1328 hatte Papst Johannes XXII. die Pauliner unter päpstlichen Schutz genommen, 1371 anerkannte sie Papst Gregor XI. förmlich als „ordo canonicus“, 1377 eximierte er sie von der bischöflichen Jurisdiktion und unterstellte sie unmittelbar dem Hl. Stuhl12. Fortan suchten die schwäbischen Pauliner zwischen dem Druck des nahen, aber formell nicht zuständigen Konstanzer Diözesanbischofs und den schwachen Kontroll- wie auch Schutzmöglichkeiten des fernen Ordensgenerals zu lavieren. 1601 konnte der Provinzial trotz des Hinweises auf die Exemtion die Visitation des Klosters Rohrhalden durch einen bischöflichen Kommissar nicht verhindern13. Die Bestimmung des Tridentiner Konzils, dass von Ordensgeistlichen versehene Pfarrseelsorge der bischöflichen Kontrolle unterliege, schuf dauernde Reibungsflächen14. Dabei hatte sich die Interessenlage in der Provinz im 18. Jh. eigentlich geändert. Im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jh. war die Verbindung zur Ordensleitung immer wieder für längere Zeit abgerissen. Die Türkenkriege und das Vordringen der Reformation brachten den Orden in Ungarn in eine sehr desolate Lage15, die meisten Klöster wurden zerstört oder aufgehoben. Im 30jährigen Krieg drohte den deutschen Klöstern der Ruin. Damals galt sogar „durch schwedische kurz vorher gehende schädliche Kriegsempörungen und andere Unglücke ... (die) Provinz (als) erloschen und (konnte) wegen zugefügtem armseligen Stand nicht leicht mehr taugliche Leute haben“16.
Als sich der Orden im 17. Jh. wieder konsolidierte, die neuen Konstitutionen ab 1644 die Ordensverfassung reformiert und straffer gestaltet hatten und von Jesuiten in Rom geschulte Generäle „veterem disciplinam“17 durchzusetzen versuchten, wollte die schwäbische Provinz ihr Eigenleben nicht aufgeben. Mehrfach bemühte man sich im 18. Jh. um eine Trennung von der Ordensleitung und eine Unterstellung unter den Bischof von Konstanz18. Als Gründe wurden die hohen Kosten für die Generalvisitationen und den Besuch der Generalkapitel, die fehlende Unterstützung durch den General bei Konflikten der Klöster mit ihren Landesherren und das geringe Verständnis der Ordensleitung für schwäbische Eigengebräuche und Abweichungen von der „uniformitas“ genannt. 1730 befürchtete das Generaldefinitorium, die Provinz wolle sich den Prämonstratensern anschließen, was der Provinzial aber heftig bestritt19. 1732 gewährte der Generalauditor der Luzerner päpstlichen Nuntiatur bei einer apostolischen Visitation der Provinz zwar mehrere Dispense zum Unmut der Ordensleitung, stimmte aber der beantragten Trennung vom Orden nicht zu20. Bei einem zweiten Versuch 1760 konnte der Ordensgeneral die Separation nur durch eine Blitzreise nach Schwaben verhindern, bei der es ihm zum Ärger des Konstanzer Bischofs gelang, die Mönche zur Rücknahme ihres vom Provinzial mit allen Mitteln vertretenen Antrages zu bewegen21. 1781 brachen wieder Konflikte mit der Leitung auf, wurden aber angesichts der Bedrohung durch die ersten josephinischen Klosterdekrete beigelegt22. 1786 befahl Kaiser Joseph II. die Aufhebung des Paulinerordens in Österreich, damit auch der Ordensleitung in Ungarn, und der beiden größeren schwäbischen Klöster Langnau und Rohrhalden. Nun der Not gehorchend, unterstellten sich die drei übrigen kleinen schwäbischen Klöster dem Bischof, die Kurie stimmte 1787 zu23.
