Elmar L. Kuhn

Fremdenverkehr in Friedrichshafen ...


Stadt, Staat und König - Wer fördert wie den Fremdenverkehr?

Die Stadt hielt sich bei der direkten Fremdenverkehrsförderung lange zurück. In den ersten Jahrzehnten ist kaum mehr als die Pflasterung der Straßen in der Stadt und die Anlage der Alleen der Neustadt und der Olgastraße, letztere erst auf Druck der Kronprinzessin, zu vermerken. Für die ersten Parks sorgte wiederum das Königshaus, erst 1892 engagierte sich die Stadt mit dem Erwerb des Riedleparks. Das Kurhaus wurde zwar von einer AG erbaut, ging dann aber schon 1877 in das Eigentum der Stadt über. In die Aktiengesellschaft, die das neue Kurgartenhotel erbaute, brachte die Stadt den Kurpark als Baugrundstück ein, erhielt damit aber nur einen Anteil von 1 %. Die größte Investition in den Fremdenverkehr war zweifellos der Bau der Uferstraße in Verbindung mit dem Erwerb erster Grundstücke für den Stadtpark an der Bucht. Daß die Stadt hier überhaupt noch einen Park schaffen konnte, war nur darauf zurückzuführen, daß ihre jahrzehntelangen Bemühungen um Aufhebung des Bauverbots in diesem Uferstreifen südlich der Neustadt vom Staat durchkreuzt wurden. Verschiedene Möglichkeiten eines früheren Grunderwerbs hatte sie vorher ausgeschlagen. Daß die Stadt schließlich das Uferstraßenprojekt nach mehreren vergeblichen Anläufen doch noch mit einer Schuldaufnahme von 130.000 DM bei Gesamtkosten von 307.000 DM (davon Grundstückserwerbskosten von 50.000 DM) in Angriff nahm, war umso bemerkenswerter, als unmittelbar zuvor und z.T. gleichzeitig eine Reihe weiterer Großprojekte realisiert wurden: Bau eines Elektrizitätswerkes, eines neuen Rathauses, der höheren Schule, Erweiterung des Krankenhauses und als größte Maßnahme der Geländeerwerb für die Verlegung des Luftschiffbaus mit einer Schuldaufnahme von 355.000 DM. Unschwer lassen sich die unterschiedlichen Aktivitätsphasen den Amtszeiten der Stadtschultheißen zuordnen: Die passive Ära Miettinger 1849 - 85, die aktivere Ära Schmid 1885 - 1907, und die ersten dynamischen Jahre der Ära Mayer 1908 - 20.

Im übrigen galt es als "klar, daß die Sorge für Hebung des Fremdenverkehrs in erster Linie nicht der Stadtverwaltung, sondern den Einwohnern zufällt, namentlich jenen, die ganz oder teilweise von den Fremden leben" (SK 16.06.1897). Zur besseren "Hebung" hatte sich schon 1865 ein "Verschönerungsverein" gebildet, der "zweckmäßige Anlagen" (SK 29.06.1865) fördern wollte, aber bald wieder einschlief, denn 1885 wurde er wieder neu "ins Leben gerufen" und unternahm "manches zur Verschönerung der Stadt" und wollte sich "zu einem Verein zur Hebung des Fremdenverkehrs erweitern", um "alles" zu tun, "was zur Herbeiziehung und Festhaltung von Fremden erforderlich ist" (SK 25.05.1886). Die wichtigste Aktivität bestand in der Aufstellung eines Denkmals für Kaiser Wilhelm I., durch dessen regelmäßige Visiten beim König sich die Stadt geschmeichelt fühlte. Der Eifer erlahmte wieder, denn bald regte sich wieder der Wunsch, "es möchte sich ein rühriges Kurkommittee bilden, das mit unseren lieben Sommergästen etwas mehr Fühlung nähme, als seither" (SK 04.03.1892). Endlich 1895 wollte der jetzige "Verschönerungs- und Verkehrs-Verein seine Tätigkeit künftig mehr auf Anziehung der Kurgäste und Hebung des Fremdenverkehrs als eine Verschönerung der Stadt" richten (SK 30.05.1895). Die Aufstellung eines weiteren Denkmals diesmal zu Ehren Gustav Schwabs, des Autors des ersten großen Bodenseereiseführers, 1895 im Kurpark war aber nicht der letzte Beitrag des Vereins zur "Verschönerung". Er sorgte auch weiterhin etwa für Ruhebänke, Anpflanzung der Alleebäume an der Rotach, einen Gedenkstein in der Riedleparkallee und einen Blumenschmuck-Wettbe­werb. Der Verein betrieb zur "Anziehung der Kurgäste" auch die Zimmervermittlung und organisierte zu ihrer "Festhaltung" das Unterhaltungsprogramm: Konzerte, venetianische oder italienische Nächte.

Zur Werbung hatte der Verein 1896 den ersten Prospekt drucken lassen, dem 1910 in einer Auflage von 12.000 Stück die "Herausgabe eines neuen Führers für Friedrichshafen, der anstelle des früheren Prospekts getreten ist", folgte, "dessen Vorderseite einen Teil des Sees und darüber ein Luftschiff zeigt" (Sb. 17.06.1910). Daß die "Reklame" durch Annoncen als ungenügend bezeichnet wurde (Sb. 25.06.1908) lag allerdings an den geringen Mitteln des Vereins. Ihm gehörten ca. 240 Mitglieder an, zu 3/4 aus der "Geschäftswelt", die 3 RM als Jahresbeitrag zu bezahlen hatten. Die Stadt gewährte nur einen jährlichen Zuschuß von RM 400, auch wenn bis 1907 der Stadtschultheiß als Vereinsvorstand fungierte.

