Elmar L. Kuhn

Luftschiffbau - Friedrichshafen - 1920er Jahre


Die Gründerjahre vor dem 1. Weltkrieg

Etwa 30 Mann waren am Bau des ersten Luftschiffes in der Bucht von Manzell beteiligt. Nach der ersten Probefahrt waren die Mittel verbraucht, die Baufirma, die „Gesellschaft zur Förderung der Luftschifffahrt“ löste sich Ende 1900 auf. Jahrelang kämpfte Graf Zeppelin um neue Gelder für den Bau weiterer Schiff. Die erste Welle nationaler Begeisterung nach der Katastrophe von Echterdingen 1908 verschaffte dem Unternehmen eine gesicherte Basis. Mit den mehr als 6 Millionen RM (knapp 40 Millionen DM) konnte die Zeppelin-Stiftung und die Luftschiffbau Zeppelin GmbH errichtet werden. In der westlich des Riedlewalds neu errichteten Halle wuchsen die Beschäftigtenzahlen langsam, aber kontinuierlich von rund 100 auf 500 an. Nachdem in Manzell bis 1909 sechs Luftschiffe entstanden waren, konnten im neuen Werk bis zum 1. Weltkrieg 19 weitere Schiffe fertiggestellt werden. Von den insgesamt 25 vor dem Krieg gebauten Schiffen dienten 7 der Delag für den Passagierverkehr, während 15 vom Militär abgenommen wurden. Dies entsprach den Absichten des Grafen, für den immer „die militärischen Aufgaben der Luftschiffe im Vordergrund des Interesses“ standen (Colsman 1933, S. 26). Erst mit dem Einsetzen großer Militäraufträge kam der Luftschiffbau auch aus den Defiziten heraus, mit denen er bis 1912 jeweils abschloss.

Technische Probleme auf verschiedenen Stufen des Herstellungsprozesses, aber auch Marketing und soziale Überlegungen führten zur Gründung von Tochterunternehmen. Ein Konzern entstand. Da genügend leistungsfähige Motoren fehlten, wurde 1909 der Maybach Motorbau gegründet, der 1912 nach Friedrichshafen übersiedelte. In Berlin produzierten die Ballonhüllen GmbH ab 1912 dichte Stoffe für die Gaszellen, und die Zeppelin Hallenbau GmbH entwickelte und errichtete ab 1913 Luftschiff- und Fabrikationshallen. In Frankfurt hatte die Delag ihren Sitz, die unter Beteiligung deutscher Großstädte regelmäßige Passagierfahrten durchführten. Für soziale Aufgaben der Konzernbeschäftigten in Friedrichshafen war seit 1913 die Zeppelin Wohlfahrt GmbH zuständig. Später wurde Colsman, Generaldirektor des Luftschiffbaus seit 1908, vorgeworfen, er sei „zeitweise in einem Gründungstaumel befangen gewesen“. Ihm schien jedoch „die Aufteilung der Arbeitsgebiete verschiedener Gesellschaften, in denen eigene Arbeitsfreudigkeit, eigener Ehrgeiz und Erwerbssinn sich entfalten und wetteifern konnten“, zweckmäßig. Er wollte „die Tochtergesellschaften zu ihrer Sicherheit auf mehrere Beine ... stellen, d. h. nicht nur für die Lieferung der Luftschifffahrt allein einzurichten“. Sie sollten „von Wohl und Wehe der Muttergesellschaft unabhängig“ sein (Colsman 1922 nach Herzfeldt 1965, S. 11. Colsman 1933, S. 122).

Mit der Unternehmenspolitik Colsmans konnte sich der alte Graf zunehmend weniger befreunden. Nachdem manche seiner Vorstellungen an der nüchternen Kalkulation des Generaldirektors scheiterten, zog er „einen scharfen Strich zwischen sich und dem Luftschiffbau“ (Colsman 1920, S. 4). Unabhängig von der Firmenleitung bestellte er persönliche Berater. Ab 1907 sollte Theodor Kober, der schon 1892 bis 1894 für den Grafen gearbeitet hatte, ein Heissluftschiff für eine Amerika-Fahrt konstruieren. Er lenkte die Interessen des Grafen bald auf den Konkurrenten des Luftschiffs, das Flugzeug. Kober schied 1912 aus den Diensten der Zeppelin-Stiftung aus, weil ihre Mittel „weiterliegende Aufgaben mit großen Mitteln zu unterstützen nicht mehr gestatten“ (LBZA 28. Februar 19212). Kober gründete nun die „Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH“, an der sich der Graf persönlich „mit großen Betragen“ (OAB 1915, S. 588) beteiligte, die aber nicht zum Konzern gehörte. In der alten Manzeller Luftschiffhalle bauten 30 bis 40 Mann Wasserflugzeuge. Hauptabnehmer war die Marine, an die bis zum Kriegsausbruch sechs Einzelmodelle von ca. 40 Marineflugzeugen insgesamt geliefert wurden (MFA 1966, Techn. Bd., S. 142).

Hatten vorher in der Stadt an größeren Betrieben nur die Eisenbahnwerkstätte und die Lederfabrik Hüni mit zusammen ca. 350 Beschäftigten bestanden, so war mit dem Werk Zeppelins die Entwicklung der Residenz-, Fremdenverkehrs- und Handelsstadt zur Industriestadt eingeschlagen worden. Der Aufbau des Zeppelin-Konzerns führte zu einem Bevölkerungswachstum in der Stadt, zu dem es in ihrer Geschichte nur zwei kurzfristige Entsprechungen gibt, in den späten 1940er Jahren des 19. Jahrhunderts durch den Eisenbahnanschluss und 1933 bis 1939 mit der Aufrüstung. Die explosive Entwicklung der Stadt mit ihrer „Kalifornien-Stimmung“ zwischen Jahrhundertwende und dem 1. Weltkrieg lenkten die damaligen Kommunalpolitiker in Bahnen, die dann auf Jahrzehnte hinaus nur noch weiterverfolgt wurden. Die Stadtbaupläne sahen ein Straßenraster vor, dessen Füllung sich bis zu den 40er Jahren hinzog. Die Anlage der Uferstraße vor den Häusern der Altstadt und dem neuen Stadtpark öffnete die Stadt zum See. Nötige Infrastruktureinrichtungen wurden geschaffen und erweitert. Die Oberamtsbeschreibung von 1915 blickte stolz zurück: „Nur wenige Gemeinden des Landes dürfen sich mit der Entwicklung messen, die Friedrichshafen ... im letzten Jahrzehnt durchlaufen hat. Seine Einwohnerzahl ist um mehr als das Doppelte (seit 1871) gestiegen, die Steuerkraft, die Häuserzahl, die allgemeine Bautätigkeit, Handel, Verkehr und Industrie, alles hat sich machtvoll gehoben“ (S. 765).

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