Elmar L. Kuhn

Die schwäbische Provinz des Paulinerordens ...


Das Kloster als Wirtschaftsunternehmen

Um seine Mitglieder ernähren und seine Aufgaben erfüllen zu können, musste ein Kloster auch ein Wirtschaftsunternehmen sein. Betteln war den Paulinern streng untersagt206. Nach dem Brand des Klosters Tannheim 1779 aber sandte der Provinzial drei Patres aus, um „eine für bevorstehenden Bau mildherzige Beisteuer einzusammeln“, die dann in Oberschwaben, in der benachbarten Schweiz, im Hochstift Augsburg und in Bayern 400 fl. erbrachte207. Das blieb eine Ausnahme. Die vortridentinischen Konstitutionen gingen noch davon aus, dass die Pauliner „corporalem sustentationem laboribus manuum suorum“ bestreiten mussten208. In den schwäbischen Klöstern der frühen Neuzeit haben nur noch die Laienbrüder Handarbeit geleistet. In der feudalen Gesellschaft lebten die Klöster im wesentlichen von durch Dienstboten versehener agrarischer Eigenwirtschaft, von Abgaben und ggf. von Kapitalzinsen. Nachdem seit dem 17. Jahrhundert die „stabilitas“ aufgegeben, damit die soziale Integration der Konvente massiv geschwächt worden war, und die spirituelle Kohärenz als geistliche Gemeinschaft immer labil blieb, bildete die „Systemintegration“ der strikt getrennten Ökonomien das eigentliche Substrat für die Persistenz der Klöster209.

Ich stelle kurz die Gründungsausstattungen vor und vergleiche dann die in den südwestdeutschen Archiven gut dokumentierten wirtschaftlichen Verhältnisse vor der Aufhebung. Die Gründungsausstattung der frühen Klostergründungen war sehr bescheiden, überstieg kaum die Bedürfnisse eines Eremiten bzw. einer kleinen Eremitengemeinschaft:

  • Tannheim 1353: Haus, Hofstatt und vier Jauchert Holz und Feld im Walde Scharta210,

  • Rohrhalden 1348/1358: Hofstatt und ein Morgen Holz211,

  • Argenhardt 1359: Hofstatt mit Kapelle, Wiese, Zehnt um 40 Pfund Pfennig, Hof zu Rappertsweiler212,

  • Grünwald 1360: Hofstatt zu der Wilden Habe, 10 Jauchert Holz und Feld213.

Das sah bei den späteren Gründungen wesentlich anders aus. Rudolf von Wolfurt mit Frau und Sohn übergaben 1402 dem Orden die Kirche in Bonndorf mit allem Zubehör, das aber nicht spezifiziert wurde214. Graf Heinrich von Montfort führte 1405 in der Urkunde für das Kloster Langnau zwar auch nur pauschal „das Gotteshaus zu Langnau ... und dazu die Pfarrkirche zu Hiltensweiler“ samt Zubehör als Stiftungsgut auf, aber eine Beschreibung von 1393 zählte 80 Güter in 40 Ortschaften als zu Langnau gehörige Lehen auf215. Langnau erhielt mit der kleinen Grundherrschaft der vorigen Benediktinerpropstei die ansehnlichste materielle Ausstattung aller schwäbischen Paulinerklöster.

Ich kann hier nicht die weitere wirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Ordenshäuser mit ihren Schenkungen, Käufen, Täuschen und Verlusten nachzeichnen, sondern beschränke mich auf den Vergleich der Wirtschaftskraft bei oder vor der Aufhebung. Die Schätzungen in den nach den Aufhebungen der Klöster Langnau und Rohrhalden 1786 angelegten Inventaren ergaben folgende Werte216:

Klösterinventare

Aktiva

Langnau

Rohrhalden

Bargeld

79

96

Aktivkapital

8.239

2.650

Ausstände

1.929

160

Pretiosen

0

-1.094

Immobilien

33.280

58.948

davon



- Kloster

2.850

0

- eigeneHöfe

21.649

4.400

- Säge,Schmiede,Gerbe,Mühle

2.642

0

- Ziegelhütte,Hofstättlein

0

1.220

- Äcker

0

27.213

- Gärten

130

730

- Wiesen

675

7.125

- Reben

1.934

1.100

- Wald

3.401

17.160

Lehengüter

38.384

0

Gülten

973

6.592

Zehnten

9.142

14.280

Weiher

8.500

0

Vieh

2.285

834

Vorräte

10.331

1.979

davon



- Wein

6.355

835

- Korn

1.477

1.144

Feldgeräte

470

0

Mobiliar

1.943

-1.537

Zusammen

115.555

87.076

Passiva

23.843

5.883

Nettovermögen

91.712

81.193

Wenn auch die Aufhebungskommissare etwas unterschiedliche Maßstäbe angelegt haben mögen und die Bodenpreise am Neckar höher lagen als am Bodensee, so ermöglichen die Inventare doch einen Vergleich. In den Fällen, da die realen Verkaufserlöse dokumentiert sind, lagen sie meist nicht weit von den Schätzpreisen, für Immobilien und Mobiliar wurde eher ein höherer, bei den Abgaben eher ein geringerer Erlös erzielt217.

Die Landwirtschaft bildete fast ausschließlich die Existenzgrundlage der Klöster. Nach den rechtlichen Kategorien dominierte in Rohrhalden die Eigenwirtschaft, während in Langnau seit der Gründung die Rentengrundherrschaft eine ebenso wichtige Rolle spielte. Doch von den fünf als Eigenwirtschaft deklarierten Langnauer Höfen waren zwei, von den zwei Rohrhaldener Höfen beide als Lehen ausgegeben und von den Rohrhaldener Einzelgrundstücken viele in Zeitpacht verliehen. Besonderheiten hatte Rohrhalden mit seinem kurz vor der Aufhebung um 2.500 fl., der Hälfte der Baukosten, verkauften und im Inventar nicht mehr aufgeführten Rottenburger Stadthof, und Langnau mit seiner Weiherwirtschaft zu bieten. Der 1489 erworbene, an verschiedenen Standorten, zuletzt 1736 neben dem Jesuitenkolleg neu erbaute Rohrhaldener Hof, diente weniger der Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte, als „pro divertione“218 der Patres und zur Erzielung von Mieteinnahmen, lohnte sich aber wegen des hohen Erhaltungsaufwandes nie recht. Dieses dreiflügelige stattliche Gebäude heute neben dem bischöflichen Ordinariat in Rottenburg ist das einzige vollständig erhaltene Gebäude der Pauliner in Deutschland219.

Leider verfügen wir aus den letzten Jahren der beiden Klöster über keine zuverlässigen Jahresrechnungen. Eine „Bilanz“ von 1788 berechnete die Jahreseinkommen von Rohrhalden auf 1.531 fl., was sicher viel zu niedrig lag220. Allein an Zehnten nahmen jährlich Langnau 659 fl., Rohrhalden 650 fl. und an Gülten Langnau 1.617 fl., Rohrhalden 227 fl. ein. Dem General wurden bei seinen Visitationen folgende Beträge mitgeteilt, deren Wert deutlich höher zu beziffern ist als Ende des Jahrhunderts221:

Einnahmen und Ausgaben nach Angaben der Klöster


1718

Einnahmen

1721

Einnahmen

1757

Einnahmen

1718

Ausgaben

Langnau

3.109

3.137

5.109

2.058

Rohrhalden

1.747

1.974

3.169

1.641

Bonndorf

2.027

4.602

3.093

1.313

Grünwald

1.554

1.293

1.482

1.154

Tannheim

1.386

1.041

1.079

1.256

Zusammen

9.823

12.042

13.932

7.422

Nach dem Rechnungsbuch des Klosters Langnau verbuchte es zwischen 1719 und 1739 ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 3.036 fl., bei großen Schwankungen zwischen 1.557 und 5.427 fl. Aus dem Fischverkauf bezog es etwa jeweils 10 % seiner Einnahmen. Bei Ausgaben von 3.178 fl. schlossen die Jahresrechnungen mit einem durchschnittlichen Defizit von 142 fl.222 ab. Bei allen Geldangaben ist zu bedenken, daß dabei die Naturaleinkünfte, die im Kloster verzehrt wurden, nicht berücksichtigt sind. Österreich erzielte nach dem Verkauf von 40 % des geschätzten Klostervermögens von Langnau Ende des 18. Jahrhunderts immer noch ein Jahreseinkommen von ca. 4.000 fl. aus den im Langnauer Religionsfonds zusammengefaßten ehemaligen Klosterbesitz223. Zum Vergleich: Die Langnauer Landesherren bis 1780, die Grafen von Montfort, bezogen im späten 18. Jahrhundert Jahreseinkünfte von ca. 50.000 fl., oberschwäbische Reichsabteien hatten Jahreseinkommen von 100.000 bis 150.000 fl.224.

