Bis 1532 verhandelten der Landesherr und seine Beamten direkt mit den Vertretern der einzelnen vorländischen Herrschaften, auch wenn sie wie 1518 und 1529 zu sog. Ausschusslandtagen nach Innsbruck berufen wurden.39 1529 verweigerten die Vertreter der Landvogtei, darunter Eitelhans Ziegelmüller, 1525 Hauptmann der Linzgauer im Bauernkrieg, weitere Steuerzahlungen, sie hätten noch an den vorigen Bewilligungen zu zahlen.
1536 lud König Ferdinand als österreichischer Landesherr erstmals die „österreichischen Landstände in Schwaben“ gemeinsam zu einem Landtag in Altdorf ein. Als Landstände galten anfänglich ca. 25, später bis zu 60 Herrschaften, in denen Österreich das Steuerrecht besaß. Damit formierte der Landesherr seine Herrschaften in Oberschwaben zu einem eigenen Korpus, das als Schwäbisch-Österreich fortan zusammen mit Vorderösterreich i.e.S. (Breisgau und Elsaß) und Vorarlberg die Vorlande bildeten. Vertretungsberechtigt auf den Landtagen waren ausschließlich Delegierte der bäuerlichen oder städtischen Untertanen, kein Adel und keine Prälaten. Die schwäbisch-österreichischen Stände tagten seit 1549 meist in Ehingen, in unregelmäßigen Abständen, wenn ihr Landesherr wieder Geld brauchte etwa für die Türkenkriege oder zur Bezahlung seiner Schulden, später fast jährlich. Die Steuerforderungen und –erhebung bildeten fast den einzigen Verhandlungsgegenstand, bisweilen wurde auch über militärische Einquartierungen, den Getreideexport, das Münzwesen und Wildschäden gesprochen. 1722 wurden die Vertreter Schwäbisch-Österreichs sogar um die Zustimmung zur Pragmatischen Sanktion, dem österreichischen Staatsgrundgesetz, gebeten, das die weibliche Erbfolge im Hause Habsburg zuließ. Einer der Schwäbisch- Österreichischen Landstände war die Landvogtei. Zu den Landtagssitzungen entsandte die Landvogtei jeweils einen bis zu drei Deputierte, das waren ab 1620 immer der Landschaftseinnehmer, bisweilen noch ein Truhenmeister, Ausschuss oder Amann. Nie wurde ein Ausschuss oder Amann des Amtes Dürnast als Deputierter der Landvogtei gewählt und nach Ehingen entsandt. Die Deputierten waren an Instruktion der entsendenden Körperschaft gebunden.
Auf den Landtagen wurden die Deputierten der Untertanen mit den Geldforderungen konfrontiert, die von landesfürstlichen Kommissaren, sehr selten vom Landesfürst selbst vorgetragen wurden. Diesen Forderungen setzten die Landstände ihr Angebot entgegen, bis man sich einigte. Die Bewilligungen blieben oft weit hinter den anfänglichen Forderungen zurück, so genehmigte der Landtag von 1536 statt der erwarteten 20.000 fl. nur 6.000 fl., der Landtag von 1567 statt 460.000 fl. nur 60.000 fl. Ab 1721 wurden die Steuerforderungen fixiert, so dass Verhandlungen fortan entfielen. Der Gesamtbetrag wurde nach einem bestimmten Schlüssel auf die einzelnen Herrschaften umgelegt. Die Landvogtei wiederum legte ihre anteilige Summe auf die einzelnen Ämter um, deren Ausschuss wiederum nach der Einschätzung des Vermögenswertes den Betrag für den einzelnen Steuerpflichtigen festlegte.40 Zum gesamten vorländischen Steueraufkommen trug Schwäbisch-Österreich etwa ein Drittel, später nach dem Verlust des Elsaß bis zu 60 % bei. Davon hatte die Landvogtei wiederum 15 %, später 11-14 % zu übernehmen.
