Elmar L. Kuhn

Fremdenverkehr in Friedrichshafen ...


Baden

"Baden, Schwimmen" (vgl. Zingeler Ende 19. Jh.), damit begann der Tag nach dem Frühstück, wie ja auch Gustav von Aschenbach am Lido den "Vormittag am Strande" verbrachte "wenn die Sonne noch milde war und das Meer weißblendend in Morgenträumen lag". Allerdings konnte man sich in Friedrichshafen keine "gemietete Strandhütte zuweisen, ... Tisch und Sessel hinauf auf die sandige bretterne Plattform stellen (lassen) und ... sich bequem (machen) in dem Liegestuhl" (Thomas Mann: Tod in Venedig). Denn hier am Bodensee war "erwachsenen Personen das Baden vom freien Bodenseeufer aus, d.h. ohne Benützung eines im See stehenden Badehauses, verboten" (Vorschrift betr. das Baden am Bodenseeufer, Sb. 24.07.1900). 1846/47 hatte eine Aktien­gesellschaft zwei "comfortabel eingerichtete" Badehäuser in der Bucht vor dem späteren Stadtbahnhof errichten lassen. Sie wurden als "die größten und besten am ganzen Bodensee" gepriesen (v.H. 1887, vgl. Ritz 1905, Fels 1909). Der ortsansässige Hofrat Dr. Faber vermittelt uns 1873 ein genaueres Bild der Badeanstalten: "Das 'Frauenbad' enthält acht Einzelkabinette und zwei größere Kabinette, von welch letzteren jedes von vier bis fünf Badenden zugleich benützt werden kann: eines dersel-ben, mit erhöhtem Boden, ist Kinderbad; ein Kabinett enthält Douchevorrichtungen. Das 'Herrenbad' enthält zehn Einzelkabinette (worunter ebenfalls Douchekabinett), ein mit besonderem Komfort und Eleganz ausgestattetes sog. Nobelkabinett ... einen großen Ankleideraum, der unmittelbar in den offenen See führt, für Schwimmer. Den Boden jedes Einzelkabinetts bildet ein Rost, welcher nach der Höhe des Wasserstands höher oder niederer gestellt werden kann. Von jedem Kabinett führt eine Treppe in den offenen See, so daß der Badende nach Belieben im Kabinett, oder im freien See sein Bad nehmen kann."

1913 löste sich die "Bade-Gesellschaft" auf, da "die derzeitigen Anstalten schon lange nicht mehr den Bedürfnissen entsprechend", "nicht mehr in das Weichbild der Stadt" paßten (Sb. 27.02.1913) und die Stadt eine Anlage wünschte, "die auch würdig war, sich neben der modernen Uferstraße zu zeigen". Die Ausschreibung eines Architektenwettbewerbs verlangte, "Herren- und Frauenbad in einer gemeinsamen Anlage unterzubringen, den Betrieb jedoch bei beiden wieder vollständig abzutrennen. Zentrale Lage, harmonische Anpassung an das ... königliche Schloß und möglichst wenig Behinderung des freien Blicks auf die Alpenkette waren Hauptbedingung" (Sb. 31.10.1913). Der Weltkrieg verhinderte jedoch die Ausführung eines der vom Preisgericht (der u.a. der königliche Kabinettschef und Prof. Bonatz angehörten) prämierten Entwürfe (vgl. Bauzeitung für Württemberg, Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen 29.11.1913). Im Krieg mußte sogar das Frauenbad abgebrochen werden (Sb. 09.12.1916 und 26.02.1917). Daß die Frauen nun wöchentlich nur 9 Stunden das Herrenbad benutzen durften, während den Herrn 82 Stunden zugestanden blieben, dagegen regte sich sogar ein erster weiblicher Leserbriefprotest (Sb. 26.06.1917). Nachdem ein Sturm auch noch das Herrenbad beschädigt hatte, wurde 1919 der Badebetrieb in ein neuangelegtes Strandbad westlich des Schlosses verlegt, das, 1927 ausgebaut, wieder als "das weitaus größte am Bodensee überhaupt" und "erstklassiger Anziehungspunkt der Fremden" propagiert wurde (Sb. 27. und 31.05.1927). Nun schwamm man nicht mehr in erster Linie zur Gesundheitsvorsorge, sondern zum sportlichen Vergnügen.

