Elmar L. Kuhn

Die Landvogtei Schwaben


Vom Instrument der Königsmacht zum Handelsobjekt

Als König Rudolf von Habsburg 1273 zum König gewählt wurde, hatten ihn die Kurfürsten zum Wiedererwerb und der Reorganisation des verloren gegangen Reichsguts verpflichtet. Rudolf richtete in Schwaben 1274 drei Reichslandvogteien in Oberschwaben, Niederschwaben und um Augsburg ein, womit zum ersten Mal die beiden Begriffe Landvogtei und Oberschwaben in den Quellen auftauchen und eine neue politische Realität bezeichnen.2 Aufgaben des Landvogts in Oberschwaben waren die hohe und teilweise auch die niedere Gerichtsbarkeit, Einsetzung der Amtleute in den Reichsstädten und Aufsicht über sie, der Einzug der Steuern vor allem der Reichsstädte, die Schirmvogtei über die Klöster, sowie Forsthoheit, Sicherung des Geleits auf den Straßen und vor allem die Wahrung des Friedens in ihrem Amtsbezirk. Die Reichslandvogtei war kein geschlossenes Territorium, sondern ein „Regalienbezirk“, d. h. ein Zuständigkeitsbezirk für die unterschiedlichen vom Reich beanspruchten Hoheitsrechte. Als Landvögte setzten die Könige zunächst Männer ihres Vertrauens aus dem regionalen Hoch- und bisweilen auch aus dem Niederadel ein. Sie waren bis ins 14. Jahrhundert jederzeit absetzbare Amtsträger mit meist nur kurzen Amtszeiten, die aus Teilen der Erträge der Landvogtei entlohnt wurden. Ab dem 14. Jahrhundert wurde die Landvogtei immer häufiger um große Geldbeträge von den stets klammen Königen verpfändet, mit der die Pfandherren ihr eigenes Herrschaftsgebiet erweitern konnten. Aus einem Amt, um im Auftrag des Königs die Reichsrechte zu verwalten, war ein „Handelsobjekt zwischen den Königen und den im Südwesten des Reichs konkurrierenden Fürsten“ und Herren geworden,3 den die Pfandherren als Instrument zur Erweiterung der eigenen Macht betrachteten. Die Könige behielten insofern Einfluss, als sie das Recht zur Auslösung der Pfandschaft anderen potenteren Herrschaften zusprechen konnten, wenn diese das Geld für die Ablösung aufbrachten. Aber bis ins 15. Jahrhundert waren der Landvogtei viele Hoheitsrechte verloren gegangen, insbes. durch die Überlassung von immer mehr Selbstverwaltungsrechten an die Reichsstädte. In Nieder- und Ostschwaben waren die Rechte des Landvogts zur Bedeutungslosigkeit geschwunden, so dass 1378 Ober- und Niederschwaben zur Landvogtei Schwaben vereinigt wurden und die Rechte des Augsburger Landvogts um diese Zeit de facto an den Bischof übergingen.

Die Reichslandvogteien waren für Rudolf und seinen Sohn Albrecht Grundlagen ihrer Königsmacht in Schwaben. Parallel bauten sie ihre Hausmacht durch den Erwerb von Herrschaften in Oberschwaben aus,4 vor allem an der Donau, doch ging dieser Besitz den Habsburger weitgehend verloren, als sie nicht mehr den Königsthron besetzten. In einer neuen Expansionsphase in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts konnten die Habsburger die Grafschaft Tirol und Herrschaften der Grafen von Montfort und von Werdenberg in Vorarlberg erwerben und rückten so bis an den Bodensee vor. Am Oberrhein gerieten der Breisgau mit Freiburg und am oberen Neckar die Grafschaft Hohenberg um Rottenburg unter österreichische Herrschaft. In der Reichslandvogtei Schwaben als angeblicher Rechtsnachfolger des Herzogtums Schwaben sahen die Habsburger einen rechtlichen Ansatzpunkt, eine fürstliche herzogsgleiche Oberherrschaft über Schwaben zu errichten.5 Herzog Rudolf IV. von Österreich, dem Kaiser Karl IV. 1358 die Landvogtei versprochen hatte, führte 1359 den Titel „Fürst zu Schwaben und Elsaß“, was ihm der Kaiser untersagte. Die Expansion der Habsburger wurde gestoppt durch die Ächtung Herzog Friedrichs 1415 auf dem Konstanzer Konzils, den vorübergehenden Entzug aller Herrschaften in Schwaben und den dauerhaften Verlust ihrer Erblande in der Schweiz. Da die Landvogtei 1415-1486 an die Waldburger und 1486-97 an deren Sonnenberger Linie verpfändet war, hätten die Truchsessen von Waldburg dominante Macht in Oberschwaben werden können. Doch als mit Friedrich III. wieder ein Habsburger auf dem deutschen Königsthron saß, erlaubte er 1448/52 seinem Bruder Herzog Albrecht IV. und dann seinem Vetter Herzog Sigmund die Rücklösung der Pfandschaft. Die Bitte Herzogs Sigismunds 1474, ihm nun „das Herzogtum in Schwaben als Lehen zu verleihen“, lehnte Kaiser Friedrich III. ab und sicherte 1488 den schwäbischen Ständen zu, dass sie „ohn alles Mittel“ direkt dem Reich unterständen. Da die beiden Habsburger zunächst den Betrag für die Auslösung nicht aufbringen konnten, blieben die Waldburger bis 1486 Landvögte, allerdings nur als sog. „Afterlandvögte“. 1486 konnte Sigismund endlich die Pfandsumme ausbezahlen, aber ein Jahr später verpfändete er die Landvogtei bereits wieder an Graf Johann von Sonnenberg, einen Waldburger, der sie bis 1497 verwaltete. Es folgten verschiedene weitere Verpfändungen an andere Herren, bis es Truchsess Georg, dem „Bauernjörg“, 1529 gelang, die Landvogtei nochmals an das Haus Waldburg zu bringen.6 Von seinen Kindern löste es aber Österreich wieder 1541 aus, das fortan den Posten des Landvogts nur noch als Amt verlieh und die Landvogtei in seine vorderösterreichischen bzw. schwäbisch-österreichischen Territorien integrierte. De jure weiterhin Reichslandvogtei war sie de facto österreichische Landvogtei geworden. Der Landvogt hatte sich vom einstigen „Sachwalter des Reiches“ zum „Vertreter landesfürstlicher Interessen“ gewandelt.7 Österreich war an sein Ziel gelangt, seine Herrschaften in Schwaben damit abzurunden, erfolglos blieb es mit seinem immer wieder erneuerten Ziel, die Landvogtei als rechtliche Grundlage für eine Oberherrschaft wenigstens in Oberschwaben oder gar für ein wieder errichtetes Herzogtum Schwaben zu nutzen. Dass König Maximilian seinen Titeln ab 1490 den eines „Fürsten in Schwaben“ beifügte, den die Habsburger bis zum Reichsende führten, blieb rechtlich folgenlos, bezeichnete aber einen fortdauernden Anspruch.

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