Die Stimme der Bauern verstummte nach Vertrag und Niederlage. Die Herrschaften siegten nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch in der Erinnerung der Nachwelt. Nur die Sieger haben Chroniken hinterlassen, keine Chronik berichtet die Ereignisse aus bäuerlicher Sicht.30 Ganz knapp resümiert der Augsburger Druck des „Abschid des Bundtstag“ 1525, also das offizielle Protokoll der in Ulm vom 5. Februar bis 5. August tagenden Bundesversammlung des Schwäbischen Bundes, der Organisation der süddeutschen Herrschaften, die herrschaftliche Sicht der Vorgänge. In ihrem „erschrockenlichen Abfall“ haben die Bauern „kain andern fürsatz gehabt, dann alle jr Oberkaiten gar abzethuon und selbs Herren ze sein“. Aber es sei gelungen, „die underthanen zu gehorsam [zu] bringen und den Oberkaiten widerumb zu dem jren [zu] helffen“.31
Zwei offiziöse ausführliche Darstellungen sind in der nächsten Umgebung des Feldherren des Schwäbischen Bundes entstanden, des Truchsessen Georg von Waldburg: das Tagebuch seines Herolds Hans Lutz und als Auftragswerk die Chronik des Schreibers des Truchsessen, wohl seines Kaplans. Hans Lutz begleitete den Truchsessen vom Beginn des Feldzuges Ende Februar bis nach Franken im Juni und schrieb wohl jeweils unter dem unmittelbaren Eindruck der Erlebnisse in sein Tagebuch.32Baumann charakterisiert seine Berichte als „kurz und schlicht, jedoch in holpriger Sprache“ (S. 637). Am Schicksal der Bauern nimmt Lutz keinen Anteil, er steht ganz auf der Seite seines Herrn, den Sieg bei Leipheim kommentiert er: „gab im got das gluck, das er die bawrn schlug, got sey globt unn err gesagt“.33Die Vorgänge in Oberschwaben handelt er relativ knapp ab. Von Weingarten schildert er vor allem die Auslieferung der bäuerlichen Fähnlein. Von besonderem Interesse ist die Wiedergabe einer Rede, die der Truchseß vor seinen Landsknechten hielt, als sie sich im März zunächst weigerten, gegen die Bauern zu ziehen. Geschickt argumentierte er mit den gleichen Begriffen wie die Bauern und spielt zuletzt auf die Soldinteressen seiner Leute an: „ir nit welt wider die bawren ziechen, unnd das sey die ursach, wann sy begernn nyemantz nichtz zuthun, dann warzu sye recht habent, unn das wort gotz auf zu richten und handthaben; daselbig begeren mir auch, das wort gotz zu beschirmen, unn auf zu richten, unn begern wir auch nichtz dann recht, und wellen nyemantz nichts wider recht thun, alls unns die bawrn gethan habent, [...] unn haben mir das mein eingenomen, wider got, err un recht, das ich ererbt hab von meinem herrn vater [...], ich mein arme leyt unn ander, nie beschwert hab, weder mit stewr noch rossgellt, sonder in geholfen und geraten, alles das ain herr den seinen thun soll [...]. wann ir den adel nit haben, wa will dan ain kriegsman ain hernn finden?“ (S. 65f.).
Der Schreiber des Truchsessen, sein Kaplan, hatte den Auftrag seines Herrn, dessen offizielle Biographie zu verfassen. Er begann mit der Niederschrift wohl bald nach 1525 und führte sie bis zum Tod des Truchsessen 1531 fort. Der selbständige zweite Teil befasste sich ausschließlich mit dem Bauernkrieg. Der Schreiber hatte seinen Herrn während des ganzen Feldzugs begleitet und konnte deshalb ebenfalls aus eigenem Erleben schöpfen. Anders als das nüchterne Tagebuch des Herolds holt der Schreiber oft weit aus, verfällt oft in einen feierlichen Stil und belegt seine Aussagen mit vielen Aktentstücken. Seine Tendenz verrät schon der Titel: „Ausfuerliche, aigentliche beschreibung des jämmerlichen und gefärlichen aufstandes und rebellation des gemainen paursmann in vast dem gantzen hayligen römischen reich teütscher nation, anno 1524 und 1525 fürgangen, und wie sie widerumb durch kriegsverstendigen und zuesamenhaltung des punts in Schwaben zuer gehorsambe gebracht.