Die Einheit des Ordens sollte durch die Konstitutionen24, die Generalkapitel, die Ordensleitung und die Generalvisitationen gesichert werden. Die Generalkapitel fanden nach den vortridentinischen Konstitutionen jährlich statt, mußten aber von den außerungarischen Provinzen nur alle Schaltjahre besucht werden. Nach den Konstitutionen von 1644 wurden sie alle drei Jahre auf die Pfingstvigil nach Ungarn, im 17. und 18. Jahrhundert in der Regel nach Maria Thal einberufen25. Beim Generalkapitel wurde die Amtsführung der Leitung überprüft, wurden die Funktionsträger gewählt, General, Vizegeneral, Definitoren und Generalprokurator, erstatteten Provinziale und „discreti“ der Provinzen Bericht und konnten „postulata“ vortragen, über die das Definitorium entschied. Real galt nur jedes zweite Kapitel als Wahlkapitel, dazwischen fand das weniger wichtige „capitulum generale intermedium“ statt. Laut Konstitutionen hatte jede Provinz den Provinzial, seinen Sekretär und den im Provinzkapitel gewählten „discretus provinciae“ zum Generalkapitel zu entsenden. Um diese Pflicht suchte sich die Provinz häufig zu drücken und bat unter Hinweis auf Kosten, Kriegsläufe oder Pest um Befreiung, blieb auch oft fern, wenn die Dispens verweigert wurde. 1739 wurden die Schwaben ermahnt, wie andere Provinzen ihren Provinzial, den Sekretär und zwei „discreti“ zum Kapitel zu entsenden26, ohne Erfolg. Nach einer Aufstellung der Ordensleitung anläßlich der Trennungsversuche von 1760 entsandte die Provinz von den 20 Wahlkapiteln zwischen 1640 und 1757 zu zwei Kapiteln drei Patres, zu acht zwei, zu fünf einen, bei dreien beauftragte sie einen „ablegatus“ aus Ungarn und bei zweien glänzte sie durch Abwesenheit. Bei den neunzehn Zwischenkapiteln sieht die Bilanz noch schlechter aus. Zu dreien reisten zwei Patres, bei fünf vertraten sie wieder „ablegati“ aus Ungarn und zu elf erschien niemand aus Schwaben. Ärgerlich stellte der Generalprior fest, daß die „patres Suevici“ bei den Generalkapiteln häufiger fehlten als anwesend seien, “non sine gravi murmure ... aliarum provinciarum“, die in Relation zur Zahl ihrer Konventualen über geringere Einkünfte verfügten und wie Polen und Istrien kaum weniger entfernt von Ungarn lägen als Schwaben27.
Die Berichte über den Status der Provinz im Generalkapitel fielen meist mager aus: „proviniciam in spiritualibus bene consistere“, aber „in temporalibus sat miserum esse provinciae statum“28. Der mit der Vertretung der Provinz beauftragte „ablegatus“, häufig der Prior von Maria Thal, mußte bisweilen vor dem Kapitel bekennen, man habe ihm keinerlei Information über die Provinz zukommen lassen. Im 17. und Anfang des 18. Jh. nutzte die Provinz meist die Möglichkeit, dem Kapitel umfangreiche „postulata“ vorzutragen. Sie forderte Texte der Ordensprivilegien an, bat um die Interpretation von Bestimmungen der Konstitutionen, erhoffte die Reduktion von Pflichten, etwa des Fastens, des Chorgebets oder von Jahrtagen, holte die Zustimmung zu Verkäufen ein. Immer wiederkehrende Probleme waren das Chorgebet um Mitternacht, die Kumulation der Ämter des Provinzials und Priors, die hohen Kosten für die Generalkapitel und -visitationen sowie die Bitte um Unterhaltszuschüsse der anderen Provinzen für schwäbische Studenten an Hochschulen in Österreich, Böhmen, Ungarn und Kroatien. Vom Generaldefinitorium meist abschlägig beschieden, wurde ein Teil der Wünsche durch das Indult des apostolischen Visitators von 1732 erfüllt. In der Folgezeit verzichtete die Provinz fast ganz auf Anträge an das Kapitel und beließ es bei wiederkehrenden Hinweisen auf das Kostenproblem.