Faber erwähnt außer der "Aktienbadeanstalt ... noch mehrere, von Privaten erbaute und zweckmäßig eingerichtete kleinere Badhäuser ... , welche den Badgästen zur Benützung zu Gebote stehen" (Faber 1873). Baden wurde damals weniger als bloßes Vergnügen oder Sport betrachtet, sondern als "Kurmittel". Deshalb hatten in den 50er und 60er Jahren auch noch die Amtsärzte "die Aufsicht und Leitung" der Badeanstalten (Schnars 1857, Schönhuth 1863). Wegen der "kühlenden und zugleich erregenden Wirkung der Bodenseebäder" wurde "eine Dauer von fünf Minuten in der Regel (als) das höchste" empfohlen (Faber 1873, auch noch Mayer 1908). Nachmittags nahm man nur noch Sonnenbäder (Sb. 26.06.1917). Wer den See scheute, konnte "warme und kalte Wannen - Seebäder" in Kabinetten des Herrn Krehl, später des Konditors Gammel und zuletzt des Gasthofes Sternen nehmen (vgl. Höchel 1854, Schnars 1857, Schönhuth 1863, v.H. 1887, Bodensee 1905, Fels 1909).

Eine systematischere Pflege von Gesundheit oder auch nur Aussehen ermöglichte das 1862 als zweites in Deutschland erbautes "Türkische Bad". Es unterschied sich von den bekannten Dampfbädern eben dadurch, daß hier "kein Dampf entwickelt wird, der die Badenden belästigt". Die Bäder sollten "in erster Linie zur Reinigung der Haut ... , wie zur Conservierung und Verschönerung derselben ... , hauptsächlich aber therapeutischen wie hygienischen Zwecken dienen", wobei angeblich "unendlich groß ... das Heer der Krankheiten (war), in denen sie sich schon heilsam und heilend erwiesen haben". Das Bad war für Jahrzehnte für die Reputation als Kurstadt "von größtem Nutzen und eine der Hauptzierden des Ortes" (Schönhuth 1863). Zwei Jahre nach der Gründung wurde "ein Dritteil der hiesigen Badgäste mit dem hier üblichen Ausdruck als 'Türken', d.h. als Besucher der genannten Anstalt, klassifiziert“ (SK 20.07.1864). 10 Jahre später hatte “das rühmlichst bekannte Etablissement ... die hohe Ehre, dem höchsten Kurgast, Sr. Maj. dem König, Bäder verabreichen zu dürfen" (SK 07.07.1874). Nach einem Brand 1880 wurde das Bad erweitert, wieder aufgebaut und in eine Naturheilanstalt umgewandelt. Mit schließlich drei Quartierhäusern konnte das „Sanatorium für Nerven-, Herz-, Nieren-, Stoffwechselkranke und Erholungsbedürftige und Institut für hydrotherapeutische und physikalisch-diätetische Heilverfahren" (Prospekt) 35 Kurgäste aufnehmen, doch wurden auch externe Gäste behandelt. Die sehr "mäßigen Preise" (Schobinger 1905) für einen 4wöchigen Aufenthalt entsprachen allerdings dem 1/4-Jahresverdienst eines Industriearbeiters. Um eben diese unterzubringen, die vorher den Aufenthalt hier nicht bezahlen konnten, erwarben im Ersten Weltkrieg die Zeppelin-Betriebe das "Hüflerheim".

Heilkräfte wurden im übrigen nicht nur dem Wasser, sondern auch Klima und Luft zugeschrieben: "Die glückliche Kombination von Höhenklima mit wichtigen Eigenschaften des Seeklimas hat auf den menschlichen Organismus einen unverkennbar günstigen Einfluß ... Das Klima ist ein gelinder regendes, kräftig tonisierendes, roborierendes" (Faber 1863). Als weitere "Unterstützungsmittel einer Badekur" wurden Mineralwasser im Kursaal ausgeschenkt, Traubenkuren angeboten und, wie es damals chic war, "Gelegenheit zum Molkentrinken (geboten), indem die Ziegenmilch aus dem Appenzell bezogen und die Molken aus derselben von einem Schweizer" (SK 15.06.1876, Faber 1873), 10 Jahre früher sogar von einer echten "Appenzellerin bereitet" wurden (Staiger 1867).

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