Elmar L. Kuhn

Die officia propria des Paulinerordens im 17. und 18. Jahrh.


Die Praxis

Die Konstitutionen und die Breviere gaben die Normen und die Texte für die Offizien vor. Zumindest aus der schwäbischen Provinz sind uns keine Berichte über die Alltagspraxis des Chorgebets bekannt. Wir erfahren nur, was den Visitatoren missfiel und was sie kritisierten.29 Sie vermerkten die Abweichungen in ihren Protokollen und ermahnten in ihren „articuli salutares“ zur Beachtung der Vorschriften. In der schwäbischen Provinz versammelten sich die Mönche der formierten Konvente von Langnau, Rohrhalden und ab den 1730er Jahren auch in Bonndorf wohl regelmäßig zum Chorgebet. Die 2-3 Mönche in den kleinen Konventen der sog. Residenzen Grünwald und Tannheim fanden sich dagegen meist nur zu Matutin, Vesper und Komplet zusammen, obwohl sie bei der Visitation von 1736 zum regelmäßigen gemeinsamen Chorgebet aufgefordert wurden. Im späten 18. Jahrhunderten beteten die Patres dort ihr Brevier nur noch privat.

Anstoß nahmen die Generalvisitatoren vor allem an zwei Punkten, den von den Ordensvorschriften abweichenden Zeiten des Offiziums, vor allem der Matutin, und der Unterlassung des Marien-Offiziums. Schon 1604, 1611 und 1644 hatten Visitatoren und Generäle gefordert, wo immer drei bis vier Brüder einen Konvent bildeten, müsse die Matutin im Winter um Mitternacht, im Sommer vor Sonnenaufgang gefeiert werden30. Diese Anordnungen wurden nie befolgt, aber 1718 bestand der General für die formierten Konvente darauf. Das Generaldefinitiorium befreite zwar Langnau wegen der Studenten von dieser Pflicht, beharrte aber für Rohrhalden darauf, damit wenigstens in einem Kloster der Provinz die Statuten beachtet und die Novizen die strenge Observanz kennen lernen würden31. In Langnau und mit der Vergrößerung des Konvents auch in Bonndorf, sollte man sich wenigstens an Hochfesten um Mitternacht zur Matutin erheben32. In den Residenzen wurde die Matutin wie in Bonndorf normalerweise um fünf Uhr erlaubt, die übrigen Tagzeiten sollten wie in den anderen Konventen nach Vorschrift gehalten werden. Der Streit um die Matutin erledigte sich 1733, als der apostolische Visitator der Luzerner Nuntiatur die Provinz generell von der Matutin um Mitternacht dispensierte und sie auf vier Uhr festlegte. Dann aber sollten die Oberen auch „strictissime ... et diligentissime“ dafür sorgen, dass wirklich alle Konventualen teilnahmen33.

Fast immer beanstandeten die Visitatoren, dass das kleine Marien-Offizium nicht vorschriftsgemäß, vor allem an den Sonn- und Feiertagen nicht gebetet werde. Die Prioren entschuldigten sich mit Überlastung. Bei der Visitation von 1789 baten mehrere Patres um Erlass. 1739 schärften die Visitatoren den schwäbischen Patres ein, „rubricas sacri missalis quam breviarii ad accuratiorem earum notitiam et observantiam bis in anno legantur“.34 Es mag also an der Observanz gemangelt haben.

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