„Eitelhans Ziegelmüller ritt einen schlanken Schimmelhengst. Auf seinem Kopf thronte ein rotes Ritterbarett mit langen, wallenden, weißen Straußenfedern. Seine Schultern umhüllte ein schwerer Mantel aus purpurrotem Samt mit goldenen Borten. An seinem Hals hing ein mächtiges goldenes Kreuz an langer Kette und an seiner Seite blinkte ebenfalls ein großes Schlachtschwert. Doch trug er es in der Scheide, die aus echtem Gold und reich mit Edelsteinen besetzt war. An der Seite seines Pferdes sah man das Wappen seines Hauses. Weithin glänzten auf weißem Grunde die drei goldenen Rosen und der darüber befindliche Ritterhelm mit seinem wallenden Busche. Eine gewisse Majestät leuchtete aus Eitels Gesicht.“ Die aufständischen Bauern haben ihn zu ihrem Führer gewählt, da er als Pfarrer von Teuringen mit seinen feurigen Predigten und seiner Hilfsbereitschaft bei allen, die bedrückt zu ihm kommen, längst die Herzen erobert hat. Als er, der lange den Frieden predigt, sich zur Tat durchringt und ein Mädchen, das der Hexerei beschuldigt wird, vor dem Feuertod rettet, sind sich alle „in der Seegegend einig, dass nur er sie zum Siege und zur Freiheit führen“ kann. Den geistlichen Beruf hat Ziegelmüller seinerzeit gewählt, nachdem der Prior des benachbarten Klosters seine Verlobte vergewaltigt und ermordet hatte.
Als Hauptmann der Bauern drängt Ziegelmüller auf die Entscheidungsschlacht bei Weingarten gegen Heer des Schwäbischen Bundes, des Bündnisses der Herrschaften, findet aber im Kriegsrat kein Gehör. „Die Feigen verzichteten auf Kampf und Sieg und der Krieg, der so verheißungsvoll begonnen, war schmählich beendigt... Eitel Ziegelmüller nahm sein mit Straußenfedern geschmücktes Barett von seinem Haupte und warf es mitten in den Saal, so dass der Staub hoch aufwirbelte. Mit gewaltigem Rucke riß er den goldumsäumten Mantel, der ihn als Oberst kennzeichnete von seinen Schultern und warf ihn gleichfalls zu Boden.“ Ziegelmüller zieht sich wieder auf seine Pfarrstelle zurück, ihm bleibt nur, „die Hartbedrängten aufzumuntern und sie auf ein besseres Leben im Jenseits hinzuweisen“. Eine kurze Zeit des „reinsten Glücks“ bleibt dem Pfarrer noch an der Seite Afras, der Frau, die er vor dem Scheiterhaufen und während des Aufstands aus Klosterhaft gerettet hat.
Es ist ein dramatisches Schwarz-Weiß-Gemälde, das der Autor G. Jakob in seiner „Historischen Erzählung aus dem Bauernkrieg 1524-1525. Eitel Hans Ziegelmüller“ 1927 den Lesern vor Augen führt. Vor dem düsteren Hintergrund der Niedertracht vor allem geistlicher Herren hebt sich die Lichtgestalt Ziegelmüllers um so strahlender ab. Was als Roman geschrieben wurde, wurde ernster genommen als es gedacht war. Spätere Lokalchronisten benutzten das Werk mit seinen unwahrscheinlichen Zügen als glaubhafte historische Quelle. „Pfarrer von Teuringen rettete Kloster Salem“ meldeten Schlagzeilen im Südkurier 1961 wie 1979 und noch die Pfarrchronik von Hagnau weiß 1983 von der Weihe Ziegelmüllers zum „einfachen Leutpriester“.
Den Roman von 1927 muss auch ein später Nachfahre der Familie Ziegelmüller gelesen haben. Die Geschichte des Priesters, der sich der Reformation zuwandte, erhielt neue phantastische Züge: „Seit unser Vorfahr eigene und andere Söhne gezeugt hatte, stieg er so stolz die Kanzeltreppe hoch, dass ihn seine Gemeinde fortan Eitelhans nannte. Dies wiederum stachelte ihn dazu an, den fast schon eingeschlafenen Bauernkrieg neu zu entfachen, indem er sich an die Spitze eines auf zehntausend Mann geschätzten Bauernheeres stellte... Als die Bauern ihren Pfarrer derart gerüstet reiten sahen, kam er ihnen vor wie Moses, der vom Berg herabschritt.“ Wie schon der Titel „Eitelhans der Gevierteilte“ verheißt, kommt er in der Erzählung seines Nachfahren Martin Ziegelmüller von 1998 nicht so gut davon wie im Roman von 1927. Eitelhans fällt bei der Belagerung von Ulm in die Hände der Gegner, wird gefoltert und von vier Pferden lebendig zerrissen. Zeichnet Jakob 1927 den Bauernführer als positive Gestalt gegenüber dem bösartigen Treiben der Herrschenden, so bleibt Eitelhans in der Erinnerung seiner Familie eine klägliche, keine sympathische Gestalt, die ihren Untergang in grotesker Selbstüberschätzung herbeiführt.
Andere neuere Autoren halten sich mehr an die historischen Quellen, sie lassen die Biographie beiseite, beschränken sich auf die Rolle Ziegelmüllers als Führer der Aufständischen und fällen, mit ganz anderer Begründung, wieder negative Urteile. In Horatius Häberles Roman „Kopf und Arm“ 1976 tritt Ziegelmüller erst in der Konfrontation vor Weingarten auf, wo er als großer Stratege agiert, dann aber bei den Verhandlungen mit dem gegnerischen Feldherrn, Truchseß Georg von Waldburg, kläglich versagt. In Martin Walsers „Seelenarbeit“ von 1979 kommt Ziegelmüller noch schlechter weg: „Es ist missglückt. Aber wie, wie bloß, wenn es doch nicht hat missglücken können, wenn es so gut gestanden ist wie noch nie zuvor und wie nie mehr danach? [...] Aber der Ziegelmüller aus Bermatingen und der Hurlewagen aus Lindau, das waren die Lumpen. Dass der Ziegelmüller stolz darauf war, mit dem Abt von Salem Mittag zu essen [...] ist aufgeschrieben.“
Es ist die gleiche Person, Eitelhans Ziegelmüller, den uns die Romanautoren vorstellen, in unterschiedlicher Beleuchtung, der untadelige Kämpfer für Gerechtigkeit, den seine Unterführer im Stich lassen, im Roman von 1927, der geltungssüchtige Verlierer in der Erzählung von 1998, der feige Verräter in neuerer ernsthafterer Literatur. Wenden wir uns stattdessen den zeitgenössischen Quellen zu, die das Terrain abstecken und begrenzen, was wir über einen Menschen wissen können, der vor 500 Jahren gelebt hat.