Als letztes Exempel wähle ich die Architektur. Ausgenommen die Kirchen und die barocken Repräsentationsbauten des Hochadels und der Prälatenklöster ist die Architektur unserer Landschaft bis ins 20. Jahrhundert durch eine kaum mehr unterbietbare Einfachheit gekennzeichnet, es sind in der Regel einfache Kuben mit 45 Grad-Satteldächern und mit wenig oder gar keinem Fassadenschmuck. Nur im Linzgau treffen wir verbreitet Fachwerkbauten an. Der Normalfall in unseren Dörfern ist nicht das Gehöft, sondern das Einhaus mit Wohn- und Ökonomieteil unter einem Dach. Auch die Bauten der Verwaltung, einfache Herrschaftssitze und die Pfarrhäuser weichen davon nicht ab, sie unterscheiden sich nur durch die meist durchgängige Steinbauweise und vielfach durch Walmdächer. Vielfalt entsteht nur durch die handwerkliche Ausführung, die regellose Anordnung der Häuser und die unterschiedlichen Größendimensionen je nach Besitzgröße. Auch die Bürgerhäuser in den Städten halten sich mit Zierformen sehr zurück. Erst um 1900 machen sich reichere Fassadengestaltungen des Historismus bemerkbar.
Diese Architektur eines nüchternen Reduktionismus ist seit den 1960er Jahren völlig aufgegeben worden. Architekten und Bauherren wählen wie aus dem Baukasten Elemente mediterraner, alpiner oder klassizistischer Architektur. Anders als in anderen Regionen hat man hier nicht erkannt, dass es auch hier eine regionale Bautradition gibt, die gerade in ihrer Einfachheit und in den Dörfern mit der Nutzung des Baustoffs Holz heutigen ökologischen Kriterien optimal entspricht. Stattdessen gehen individuelle Beliebigkeit und ortsplanerischer Schematismus eine unheilige Allianz ein. Eine Planung, die die Ästhetik des gesamten Ortsbildes bedenkt und die regionale Bautradition berücksichtigt, würde unsere Orte heimischer gestalten und die ästhetische Heimatvertreibung beenden.