Elmar L. Kuhn

Schwierige Verbindung schwäb. Provinz - Ordensleitung


Integration durch Partizipation

Partizipation begünstigt Integration, in diesem Fall die Teilhabe an den Entscheidungen der Ordensleitungen die Akzeptanz der getroffenen Entscheidungen. Alle Provinzen mussten zu den alle drei Jahre nach Maria Tal (heute Marianka, Slowakei) einberufenen Generalkapiteln den Provinzialprior, seinen Sekretär und zwei discreti als Vertreter der einfachen Professen entsenden. Aufgabe der Generalkapitel war es, die Ordensleitung zu wählen, ihre Amtsführung zu überprüfen, allgemeine Regelungen zu beschließen, sich ein Bild vom Zustand des Ordens in seinen Verbreitungsgebieten zu verschaffen und ggf. Missstände zu korrigieren, in der Sprache der Systemtheorie: Wahl des Führungspersonals, Programmierung, Selbstbeobachtung, hierarchische Kontrolle.55

Nach einer Aufstellung der Ordensleitung anlässlich der Trennungsversuche von 1760 entsandte die Provinz von den alle sechs Jahre stattfindenden 20 Wahlkapiteln zwischen 1640 und 1757 zu zwei Kapiteln drei Patres, zu acht zwei, zu fünf einen, bei dreien beauftragte sie einen „ablegatus“ aus Ungarn und bei zweien glänzte sie durch Abwesenheit. Bei den neunzehn Zwischenkapiteln sieht die Bilanz noch schlechter aus. Zu dreien reisten zwei Patres, bei fünf vertraten sie wieder ablegati aus Ungarn und zu elf schickte die Provinz gar keine Vertreter.56 Bei den fünf Generalkapiteln nach dem Konflikt von 1760, von denen Protokolle vorliegen, sieht es nicht besser aus: Nur zu den zwei Zwischenkapiteln von 1766 und 1775 kamen discreti der schwäbischen Provinz, 1775 auch der Provinzialprior, zu den wichtigeren drei Wahlkapiteln begnügte sich die Provinz wieder mit der Vertretung durch ablegati. So nahmen schwäbische Patres nur an zwanzig der insges. 44 belegten Generalkapitel teil, bei den übrigen 24 beauftragten sie ablegati anderer Provinzen, meist den Prior von Maria Tal, oder waren gar nicht vertreten. 1721 mahnte der Generalprior das Provinzkapitel, es solle einen Provinzialprior wählen, der bereit und fähig ist, mit einem Begleiter zum Generalkapitel zu erscheinen, was in diesem Jahr auch befolgt wurde, aber schon 1724 nicht mehr. 1739 beschloss das Provinzkapitel, in Zukunft zu den Generalkapiteln wie die anderen Provinzen den Provinzialprior mit seinem Sekretär und zwei discreti zu entsenden, soweit es die Mittel erlaubten, um endlich die volle mögliche Stimmenzahl einzubringen. Aber bei der schönen Absicht blieb es. Ärgerlich stellte der Generalprior 1760 fest, dass die patres Suevici bei den Generalkapiteln häufiger fehlten als anwesend seien, non sine gravi murmure […] aliarum provinciarum.57

Als Gründe für ihr Fernbleiben führten die Schwaben die hohen Kosten für die Reise, Kriegsläufe, Pest und Altersbeschwerden an, nicht selten wollten sie sich wohl erwarteter Kritik nicht stellen oder Beschlüsse nicht mittragen.58 Bisweilen wies ihnen der Generalprior nach, dass die angeblichen Kriegs- und Pestgefahren nicht zutrafen. 1760 beschwerte sich die Provinz, ihre Vertreter seien von 1721 bis 1754 sechs Mal nur gezwungenermaßen und aufgrund ihrer Gehorsamspflicht gegenüber dem Generalprior zum Generalkapitel gereist, obwohl sie eigentlich vom päpstlichen Nuntius in Luzern 1732 vom Erscheinen dispensiert worden seien, was so nicht zutraf.59 Eine Reise zum Generalkapitel kostete die Provinz etwa 3-400 fl.60 Auch wenn 1754 dem Provinzialprior bei der Berechnung der Kosten für die Teilnahme am Generalkapitel die Tränen kamen, führten sie nicht zum Ruin der Provinz, wie öfters argumentiert wurde.61 Ungleich mehr engagierte sich die österreichische Provinz, sie war fast auf allen Generalkapiteln mit der vollen Besetzung von vier Kapitularen vertreten.

Angesichts der geringen Teilnahme an den Generalkapiteln verwundert es kaum, dass nur wenige schwäbische Pauliner in Leitungsämter des Ordens aufstiegen. Nach Nicolaus Teutonicus (1331-1336 und 1341-1345) und Rudolf Bihel (1628-1629) wurde kein Schwabe mehr zum Generalprior gewählt. 1733-1737 wurde Ladislaus Himmer während seines Studiums als socius des Generalprokurators in Rom eingesetzt. 1745 schlug die Provinz ihren Professen Dr. Gregor Luzan als Kandidaten für das Amt des Generalprokurators vor, ohne Erfolg, da ihr Antrag nur von einem ablegatus vertreten wurde. Mehr Erfolg hatte die Provinz 1751, als Luzan persönlich als discretus der Provinz zusammen mit dem Provinzialprior und dessen Sekretär gegen den Widerstand des Provinzdefinitoriums am Generalkapitel teilnahm. Daß unser Provinz mit solchen geistreichen, und gelehrten Männern dieser Generalversammlung beygewohnt, hat uns bey anderen Provincien nit ein geringe Affection undt Hochachtung zur wegen gebracht.62 Luzan wurde gewählt und wirkte 1751-1754 als Generalprokurator in Rom. Nach seiner Rückkehr 1754 nahm er sehr übel, dass er nicht wie üblich ins Generaldefinitorium gewählt wurde. Aber man hatte aus 1745 und 1751 nichts gelernt, beim Generalkapitel von 1754 waren die Schwaben wiederum nur durch einen ablegatus und Luzan selbst vertreten, der Provinzialprior hatte sich wieder mit den sumptibus […] pauperis provinciae gravibus entschuldigt.63

Von den vier Generaldefinitoren stellte je einen die ungarische, die polnische, die kroatische und die deutsche „Nation“. 1733 bat die schwäbische Provinz, den deutschen Definitorensitz jeweils abwechselnd von der österreichischen und schwäbischen Provinz besetzen zu lassen. Das lehnte das Generaldefinitorium als Einschränkung des freien Stimmrechts ab.64 Mit der Ausnahme des kurzen Generalprokurats konnte im hier behandelten Zeitraum kein Schwabe im Generaldefinitorium als Führungsorgan bei der Ordensleitung mitwirken und damit einen kontinuierlichen Kommunikationsfluss zwischen Zentrale und Provinz ermöglichen. Dagegen war die österreichische Provinz immer durch einen Generaldefinitor in der Ordensleitung vertreten, zweimal wurden Professen dieser Provinz zu Generalprokuratoren gewählt, je einmal gar zum Generalprior und zum Generalvikar.

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