Trotz aller Bemühungen der Stadt konnte 1908 ein Autor immer noch "vom sonst recht langweiligen Friedrichshafen" schreiben (SK 26.08.1908). Da freuten sich Einheimische und Gäste über außergewöhnliche Abwechslung. Anfang des Jahrhunderts waren das noch Dampfschiff und Schloß. "Man baute gerade an dem Dampfschiff Wilhelm, was eine Menge Schaulustiger herbeizog ... aber sie liefen auch zusammen, um das neu möblierte Schloß zu sehen" (Weber 1826). Nachdem man die Dampfschiffe kannte, und später sich überzeugt hatte, daß die Eisenbahn kein Höllenspuk sei, sorgten in der zweiten Jahrhunderthälfte die Besuche fremder Monarchen für Höhepunkte. U.a. reiste das russische Zarenpaar zwischen 1864 und 1871 dreimal an, der österreichische Kaiser Franz-Joseph kam zweimal, 1881 und 1909, der deutsche Kaiser Wilhelm I. überquerte den See von der Mainau her sogar fast jährlich. Sein Enkel Kaiser Wilhelm II. beließ es bei zwei Besuchen 1908 und 1912 und da waren ihm die Luftschiffe des Grafen Zeppelin schon wichtiger als sein württembergischer Königskollege.
Größere Ovationen als die Monarchen konnten nach 1900 die Werke der Technik und ihr Schöpfer entgegennehmen, zu dem nun die Monarchen selbst nach Friedrichshafen pilgerten. "Den Aufstieg eines Zeppelinschiffs ... zu sehen, stellen sich nicht bloß Touristen, Sommerfrischler, Meister und Kenner der Technik, Offiziere und Beamte des Reichs und der Einzelstaaten, sondern auch Monarchen, und sonstige Fürstlichkeiten in Friedrichshafen ein" (K. Stat. Landesamt 1915). Schon zum ersten Aufstieg 1900 trafen "viele Gäste, Journalisten, Fotografen und sonstige Interessenten ein, ... der Generaladjutant ... , der Kriegsminister ..., mehrere Hofkavaliere, viele Offiziere in Civil und Uniformen. Die Schiffe bringen seit heute morgen Scharen, namentlich dem Schnellzug entstiegen endlose Reihen von Passagieren" (SK 01.07.1900). Es "dürften sich 25-30.000 Personen zu Wasser und zu Land zu dem erwarteten Aufstieg eingefunden haben" (SK 07.07.1900). 1907 war "wieder einmal ein großer Tag! ... Die Züge aller Richtungen brachten Menschenscharen ohne Ende; die Wallfahrt nach Manzell begann bald und flutete stundenlang durch die Friedrichstraße hindurch, während die Autos, Fahr-, Motorräder, Equipagen und Fuhrwerke aller Art ... an den Fußgängern vorbeistürmten ... auf dem Lande dem Strand entlang stehen die z.T. weitgereisten Leute, Segelboote, Schiffchen aller Art gleiten auf dem Wasser" (SK 09.10.1907).
Beim Start zur 24-Stunden-Fahrt am 05.08.1908 nahm "der Menschenstrom in Friedrichshafen ... fast beängstigende Formen an. Die Gasthöfe sind dermaßen überfüllt, daß viele Gäste froh sind, wenn sie ein Matratzenlager in irgendeiner Wirtsstube bekommen können. In allen verfügbaren Räumen sind Betten aufgeschlagen. Dennoch zählt die Masse derjenigen, die gezwungen sind, wieder abzureisen und in benachbarten Orten Quartier zu suchen, nach Dutzenden ... In der Bucht von Manzell ... hat man schon manches von Menschenansammlungen erlebt, ein derartiges Zusammenströmen von Menschenmassen aller sozialen Schichten, wie heute, ist aber doch noch nie gesehen worden. Das Ufer bei Manzell, und zwar weit bis nach Friedrichshafen zu, ist zum reinen Feldlager geworden. Zu Fuß, mit dem Rade, im Automobil, sind sie zu Tausenden herbeigeeilt, um dem Bezwinger der Lüfte zum Willkommen ihren Huldigungsgruß darzubringen. Seit dem frühen Morgen hat man sich häuslich niedergelassen ... fliegende Wirtschaften haben sich etabliert und machen brillante Geschäfte ... draußen auf der Reede liegt wohl ein Dutzend Dampfer" (SK 05.08.1908). Auch wenn bald das Luftschiff schon anfing, "etwas Alltägliches, Wohlbekanntes zu werden" (SK 11. 03 .1909) und "die Macht der Gewohnheit an die Stelle der einstigen Begeisterung" trat (SK 23.08.1910), wiederholten sich immer wieder Tage, wo sich Tausende "an dem herrlichen Schauspiel von Zeppelins Kreuz- und Querfahrten ... ergötzten" (Verband 1912). Das Vergnügen, von Friedrichshafen aus eine Fahrt mit dem Luftschiff zu unternehmen, "das schwebend leichte, weiche Reisen durch die Luft, ... den Anblick der weit erschlossenen Landschaft und das Gefühl des Draußenseins aus allen irdischen Kleinigkeiten" zu genießen wie Hermann Hesse (1911/1977) hatten nur wenige. Nur eine kleine Anzahl von Personen erhielten das Privileg einer Gratisfahrt oder konnten die "Kleinigkeit" des Fahrpreises bezahlen, vor allem aber, weil nur an wenigen Tagen überhaupt Passagierfahrten von Friedrichshafen aus unternommen wurden (SK 12.07.1911). Das Versprechen, daß "für die Gäste des neuen Kurgartenhotels Rundfahrten mit den Zeppelin-Luftschiffen arrangiert werden - wohl die größte Attraktion für Friedrichshafen, die denkbar ist" (Hoppe 1909) und gar "Hunderte und Tausende über den blauen Fluten und blühenden Ortschaften angesichts des Alpenkranzes dahingetragen werden" (Eckener 1910) blieb uneingelöst. Daß "Zeppelins Märchenschiffe hier nur gebaut (werden), um gleich zu entfliegen" (N. Jacques nach Sb. 20.09.1913), "erbitterte" die Friedrichshafener Geschäftswelt "über enttäuschte Hoffnungen" (SK 23.10.1910). Noch nicht einmal die Besichtigung der Werft wurde gestattet (Wais 1913, SK 12.07.1911).
Die Hoffnungen erfüllten sich doch noch. Im 1. Weltkrieg starteten die vielen hier gebauten Schiffe zur Überführung für den Kriegseinsatz, ein friedlicher regelmäßiger Luftschiffverkehr wurde 1919 und dann wieder in den 30er Jahren von Friedrichshafen aus unternommen. Der Tourismus profitierte also noch lange vom Luftschiff und profitiert bis heute vom Zeppelin-Mythos oder wenigstens - Museum. Aber was dem Tourismus nützte, beeinträchtigte ihn auch. Denn der wiederholten Forderung der "Entwicklung der Stadt als eines Kurorts" (SK 23.10.1910, vgl. 22.08.1912), stand nun die Entwicklung zur Industriestadt im Wege.