Mandat einzuhalten, und dem Verbot das Kloster Langnau auch nur zu betreten, womit er seine Befugnisse gegenüber einem exemten Orden überschritt. Löderer setzte seine Visitation in Grünwald fort. Dort traf ihn allerdings ein herber Rückschlag, denn am 1. Sept. erklärte der Konvent Rohrhalden, sie seien nun vom Generalprior getäuscht worden und erneuerten ihren Wunsch nach Trennung vom Orden. In Bonndorf versicherte dagegen der Konvent dem Generalprior, das Inhibitorium nicht anzuerkennen, da es nicht formgerecht und nur von einem Kardinal, nicht aber von der zuständigen Kongregation ausgestellt sei. Zur Beruhigung der Provinz sei die Visitation notwendig. Als der Generalprior am 10. August in Langnau eintraf, waren Luzan und der Langnauer Prior zur bischöflichen Kurie in Konstanz geflohen und hatten das Siegel und Gelder der Provinz mitgenommen. Sie kehrten trotz mehrfacher Aufforderung nicht nach Langnau zurück, sondern befahlen ihrerseits allen Langnauer Konventualen, gegen die Visitation zu protestieren, die sich aber bereitwillig der Visitation unterwarfen, die am 14. August begann, und am 17. August endete, worauf am Abend dieses Tages die Kapitularen zum Provinzkapitel eintrafen.
Gleich am ersten Tag des Kapitels erschien der Kanzleidirektor der bischöflichen Kurie und trug dem Kapitel unter Hinweis auf das römische Inhibitorium ein Mandat des Konstanzer Generalvikars vor, wonach er die Abhaltung des Kapitels unter Androhung des Interdikts verbot. Er befragte alle Kapitularen, ob von ihnen dieses Mandat erbeten worden sei, was alle verneinten. Schon irritiert erkundete er im persönlichen Gespräch mit jedem Kapitularen seine Meinung über die Trennung und kam zu dem Schluss, sowohl Rom wie der Bischof seien von Luzan falsch informiert worden. Nach seinem Abgang konnte das Kapitel zunächst mit dem üblichen Procedere und mit den Wahlen fortgesetzt werden. Danach wurden die Rohrhalder Vertreter befragt, warum sie bei der Visitation sich zunächst für das Verbleiben beim Orden erklärt und danach wieder für die Trennung plädiert hatten: Se per furiam patris provincialis, ac metum ad id inductos fuisse. Detailliert wurden nochmals alle Vorgänge durchgesprochen, der Generalprior hob den Rang des Ordens in Ungarn hervor, schließlich bekundeten alle ihren Willen, in unione cum sacra ordine perpetuo vivere.122 Brieflich bat das Kapitel den Bischof um Rückgabe der von ihrem Exprovinzial entwendeten Wertsachen und den Generalprokurator in Rom, der Kurienkongregation mitzuteilen, sie seien getäuscht worden und nun gegen die Trennung. Mittlerweile hatte sich aber Luzan unter bischöflichen Schutz von Konstanz aus an den päpstlichen Nuntius in Luzern gewandt, ihm von den commissis fraudibus et dolis des Generalpriors berichtet und ihn aufgefordert, hanc scandalosam turbationem, et invasionem afflictae provinicae Rhenanae zu beenden und alle Beschlüsse des Generalpriors und des Provinzkapitels aufzuheben,123 wogegen das Provinzkapitel wiederum protestierte. Da von der Nuntiatur keine Antwort kam, schloss der Generalprior das Provinzkapitel am 22. September in summa pace et animorum concordia.124
Aber der Konflikt war noch nicht ausgestanden. Am 9. Oktober annullierte der bereits für das Inhibitorium verantwortliche Kurienkardinal alle Anordnungen des Generalpriors und des Provinzkapitels. Luzan schob weitere ungeheuerliche Anschuldigungen nach, der Generalprior habe alle Gegner der Trennung vom Orden in andere Provinzen versetzt oder zur Flucht gezwungen, mit Hilfe des Grafen von Montfort seien Wertsachen des Klosters Langnau entwendet worden, was der Generalprior wiederum wortreich widerlegen mußte. In einem Schreiben an den Kurienkardinal beteuerte die Provinzleitung, quod sicut in pluribus saeculis, ita et imposterum sacro ordini velimus esse, et manere uniti, ac sub illius, scilicet patris generalis vivere obedientia, cui in prima professione, et professionis annua renovatione obedientiam solemniter coram Deo apromissimus.125 Der Bischof warf dagegen in einem Schreiben den Paulinern der schwäbischen Provinz vor, sie hätten sich vix umquam audita infidelitate turpiter ihren rechtmäßigen Vorgesetzten entzogen,126 und deshalb hätte er diese, den Provinzialprior Luzan und den Langnauer Prior Eiselin, unter seinen Schutz nehmen müssen. Endlich sprach Rom sein Machtwort, am 8. November entschied die Kongregation der Bischöfe und Ordensleute über den Antrag auf Trennung negative, et amplius causam huiusmodi non proponi mandavit.127 Der Bischof rächte sich für seine Niederlage, indem er unter Hinweis auf die angebliche gute Einkommenslage der Provinz ihr überhöhte decimae caesareae auferlegte128 und die beiden Initiatoren der Trennung, Luzan und Eiselin, weiterhin zu schützen versuchte. Eiselin wurde Weltpriester und übernahm 1761 eine Kaplanei in Gamerschwang bei Ehingen an der Donau. Er kehrte auch trotz einer Aufforderung der Kurienkongration nicht in den Orden zurück. Luzan befolgte zwar das Dekret, stiftete aber wieder Unruhe und floh schließlich wieder 1763. Erleichtert meldete der Provinzialprior nach dem Provinzkapitel 1763, der erhoffte Frieden in der Provinz sei endlich wieder eingekehrt. 1766 tauchte Luzan mit einem Empfehlungsschreiben des Kardinals Rodt in Rom auf, wo er mit Zustimmung seines Ordens als Weltkleriker die Stelle eines Kaplans auf dem Campo Santo Teutonico erhielt.
Als 1781 dem Provinzoberen wieder vorgeworfen wurde, er betreibe die Trennung der Provinz von der Ordensleitung, sollte ihn dies wohl in internen Konflikten der Provinz diffamieren. Beim folgenden Provinzkapitel spielte das Thema jedenfalls keine Rolle.