Elmar L. Kuhn

Luftschiffbau - Friedrichshafen - 1920er Jahre


Die Jahre der Weimarer Republik

Als die militärische Niederlage absehbar war, reagierte der Konzern mit Massenentlassungen. Die meisten Entlassenen kehrten an ihre Heimatorte zurück. Anfang 1919 war die Arbeiterzahl in der Stadt auf ein Viertel, etwa 2.500 zurückgegangen. Die Friedrichshafener Firmen standen nach dem Kriegsende nicht nur vor dem Problem, ihre Produktion auf den sehr viel geringeren Friedensbedarf umzustellen. Die Siegermächte des Weltkriegs verboten 1920 bis 1922 auch den Bau von Luftfahrzeugen fast völlig und ließen ihn bis 1926 nur in engen Grenzen für zivile Zwecke zu. Da Deutschland keine Luftstreitkräfte unterhalten durfte, fiel das Reich auch als Abnehmer von Militärflugzeugen aus, bis es das Verbot illegal unterlief. Das Bauverbot galt zwar für Deutschland, nicht aber generell für Deutsche, so dass der Ausweg einer Produktionsverlagerung ins Ausland offen blieb.

Dem „Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH“ gelang die Umstellung auf die Friedenswirtschaft nicht. „Die Leitung des Flugzeugbaues, welche die Zeichen der Zeit verkannte, ... wollte nicht ans Kriegsende glauben“. Die unbeschäftigten Arbeitermassen „zehrten einen guten Teil der Kriegsgewinne des Flugzeugbaues auf“ (Colsman 1933, S. 208). Es wurden zwar noch einige Seeflugzeuge an neutrale Länder geliefert und einige Großkampfflugzeuge zu Verkehrsflugzeugen umgebaut, aber das Bauverbot durch den Versailler Vertrag bedeutete dann das Ende des FF, der nicht wie Dornier versuchte, die Produktion im Ausland fortzuführen. 1921 wurde unter führender Beteiligung des Grafen Brandenstein-Zeppelin die „Maschinen- und Schiffbau GmbH“ gegründet, die in den Manzeller Hallen ein neues Produktionsprogramm, Herstellung und Verkauf von „Maschinen, und insbesondere landwirtschaftlichen Maschinen, Booten“ etc. aufnahm (Amtsgericht Tettnang, Gewerberegister, Vertrag 18. Juli 1921). Gefertigt wurden vor allem zusammen mit der Firma Grundler in Binningen-Basel Motorbodenfräsen und Beregnungsanlagen. Aber im Inflationsjahr 1923 musste auch diese Nachfolgefirma schließen. Als sich der italienische Castiglione-Konzern für die Werksanlage interessierte, griff der Luftschiffbau-Konzern zu und erwarb das Gelände für die Dornier-Metallbauten, die von Seemoos nun hierher übersiedelten. Die Werft des Luftschiffbaus führte mit einem Teil der Arbeiter bis März 1924 noch die von der MSB vertraglich zugesicherte Produktion von Fräsen und Beregnungsanlagen fort. Von den Geschäftsanteilen des MSB trat der LBZ im August 1923 51 % an die Dornier Metallbauten ab. In der Folge bestand die MSB nur noch als Grundstücksverwaltungsgesellschaft weiter und wurde mit den LBZ-Anteilen an den Dornier Metallbauen 1932 ganz von Claude Dornier übernommen. 1962 wurde der Firmenmantel benutzt, um nach einer Namensänderung die Dornier System GmbH zu gründen.

Auch die zum Konzern gehörenden Zeppelin-Werke Staaken GmbH mussten 1919 ihre Flugzeugproduktion einstellen, ebenso wie der dortige Luftschiffbau nicht fortgeführt werden konnte. Colsman hatte 1919 noch den Chefkonstrukteur Rohrbach mit dem Bau eines Riesen-Verkehrsflugzeugs in Staaken beauftragt, doch nach der Fertigstellung 1920 verhängten die Alliierten das Flugverbot. Rohrbach gründete dann 1922 in Kopenhagen eine eigene Flugzeugbaufirma. 1924 und 1929 wurden die großen Geländeflächen in Potsdam und Staaken verkauft, 1927 die BG-Textilwerke. Von den Berliner Firmen blieben nur die Zewas, die Zeppelin Wasserstoff- und Sauerstoffwerke Staaken und eine Aluminiumgießerei übrig. Von den drei Flugzeugfirmen im und in Verbindung mit dem Konzern war nur Dornier geblieben. Damit war aber der Konflikt zweier Unternehmensstrategien im Konzern noch nicht entschieden.

Colsman hatte immer die Strategie verfolgt, die Tochtergesellschaft möglichst selbständig zu machen. Jede Einzelfirma sollte mit einem eigenständigen Fabrikationsprogramm auf dem Markt bestehen können. Die breite Produktpalette verschiedener Einzelfirmen sollte andererseits den Konzern insgesamt im Konjunktur-auf und –ab besser absichern. Die Luftschifffahrt sollte zwar weiter betrieben werden, aber nicht auf Kosten der anderen Betriebe und unter Vermeidung größerer Risiken.

Dagegen setzten die beiden Mitglieder des Vorstands der Zeppelin-Stiftung, die Freiherren von Gemmingen und von Bassus andere Prioritäten. Nach ihrer Rückkehr aus dem Militärdienst beanspruchten sie als „Nachfolger“ des Grafen Zeppelin die „geistige Leitung seines Werkes“ und meinten als sein Vermächtnis nun dem Luftschiffbau wieder absoluten Vorrang einräumen zu müssen. Als ihre Hauptaufgabe betrachteten sie, den „noch vom Grafen Zeppelin in die Wege geleiteten und für 1916 in Aussicht genommenen ersten Flug eines Zeppelin-Luftschiffes über den Ozean seiner Verwirklichung zuzuführen“ (KA S-A 32g, undat., ca. 1919). In ihrer Zielsetzung wurden sie unterstützt von Eckener, der deshalb 1920 in den Stiftungsvorstand berufen wurde und 1924 dessen Vorsitzender nach dem Tod von Gemmingens wurde. Für den Stiftungsvorstand waren „die Tochtergesellschaften ... nur Mittel zum Zweck“ (KA S-A 31a, Dörr an Colsman, 2. Januar 1920, vgl. Eckener, nach Herzfeldt 1965, S. 12). Damit zählten sie auch „die Entwicklung des Flugzeuges nicht mehr zu (den) Aufgaben“ des Konzerns (Colsman 1933, S. 184). Mit der Berufung Eckeners statt Colsmans in den Stiftungsvorstand hatte der im Krieg allmächtig gewordene Colsman mit seiner Strategie eine erste Niederlage erlitten. Der Konflikt zwischen der Colsman-Linie, der auf Diversifikation und Marktorientierung setzte, und der Stiftungs- bzw. Eckener-Linie, die auf absolute Priorität für das Luftschiff und damit weitgehende Staatsabhängigkeit setzte, bestimmte die Unternehmenspolitik des Konzerns in den 20er Jahren.

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