Angesichts der schwachen Vertretung bei den Generalkapiteln verwundert es kaum, daß nur wenige Angehörige der schwäbischen Provinz in Leitungsämter des Ordens aufstiegen. Nach Nicolaus Teutonicus (1331 - 1336 und 1341 – 1345)29 wurde nur noch Rudolf Bihel (Biel) 1628 zum Generalprior gewählt30. Er hatte im Collegium Germanico-Hungaricum in Rom studiert, die Klöster Grünwald und Rohrhalden als Prior geleitet und 19 Jahre als Provinzial in Schwaben gewirkt. Als General förderte er besonders den gregorianischen Choralgesang und die Studien, starb aber bereits Ende 1629. Ladislaus Himmer wurde während seines Studiums in Rom 1733 - 1737 vom Generalprokurator als „socius“ eingesetzt. 1745 schlug die Provinz Dr. Gregor Luzan dem Generalkapitel als Kandidat für das Amt des Generalprokurators vor, ohne Erfolg, da die Provinz nur einen „ablegatus“ beauftragt hatte. Als Luzan 1751 als „discretus“ zusammen mit dem Provinzial Klemens Endres und dessen Sekretär Michael Eisele auf dem Generalkapitel erschien, wurde er mehrheitlich zum Generalprokurator gewählt, „welches in hominum et actorum memoria nit gefunden“, und sofort für drei Jahre nach Rom entsandt. Angesichts ihres seltenen persönlichen Erscheinens haben die Schwaben offenbar überrascht: „dass unsere Delegation mit solch geistreichen und gelehrten Männern dieser Generalversammlung beigewohnt, hat uns bei den anderen Provinzen nit eine geringe Affektion und Hochachtung zuwegen gebracht“31. Gerade Luzan, der als einziger schwäbischer Professe im 18. Jahrhundert ein höheres Ordensamt begleitet hat, betrieb dann als Provinzial die Trennung vom Orden. Er nahm offenbar übel, dass er nach seiner Rückkehr von Rom nicht ins Generaldefinitorium berufen wurde. Von den vier Generaldefinitoren stellte je einen die ungarische, die polnische, die kroatische und die deutsche „Nation“. 1733 bat die schwäbische Provinz, den deutschen Definitorensitz jeweils abwechselnd von der österreichischen und schwäbischen Provinz besetzen zu lassen. Das lehnte das Generaldefinitorium als Einschränkung des freien Stimmrechts ab32. Aufgrund ihrer schwachen Repräsentanz im Kapitel erhielt nie ein schwäbischer Professe einen Sitz im Generaldefinitorium.
Etwas besser als die Teilnahme der Provinz an der Ordensregierung scheint die Kontrolle der Provinz durch die Generalvisitationen funktioniert zu haben. Aufgabe des Visitators war es, daß er „fratrum culpas ... corrigat, ... ad debitum vivendi modum, ac maiorem devotionem fratres redigat, nec ullo modo patiatur in aliquo conventu ... communes ceremonias & sanctas institutiones a quoquam negligi“33. Bereits um 1368 nach der ersten Gründungswelle der schwäbischen Klöster sollen „visitatores ad Allemaniam“ entsandt worden sein34. Um 1520 reiste der Visitator Johannes „in Germaniam“35. 1595 kündigte der Ordensgeneral wieder eine Visitation an, „nachdem lange Jahre her die Provinzen des Reichs Kriegs und anderer Ursachen halber ... nicht visitiert worden“36. Nun setzten die Visitationen wieder ein, zunächst noch in größeren Abständen, vor allem im 30jährigen Krieg, aber ab 1683 bis 1781 mit wenigen Ausnahmen im regelmäßigen Turnus von drei Jahren37. Fast immer bat die Provinz, wegen der Kosten in Höhe von durchschnittlich 500 Gulden von einer Visitation durch einen auswärtigen Kommissar abzusehen und einen Visitator aus der eigenen Provinz zu bestellen. In etwa der Hälfte der Fälle entsprachen die Generäle diesen Wünschen, auch wenn sie wussten, dass sie von einem Einheimischen kaum objektive Nachrichten erwarten konnten. 1718 reiste der General selbst zur Visitation an und fünfmal noch nahmen Nachfolger die Strapazen dieser zwei- bis dreimonatigen Reise auf sich. Im späteren 18. Jh. freuten sich die schwäbischen Mönche dann trotz der Kosten über die Besuche ihres Generals, die ihr Prestige bei den heimischen Prälaten anhoben. Die „monita“ und „ordinationes salutares“, die die Visitatoren hinterließen, betrafen meist die gleichen Sachverhalte wie die „postulata“ bei den Generalkapiteln. Dazu kamen Fragen der Ordenstracht, der Klausur, der schlechten Schrift- und Rechnungsführung. Über den Erfolg gaben sich die auswärtigen Visitatoren wenig Illusionen hin. Die Artikel würden „in paucis satis“ befolgt, immer wieder wurden die gleichen Anordnungen wiederholt. Trotz der vielfältigen Strafbestimmungen in den Konstitutionen wurden im späten 17. und im 18. Jh. nie Strafen gegen Amtsträger der Provinz verhängt, mit Ausnahme der verweigerten Bestätigung der Wahl des Provinzials 1733, der dennoch sein Amt ungestört wahrnahm. Reisten zu den vierzig Visitationen des 17. und 18. Jh. neunzehnmal Visitatoren aus anderen Provinzen an, so sind bislang keine schwäbischen Visitatoren in anderen Provinzen bekannt.
