Elmar L. Kuhn

Luftschiffbau - Friedrichshafen - 1920er Jahre


Der Weltkrieg

„Zeppelin ... wird in der Stunde des Kriegsausbruchs ein fanatischer Alldeutscher. Alle Fehler im Denken jener Stunde machte er mit“ (Rosenkranz 1931, S. 190). Seine Hoffnungen, dass seine Werke einen wichtigen Beitrag der Kriegsführung leisteten, erfüllten sich. Die Konzernfirmen wurden „den Anforderungen der Kriegsführung in einer ungeahnten Weise gerecht ... Die Bauzeit der Luftschiffe wurde auf ein Minimum heruntergesetzt. Das Bautempo wurde derart beschleunigt, dass schließlich alle 14 Tage ein neues Luftschiff fertiggestellt war. Dazu reichten allerdings die Anlagen in Friedrichshafen nicht aus, so dass es nötig wurde, eine neue Werft in Staaken bei Berlin ins Leben zu rufen. Während des Krieges sind von der Firma etwa 90 Luftschiffe gebaut worden“ (Dörr 1919, S. 2): in Friedrichshafen 58, in Potsdam und Staaken 28. Auch wenn ab 1917 die Luftschiffe nur noch zu Aufklärungszwecken durch die Marine eingesetzt werden konnten und die Produktionszahlen gegen Ende des Krieges stark reduziert wurden, arbeiteten im Friedrichshafener Luftschiffbau im Herbst 1918 über 3.000 Menschen. Die Ertragslage des Unternehmens hatte sich drastisch verbessert, 1916 erreichten die Kriegsgewinne die Höhe von einem Viertel des Umsatzes. „Wir haben nämlich billig gebaut und horrend teuer verkauft“ stellte der Schwiegersohn des Grafen nach dem Krieg fest (StA, Graf Brandenstein-Zeppelin an Freiherr von Gemmingen 3. 6. 1920). Schon 1915 hatte der Graf eine Million RM für seine Entwicklungskosten erstattet bekommen. Im gleichen Jahr erwarb der Konzern das große Luftschiffgelände in Friedrichshafen von der Stadt und kaufte in großem Umfang Grund und Boden in Staaken bei Berlin für die neue Werft. In ähnliche Größendimensionen in den Beschäftigtenzahlen wuchs der Maybach Motorenbau hinein, der nicht nur für die Luftschiffe, sondern zunehmend auch für Flugzeugwerke Motoren produzierte. Als neue Tochterfirma in Friedrichshafen entstand noch 1916 die Zahnradfabrik Friedrichshafen GmbH, die Getriebe für Luftschiff- und Flugzeugmotoren mit zuletzt über 500 Arbeitskräften herstellte, aber wegen ihrer langjährigen Entwicklungsarbeiten bis in die Nachkriegszeit hinein in den roten Zahlen blieb.

Die Interessen des Grafen Zeppelin hatten sich in den Kriegsjahren ganz von den Luftschiffen auf die Flugzeuge verlagert. „Was aus dem LZ wird, ist mir gänzlich gleichgültig“, äußerte der Graf zu Dornier und Maybach (Colsman 1920, S. 5). Im Luftschiffbau wurde nur der Schein aufrecht erhalten, dass er der tatsächliche Leiter der Geschäfte sei (Coslman, nach Swientek, 1965, S. 122). Der Flugzeugbau Friedrichshafen, an dem er beteiligt war, wurde zum dritten Großbetrieb in Friedrichshafen mit über 3.000 Beschäftigten. 1917 entstand ein Zweigwerk in Warnemünde. In beiden Werken wurden 40 % der Marineflugzeuge im 1. Weltkrieg, aber auch „Landbomber in großer Anzahl“ hergestellt (Lange 1986, S. 54). Auf Drängen des Grafen kam es bald nach Kriegsausbruch auch innerhalb des Konzerns zur Bildung einer Flugzeugbaufirma. Die Zeppelin-Werke Staaken GmbH (seit 1916 bei der dortigen Luftschiffwerft, vorher 1914 bis 1916 in Gotha) bauten Riesenflugzeuge, von denen Bomben mit großer Sprengwirkung abgeworfen wurden. Auch wenn nur etwa 50 Flugzeuge fertiggestellt wurden, sollen die „R-Flugzeuge ... gegen Kriegsende weit mehr als Luftschiffe im Feindesland der Schrecken der Nächte geworden“ sein (Colsman 1933, S. 177). Zuletzt arbeiteten in diesem Flugzeugwerk über 1.600 Mitarbeiter. Das letzte Foto des Grafen vor seinem Tod 1917 zeigte ihn beim Besuch dieses Werkes in Staaken. Gleichzeitig mit dem Beginn des R-Flugzeugbaus erhielt Dornier von Zeppelin den Auftrag, ein großes Wasserflugzeug für den Bombenabwurf zu bauen. Bis Kriegsende kam diese Firma mit ihren 200 Beschäftigten in Seemoos und Lindau-Reutin über einige Prototypen jedoch nicht hinaus.