1573 erhielten die schwäbisch-österreichischen Stände gegen Übernahme der meisten Schulden ihres Landesfürsten das Selbstbesteuerungsrecht, so dass nun der ganze Steuereinzug und das ganze Rechnungswesen in ihren Händen lag.41 Dazu bedurfte es nun einer eigenen Verwaltung. Geschäftsführendes Organ der Stände zwischen den Landtagen war ein Ausschuss, später Direktorium genannt, der Deputierten der Städte Ehingen, Munderkingen, Radolfzell und Rottenburg. 1706 wurde dieses Direktorium um vier Deputierte der Landschaften erweitert, zu denen stets der Landschaftseinnehmer der Landvogtei gehörte. Die Geschäfte als Syndikus führte bis der Ehinger Stadtschreiber, der bis 1650 auch als Truhenverwalter die ständische Kasse führte, wo alle Steuern der einzelnen Stände eingingen. Erbost über die chaotische Kassenführung durch die Ehinger Stadtverwaltung leisteten sich die Stände 1689 einen eigenen Syndikus und einen eigenen Kassier mit Kanzleipersonal.
Im Vergleich zu anderen Landständen Süddeutschlands genossen die schwäbisch-österreichischen Stände ein beträchtlich höheres Maß an Freiheiten zur Regelung ihrer Angelegenheiten. Sie hatten das Selbstversammlungs- und Selbstbesteuerungsrecht und konnten ihre Beamten selbst wählen. Die absolutistischen Verwaltungsreformen nach Bildung der vier Oberämter 1750 und der Provinz Vorderösterreich 1753 machten dieser relativen Autonomie der schwäbisch-österreichischen Stände ein Ende. Formal blieb der Steuereinzug weiterhin in den Händen der Stände, aber die ständischen Versammlungen, ihre Verhandlungsgegenstände, ihr Kassenwesen und die Wahl ihrer Beamten unterlagen nun der staatlichen Kontrolle und Genehmigung.42 Der ständische Ausschuss nahm die Rechte des Plenums wahr, das sich 1769 zum letzten Mal versammelte. Bei dieser Sitzung konfrontierte die Regierung die Versammlung mit dem neuen Amt eines Oberdirektors, der nunmehr die Oberaufsicht über alle Vorgänge führte, ohne den keine Sitzung mehr stattfinden und keine Beschlüsse gefasst werden konnten. Das Personal der Verwaltung wurde auf das Dreifache erhöht und ein repräsentatives Gebäude am Marktplatz in Ehingen als Ständehaus erworben.43 Was als baulicher Ausdruck ständischen Selbstbewusstseins hätte betrachtet werden können, markierte den Abstieg der Stände zu einer landesfürstlichen Steuereinzugsbehörde.
Nach der Niederlage Österreichs gegen Napoleon verlor Österreich infolge der Bestimmungen des Preßburger Friedens seine gesamten Vorlande. Am 27. Dezember 1805 erklärte Kurfürst Friedrich von Württemberg die landständische Verfassung von Schwäbisch-Österreich für aufgehoben. Im Pressburger Frieden war die „Präfektur Altdorf“, also die Landvogtei, ebenfalls Württemberg zugesprochen worden. Aber zunächst erhob Bayern Ansprüche auf dieses Gebiet und besetzte Altdorf, zog dann aber am 10. Januar 1806 seine Truppen ab.44 Die „Menschen … welche größtenteils an die Vorteile und Gemächlichkeiten eines patriarchalischen Regiments gewöhnt waren … mussten mit Widerwillen und sträubenden Gefühlen die Umgestaltung ihrer früheren bürgerlichen Verhältnisse und Einrichtung, die mit allen ihren Fehlern und Mängeln zur Gewohnheit und Liebe geworden waren, ertragen.“45
Elmar L. Kuhn: Die Landvogtei Schwaben. In: Margarete Eger und Gerhard Rothenhäusler (Hg.): 1200 Jahre Taldorf. Landschaft, Geschichte, Kultur. Biberach: BVD, 2016, S. 78-87, 283-285.