Die Vermögensverhältnisse in den drei Schwarzwaldklöstern gestalteten sich 1802 nach landesherrlichen Schätzungen folgendermaßen225:

Vermögensverhältnisse der Klöster 1802 (Schätzung)

Aktiva

Bonndorf

Grünwald

Tannheim

Bargeld

150

0

100

Aktivkapital

332

585

1.122

Ausstände

931

0

840

Immobilien

12.929

58.794

92.420

davon




- Gebäude

2.000

6.050

13.800

- Grundstücke

10.929

52.744

78.620

- davon Wald


11.000

49.920

Gülten

4.470

13.645

11.467

Zehnten

65.933

15.378

51.671

Vieh

1.445

970

2.039

Vorräte

2.164

0

285

Mobilien

2.428

1.021

2.540

Zusammen

90.781

97.817

100.230

Errechnete Summe

90.782

90.393

162.484

Passiva

11.479

13.417

7.882

Nettovermögen

79.302

84.400

93.348

Errechnet

79.303

76.976

154.602

Alle fünf Klöster besaßen also im späten 18. Jahrhundert ein Bruttovermögen um die 100.000 fl. mit aber je eigenen Schwerpunkten: Eigenwirtschaft und Rentengrundherrschaft in Langnau, Pachtgrundstücke und Wald in Rohrhalden, Eigenbau und Zehnten in Bonndorf, Wald, Zehnten und Pachtland (das als Eigengut erfaßt wurde) in Grünwald und Tannheim. Im Zuge der Versuche, die v.a. durch die Revolutionskriege geschädigten Klöster wieder zu sanieren, wurden genaue Einkommens- und Ausgabenberechnungen vorgenommen226:

Einkommens- und Ausgabenberechnungen

Einnahmen

Bonndorf 1802

Grünwald 1802

Tannheim 1802

Tannheim 1789-95

Kapitalzinsen

14

29

50

52

Gülten

28

369

344

85

Zehnten

155

461

1.489

503

Naturalienverkauf

2.763

1.252

400

1.019

Pfarreinkommen

743




Sonstiges

342

21


75

Zusammen

4.045

2.173

2.282

1.733

Ausgaben

5.537

3.242


2.046

Davon Schuldzinsen

387

639


319

Diese Werte sind sehr mit Vorsicht zu interpretieren, da Einnahmen und Ausgaben von Jahr zu Jahr stark schwankten. Für Tannheim liegen Angaben für eine weitere längere Jahresreihe vor, wonach die Einnahmen im Durchschnitt der Jahre 1781 bis 1795 etwa 1.700 fl. betrugen227. Klärungsbedürftig ist, warum bei etwa gleichem Vermögen aller fünf Klöster sich die Einkommen derart unterschieden. In allen drei Schwarzwaldklöstern überstiegen um 1800 die Ausgaben die Einnahmen. In den Gutachten werden als Gründe Kriegslasten, hohe Kontributionen, aber auch „üble Wirtschaft“ genannt. Die Kriegskosten von 1793 - 1801 wurden in Grünwald auf 13.417, für Tannheim auf 10.267 fl. berechnet. Ohne sie hätten die Klöster einen Einkommensüberschuss verbuchen können. St. Blasien glaubte, dass man die Bonndorfer Ausgaben auf jährlich 2.125 fl. senken könnte, wenn man die Eigenwirtschaft aufgäbe und den Klosterhof verleihe, für Wein und Bier nur noch 440 statt 2.000 fl. ausgäbe, die Kosten für Handwerker und Zehrungen von 800 auf 200 fl. reduzierte und die Kriegskosten wegfielen228.