In den Kriegsjahren war aus dem Unternehmen ein Großkonzern geworden, mit zuletzt knapp 12.000 Beschäftigten insgesamt, davon etwa 8.000 in und um Friedrichshafen. Dazu beschäftigte der Flugzeugbau Friedrichshafen nochmals 3.000 bis 4.000 Arbeiter. Neben dem Luftschiffbau hat sich der Flugzeugbau zum ebenso wichtigen Arbeitsfeld entwickelt, besonders aber die Zulieferfirmen Motorenbau und ZF. Damit gewannen die Tochterfirmen an Selbständigkeit gegenüber der Mutterfirma. Das entsprach auch den Absichten Colsmans, der nach dem Tod Zeppelins zum unumschränkten Herrscher im Konzern aufgestiegen war, da die beiden Mitglieder des Stiftungs-Vorstandes, die Freiherren von Bassus und von Gemmingen ebenso wie der Delag-Direktor Eckener militärisch eingesetzt waren.

Die riesig gewachsenen Arbeiterzahlen stellen diese, das Unternehmen und die Stadt vor große Versorgungsprobleme. Am dringlichsten war die Wohnungsnot. Die Stadt konnte nichts tun: „Die große Wohnungsnot ist eine Folge der durch die ungemein kräftige Entwicklung der hiesigen Kriegsindustrie hervorgerufenen, abnorm großen Zunahme der Einwohnerzahl, der zu steuern weder Private noch Gemeinden in der Lage sind, weil das Bauen bekanntlich von der Militärbehörde einfach untersagt ist“ (Seeblatt 16. August 1918). Der Konzern musste deshalb durch die Zeppelin Wohlfahrt GmbH selbst aktiv werden. Im Zeppelindorf wurden über 100 Häuser für ca. 650 Bewohner geschaffen. In neu erbauten oder erworbenen Heimen nächtigten Hunderte. Doch Tausende konnten nur notdürftig untergebracht werden, z. T. in den Orten im weiten Umkreis bis Ravensburg. Kurz vor Kriegsende plante die Zeppelin Wohlfahrt noch eine großzügige Überbauung des ganzen Stockwiesengeländes zwischen Charlottenstraße und Riedlewald, auf dem von Prof. Bonatz „das Idealbild einer Stadt geschaffen werden“ sollte (Seeblatt 31. August 1918). Nun aber regte sich Widerstand bei den Honoratioren der Stadt. Man warf dem Konzern die kommunalpolitische Machtübernahme in der Stadt im Bündnis mit dem Stadtschultheißen gegen den Willen des Stadtrats vor. Die „Industrialisierung der Stadt in dieser Art und Weise“ (l. c.) haben man nicht gewollt. Die Stadt sei in ihrer Kommunalpolitik nicht mehr „Führerin“, sondern „Geführte“ (Seeblatt 5. September 1918). Während des Krieges war daran wenig zu ändern. Die Stadt war vollauf beschäftigt, die Lebensmittel- und Brennstoffversorgung bei immer knapperem Angebot notdürftig sicherzustellen. Die Kriegsgewinne des Konzerns ermöglichten es dagegen der Zeppelin Wohlfahrt, über den Wohnungsbau hinaus nicht nur eine Reihe von Versorgungseinrichtungen zur Verbesserung der Ernährungssituation zu schaffen, sondern auch den Saalbau zu erstellen, in dem bis zur Zerstörung im 2. Weltkrieg alle großen Veranstaltungen der Stadt stattfanden.

Hier begannen auch Ende Oktober 1918 die großen Friedensdemonstrationen der Arbeiter, die schließlich zur Revolution am 9./10. November führten. In Friedrichshafen mit seinen großen Arbeitermassierungen begannen diese Demonstrationen besonders früh und wurden auch schon früh Forderungen nach dem Kriegsende, der Republik und grundlegenden Änderungen des Gesellschaftssystems erhoben.

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