Die Friedrichshafener Schriftstellerin Maria Beig schreibt in einem Buch über Oberschwaben: „Heimat kann auch wehtun.“7 Ihre Erzählungen aus dem Schussental schildern eindrücklich, wie Kindheit durchaus nicht immer als Glücks-Erfahrungen erinnert werden. Wer solche Erfahrungen fehlender Wärme und gefährdeter Identitätsbildung macht, dem bleibt nach Kafka der „Heimatort … etwas sehr Unheimliches, ein Ort der … Wehmut, der Kleinlichkeit, der Scham …, des Misstrauens“.8
Nur noch eine Minderheit verbringt heute sein Leben am Ort der Kindheit. Gewalt wie bei Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, Mobilitäts-Zwänge und –Wünsche führen zu Ortsveränderungen.
Heimat als Kindheitsland kann sich auch so verändern, dass es entwertet wird. Das ist meine eigene Erfahrung. Mein Heimatort Kressbronn hat sich in meiner Wahrnehmung so zum Schlechteren verändert, ist so hässlich geworden, dass ich es möglichst meide. Die Zerstörung des alten Ortskerns direkt neben dem Haus meines Großvaters, die Hochhäuser und die Plantagen um das Dorf, haben mir meine Heimat genommen. Gleicher Meinung ist der Schriftsteller Arnold Stadler: „Heimat ist etwas, was war. Es ist dort wie überall. Es ist eine verwechselbare Heimat.“9
Und wenn er meinte, Heimat hätte nur noch in der Zusammensetzung „Heimatfriedhof“ einen Sinn, so musste er mittlerweile feststellen, dass selbst der in seinem Heimatort Rast bei Meßkirch abgeräumt wurde.
Der Philosoph Martin Heidegger aus Meßkirch verallgemeinert diese Erfahrung, in dem er uns alle als Heimatvertriebene bezeichnet, dadurch dass die Massenmedien längst unsere Erfahrungen präformieren, wir vertrieben sind durch Lärm, Hässlichkeit, Verlust von Nachbarschaft.10