Unfähigkeit oder Unwillen zu ordentlicher Wirtschaft belegen der „ganz falsche Calcül“ der Vermögensschätzungen des Provinzials 1801229. P. Winter bezog in seine Berechnungen des Aktiv-Standes nur die Erträge eines Jahres und nicht ihren Kapitalwert mit ein und kam so zu viel zu niedrigen Werten. Geistliche und weltliche Fähigkeiten waren oft nicht in derselben Person vereint. Der Rohrhaldener Prior sei „ein frommer, einfältiger Priester und der weltlichen Sachen nit zum besten“ bewandert, klagten die Rottenburger Amtleute 1581230, und der bischöfliche Visitator urteilte 1802 über den vormaligen Bonndorfer Prior: „Als Prior führte er die nachlässigste Haushaltung, kann also zur Ökonomie niemals verwendet werden“231. Der allerdings voreingenommene fürstenbergische Hofrat sah in der Ordensverfassung den Grund für die schlechte Wirtschaft: Der „Vorsteher eines Klosters (müsse) von drei Jahren zu drei Jahren abgeändert werden ..., und was also ein der Hauswirtschaft besser kundiger Vorsteher aufbaue oder Gutes mache, reiße sein Nachfolger entweder aus Unwissenheit oder aus Verschwendung wieder nieder“232.

Fast in allen erhaltenen Visitationsberichten des 18. Jahrhunderts monierten die Visitatoren die schlechte Rechnungs- und Registraturführung. Bei ihren Versuchen, Vermögen und Erträge der Klöster 1802 realistisch einzuschätzen, vermissten die Kommissare immer wieder notwendige Register. Die Übersicht über die ökonomischen Verhältnisse wurde durch die ordensspezifische Rechnungsform erschwert. Die Pauliner erfassten „perceptae“ und „expensae“ nur in Form eines getrennten Kassentagebuches233. Alle drei Jahre bei der Generalvisitation wurden Einnahmen und Ausgaben gegeneinander verrechnet. Nach Sachrubriken gegliederte Jahresrechnungen wurden offensichtlich nicht angelegt. Gelegentlich regte sich wohl bei den Patres selbst die Einsicht, dass sie mit der Ökonomie überfordert seien, und deshalb erwog 1724 der Langnauer Prior, einen „Beamten, welcher die Ökonomie und andere weltliche Geschäfte besorgen möchte“, anzustellen, verzichtete aber auf Druck der gräflichen Landesherren darauf234. Ein Gesamtbudget unter Einbezug von Naturalienproduktion und -verbrauch gab es nie. So war auch eine realistische Kosten-Nutzen-Abwägung der bei allen Klöstern immer bedeutenden Eigenwirtschaft kaum möglich, die wie auch ein Teil der Naturalabgaben vor allem der Eigenversorgung diente. Die „Specifikation“ des Klosters Rohrhalden erläuterte 1764, dass von den Früchten „der meiste Teil zur Unterhaltung des Konvents, der Dienstboten und Taglöhner, auch Bettler verwendet“ wurde. „Die Einnahmen von den Weingärten übersteigen gemeiniglich ... die angewendeten Kosten, der Ertrag der Wiesen wird in Unterhaltung des notwendigen Viehs aufgezehrt“235. Das Eigengut des Klosters Bonndorf hatte 1802 „durch den großen Viehstand und den dadurch vorhanden Dünger einen guten Ertrag; aber dieser wurde durch die Kost und Löhne des Gesindes, durch den Unterhalt der Pferde und Zugochsen, durch die sehr beträchtlichen Ausgaben für Handwerker, in den letzten Jahrzehnten aber hauptsächlich durch die Steuern, Kriegskosten und Beschwerden ganz und gar verschlungen“236.

Das ordensinterne Kontrollsystem funktionierte nur leidlich, immer wieder mussten die Landesherren eingreifen. Eigentlich hatte der Prokurator monatlich dem Prior Rechnung zu legen. Der Provinzial kontrollierte die Prioren bei seinen jährlichen Visitationen und erließ beispielsweise für Rohrhalden 1582 eine detaillierte „Instruktion und Ordnung“ für die Wirtschaftsführung237. Der Generalvisitator überprüfte die Rechnungen alle drei Jahre und das Generaldefinitorium hatte größere Vermögensveränderungen zu genehmigen. So stimmte es 1687 dem Verkauf von Weinzehnten im Breisgau durch das Kloster Tannheim zu, lehnte aber 1696 die Veräußerung von entlegenen Gütern durch das Kloster Langnau ab, solange keine geeigneten Tauschgüter dafür erworben werden konnten238.

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