Elmar L. Kuhn

Kultur als Heimat


Kultur der Beheimatung

Ich versuche nun, meine Überlegungen an einigen regionalen Beispielen zu konkretisieren. Regionale Kultur soll dabei nicht gegen überregionale ausgespielt werden, hiesige ist immer konkrete, spezifische Erscheinungsform zunächst des christlichen, später des konfessionell-katholischen Europas und schließlich des deutschen Kulturraumes. Ich stelle zunächst in aller Kürze die Resümees dreier Darstellungen der Regionalgeschichte vor und komme anschließend auf Rolle und Bedeutung der Künste in der Region zu sprechen.

Arno Borst

Der Konstanzer Mediävist Arno Borst hat in mehreren Untersuchungen der mittelalterlichen Geschichte des Bodenseeraumes, vor allem zum Mönchtum, versucht, aus deren Ergebnissen Folgerungen für uns heute zu ziehen. Er stellt fest, dass der Bodenseeraum „ständig schwankende Grenzen“ aufwies und „nie von innen zusammenwuchs, [sondern] stets von außen zusammengefasst“ wurde (77). Die Menschen hier liebten „die Annäherungen und Übergänge“, sie hätten „mitten im hitzigsten Erdteil eine gemäßigte Zone“ geschaffen, „mitten im Wirbel von Natur und Geschichte etwas menschliche Gelassenheit“ (79). Sie hielten „die Spannung zwischen Sehnsucht nach dem weiten Himmel und der Liebe zu dem Fleckchen Erde gemeinsam durch, weil sie wussten, dass wir beides zugleich sind, ansässig und unbehaust, und alle eines brauchen, Beständigkeit unterwegs“ (240f.). Die Gelassenheit, die er hier findet, sei nicht „provinzielle Verschlafenheit“, sondern vielleicht allzu wohlwollend „Konzentration auf das Bleibende“ (408).35 Mit seinem Bemühen um eine literarische Form löst Arno Borst nicht nur die Ansprüche des Wahren und Guten, sondern auch des Schönen ein.

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