Propagandistisch betätigte sich auch eine neugegründete "Verreinigung der Wirte". Bei ihrem Fest "zugunsten eines Plakatfonds" brach "das Publikum in nicht enden wollenden Jubel aus" (Sb. 16.02.1904). Ihr in München hergestelltes Plakat rückte ganz das Schloß in den Vordergrund, nützte also Sommerresidenz, See und Schiffahrt als Hauptwerbefaktor, mußte aber auf ein Luftschiff als Bildelement verzichten, da erst Ende 1904 Graf Zeppelin wieder mit dem Bau seines zweiten Schiffes beginnen konnte.

Alle übrigen für Friedrichshafen werbenden Druckwerke gingen auf Privat- bzw. Verlagsinitiative zurück. Das begann mit zwei lithographischen Sammelbildern von Gerstmayer um 1850 und 1860 und zwei Panoramen. Das Panorama von C. Obach mit dem Blick von Berg auf See und Alpen, in Stahl gestochen 1853 von Th. Beck in Schaffhausen, war das "erste große Panorama aus Württemberg ... ein würdiges Seitenstück der schönen schweizer Panoramen" (SK 17.05.1853). Als genauer galt das Panorama "Alpenschau" von A. Steudel von 1859, das "in Beziehung der Benennung sämtlicher sichtbaren Gebirgshöhen nichts zu wünschen übrig" ließ (SK 15.06.1876, vgl. 26.07.1859). Ihm folgten dann ab 1863 eine Reihe nur Friedrichshafen gewidmeter Führer (Schönhuth 1863, Faber 1873, v.H. 1887, Wegweiser 1890, Mayer 1908), deren zweitletzter mit dem Aufdruck "überreicht von der Kurgarten-Hotel-Gesellschaft" primär zu deren "Zierde und Vorteil" gereichen sollte (Hoppe 1909).

Nach diesem Seitenblick auf den Teilbereich Werbung wenden wir uns den weiteren Akteuren auf dem Feld der touristischen Infrastruktur zu. Alle wesentlichen Entwicklungsschritte der Friedrichshafener Verkehrserschließung gehen auf Initiativen der württembergischen Regierung (bzw. des Königs) zurück: 1824 Dampfschiffahrt, 1847 Eisenbahn, 1869 Trajektverkehr (vgl. Kuhn 1990). Für Bau und Aussehen wichtiger Gebäude trug ebenfalls der Staat die Verantwortung: Salzstadel, Bahnhöfe, Post. Die Anlage der Neustadtpromenade erfolgte nach dem von oben verordneten Stadtgrundriß von 1811 (vgl. Messerschmid 1986). Daß der Bereich zwischen Neustadt und dem See im wesentlichen von Bauten freigehalten und später als städtischer Park gestaltet werden konnte, war das Verdienst der staatlichen Behörden, die eine Aufhebung des Bauverbots nicht zuließen. Den Bau des Kurhauses hat die Regierung durch einen beträchtlichen Staatszuschuß und die Anlage der Uferstraße durch die Genehmigung an der Lotterie unterstützt.

Mancher Regierungsentscheid wurde durch das persönliche Eingreifen des Königs veranlaßt, so der Stadtbauplan von 1811 (vgl. Boelcke 1988) und der Bau des ersten Dampfschiffs. Einen Einfluß auf die Bauplanung in seiner Sommerresidenz sicherte sich der König noch Ende des 19. Jhs. und 1892 wurde angeordnet, daß "Gesuche um die Konzession von einstockigen ... Gartenhäusern ... in den Seegärten vor der Entscheidung dem K. Ministerium vorzulegen sind, um dieselben zuvörderst der Genehmigung Sr. Maj. des Königs unterstellen zu können" (SK 17.06.1892). Auch zum Bau der Uferstraße wurde das Votum des Königs eingeholt, der zwar zustimmte, aber das realistische "Bedenken (hegte), daß dadurch der Hauptteil des noch bestehenden alten Buchhorns den Fortschritt zum Opfer fallen würde" (Sb. 13.01.1912). Wesentliche Förderung ließ das Königshaus dem Fremdenverkehr durch die Schenkung des Kurgartens und die Rettung des Riedlewalds zukommen. An der Aktiengesellschaft, die das Kurhaus erbaute, war der König "mit höheren Summen beteiligt" (SK 27.07.1872) und an der Kurgarten-Hotel-Gesellschaft mit 5 %. Selbst zur Unterhaltung der Gäste trug der König bei, indem er häufig die Weingartner Regimentsmusik in der Stadt auftreten ließ. Am meisten aber hat sicherlich das Königshaus dem Friedrichshafener Fremdenverkehr durch seine bloße regelmäßige Anwesenheit in der Sommerszeit genutzt. Vom Abglanz des Hoflebens glaubte noch jeder Kurgast ein paar Strahlen erhaschen zu können. Zur späteren Beeinträchtigung der Entwicklung Friedrichshafens als Kurstadt hat freilich das Königshaus ebenso maßgeblich durch die Unterstützung des Grafen Zeppelin in dessen Anfängen beigetragen.

Abgesehen nun einmal von Natur und Lage, hat der Staat für die wesentlichen infrastrukturellen Voraussetzungen des Tourismus in der Stadt gesorgt, wobei hinter manchem Behördenentscheid der König selbst stand. Die Stadt, d.h. die städtische Verwaltung, hat sich erst spät engagiert, verstärkt seit der Jahrhundertwende, ermöglicht durch den wirtschaftlichen Aufschwung. Organisatorisch wurde vieles über die am Tourismus wirtschaftlich interessierten Kreise bewältigt, etwa die Hotel- und Gaststättenbesitzer über den Verkehrsverein.

Copyright 2024 Elmar L. Kuhn