Im Durchschnitt kostete die Provinz in der ersten Hälfte des 18. Jh. ihre Verbindung zur Ordensleitung in sechs Jahren zusammen etwa 1700 Gulden. Die Reise zum Generalkapitel kostete etwa 500 Gulden, eine Generalvisitation etwa den gleichen Betrag, dazu fielen an Taxen zum Unterhalt des Generals und des Generalprokurators etwa 600 Gulden an, Nebenkosten, insbesondere für Postgebühren, betrugen 150 Gulden. Bei einem angeblichen Jahreseinkommen der schwäbischen Klöster von ca. 14.000 Gulden waren jährliche Aufwendungen von ca. 300 Gulden für den Ordensverband keine unzumutbare Summe38.
Auch außerhalb der institutionellen Kanäle gab es personelle Kontakte mit den östlich gelegenen Provinzen. Gregor Gyöngyösi hob einige Deutsche hervor, die ab 1500 in ungarnischen Klöstern gewirkt haben, den Organisten Servatius, den Orgelbauer und Organisten Johannes, der auch „prior in Alemania“ gewesen sein soll, und „Joannes Alemannus scriptor ... qui elegantes libros in ordine in multis monasteriis ... scripsit“39. Im Dreißigjährigen Krieg flüchteten Mönche aus Schwaben in vom Krieg verschonte Klöster im Osten. Vier verstarben dort, darunter der Prior von Tannheim. Im 17. und frühen 18. Jh. weilten immer einige schwäbische Studenten auf der Universität Prag und in Studienhäusern der anderen Provinzen40. Einer legte dort auch die Profess ab, mindestens acht feierten dort ihre Primiz, u. a. in Maria Thal, Lepoglava und Remete. Einige schwäbische Professen verblieben längere Zeit oder auf Dauer in ostmitteleuropäischen Konventen. Martin Locher lehrte als Professor in Lepoglava41. In die Gegenrichtung von Ost nach West bewegten sich nur wenige Pauliner. Sebastian Lintsching wurde 1710 in „Hulneck in Transylvania“42 geboren. Er kehrte 1757-63 als Feldpater eines Regiments dorthin zurück und wirkte dann lange Jahre als Prior von Langnau und Provinzial. Nach Langnau wechselte auch der Laienbruder und Tischler Joseph Pflaum über, der 1765 in ein ungarisches Kloster eingetreten war43. Im Kloster Rohrhalden starb 1757 P. Martin Findenschaz, der aus Tschenstochau gekommen war44. In kritischen Situationen im und nach dem Dreißigjährigen Krieg entsandte der Orden zweimal aus Österreich und Ungarn Amtsträger nach Schwaben, um dort Ämter des Provinzials und eines Priors zu übernehmen: 1632 den Generaldefinitor und Prior von Wiener Neustadt Petrus Fischer und 1651 den aus dem Elsaß gebürtigen Philosophie-Professor aus Olmütz Cyprian Hochberger45, um in diesen unruhigen Zeiten die Provinz zu stabilisieren.
Wenn man die Besuche der Generalkapitel, die Generalvisitationen, die Studienaufenthalte im Osten und sonstigen Kontakten zusammen bedenkt, so waren die Verbindungen der schwäbischen Pauliner mit ihren Mitbrüdern und Ordensoberen im Osten vielfältiger als vermutet. Kenntnis und Vorbild der zahlreicheren und reicheren Paulinerklöster mit ihren größeren Konventen dort mögen dem Selbstbewusstsein der hiesigen Mönche in ihren kleineren und dürftiger ausgestatteten Konventen bisweilen gut getan haben. Doch lehnte man die zentralistisch erzwungene Gleichförmigkeit des Ordenslebens ab. Ein aus der Sicht der Ordensleitung wie der Provinz ausgewogenes Verhältnis von Integration in den Ordensverband und begrenzter Autonomie der Provinz gelang nicht; als mit der Reform die Zügel angezogen wurden, regten sich Separationsbestrebungen. Als im späten 18. Jh. in einer neuen Reformwelle in jeder Provinz ein Kloster strenger Observanz eingerichtet werden sollte, sahen die Schwaben zunächst keinen Bedarf. Auch wenn man sich 1775 dem Befehl des Generals beugte und Rohrhalden benannte, hatte das keinerlei konkrete Folgen46.