“34Apologetische Tendenzen sind unverkennbar. Es soll dokumentiert werden, dass die Bundesräte des Schwäbischen Bundes, „diese doctorn, die es auch nit anderst, dan wie sie es auf der hochenschuel gelernet, verstunden“, diese „pfulbenrät“ (S. 545, 571), ihren Feldherrn immer wieder gegen dessen besseres Wissen zu falschen Entscheidungen zwangen. Breit wird auch gerechtfertigt, wie klug der Truchseß handelte, den Weingartener Vertrag mit den weit überlegenen Seebauern abzuschließen. Der Schreiber gibt auch die gleiche Rede vor den Landsknechten wieder, die auch der Herold festgehalten hat. Hier überzeugt der Truchseß vor allem mit dem Hinweis auf drohenden Soldverlust. Drohend äußert sich der Truchseß auch als Landesherr gegenüber seinen abtrünnigen Untertanen der Herrschaften Waldsee, Wurzach und Zeil. Ihr Vorgehen sei „wider die gebot gottes, das haylig evangelium und wort gottes“, weshalb der Schwäbische Bund gegen sie vorgehen müsse, was „nit wider das haylig evangelium und gotts wort oder die, so dem anhangen, sonder denen, so wider gott, er und recht alle pillicheit, auch wider die gebot gottes, das haylig evangelium, göttliche wort und geschrift den leüten das ir nemmet, erkent ist.“ Wenn sie nicht die Waffen niederlegen und ihm Schadenersatz leisten, „so will ich euch hiemit bey meinen trewen und dem tod, den ich dem allmächtigen schuldig bin, inhalt des evangeliums messen, das da sagt: ‚Mit was maß ir meßt, damit würt euch wider gemessen’, und ein aufgehauft volle, eingetruckte maß.“ (S. 558f.)
In drei oberschwäbischen Klöstern haben Konventsmitglieder über ihre Erlebnisse im Bauernkrieg berichtet. Jede dieser drei Chroniken ist auf einen anderen Grundton gestimmt, in Heggbach Spott, in Weissenau Enttäuschung, in Salem Dankbarkeit. Die Heggbacher Chronik ist das einzige Zeugnis einer Frau, einer unbekannten Nonne des Zisterzienserinnenklosters, die im Auftrag ihrer Äbtissin ihre und ihrer Mitschwestern Erinnerungen festhielt. Ihr Gesichtskreis beschränkt sich ganz auf das Kloster und die nächste Umgebung, aber gerade durch diese Beschränkung sind ihre Berichte umso lebendiger. Für die Anfänge des Baltringer Haufens sind sie mit Kesslers Sabbata zusammen die wichtigste Quelle. Die Nonne schildert einerseit plastisch die Ängste, die der Konvent ausstand, findet aber das Vorhaben der Bauern nur lächerlich und anmaßend und gießt ihren Spott über sie aus. Als Ulrich Schmid, Hauptmann des Baltringer Haufens sie belehren wollte, „von Adam zue sagent und Moysem, wie mir selbs arbaiten sollent, und eß solt es iederman thuen, und auch wie sie Moyses erlitten hett vor dem Pharao, und wie man umb ain oberkait nüzs solt geben. Man losset im mit fleiß auf, und lachent mir hinnen genueg darab“.35Die Nonnen konnten auch über den eigenen Schrecken lachen. Als die Priorin nachts unter ihr Bett schaute, „ob kain bur darunder lege, so lachetent mir dann von herzen.“ (S. 283). Nur die Heggbacher Nonne berichtet auch über einen Auflauf von Frauen, die den Schwestern drohten: „wen man ire mann todte, so weltent sy herin und inen die augen ußkrezen, und sie müessent nuß und die kien melcken und böß jubben tragen, und sy herin und saubere belzlin tragen, und man würd uns in den gemainen hufen triben und daß heß ob dem haupt zuesament binden, und mir müesset auch kint hon und uns wehe geschehen lon, wie inen“ (S. 283).36Die Heggbacher Zisterzienserinnen stammten häufig aus dem Biberacher Patriziat. Aus dessen Perspektive stellt die Chronistin am Schluss befriedigt über die Bauern fest: „sie hettent hettent in der fasten nüz geseet, sy wollten herrn werden und pliben arm puren, und waren armer, dan vor“ (S. 292). Sie dankt Gott, daß er auf die Fürbitte der Heiligen und der armen Seelen Kloster behütet und vor Schaden bewahrt hat.
Dagegen hat Jacob Murer, Abt des Prämonstratenser-Stifts Weißenau in seiner Klosterchronik ausführlich „viele, kaum aufzählbare Kosten“ festgehalten, die sein Kloster in der „Wirrnis und Verirrung“ des Bauernkriegs aufzubringen hatte.37In einer eigenen Chronik hat Murer die Schicksale seines Klosters während der bäuerlichen Erhebung dargestellt, die vor allem die Geschichte des Rappertsweiler Haufens erhellt. Bekannt geworden ist diese Chronik weniger durch den Text als durch die Bildzeichnungen, die bedeutendste und anschaulichste zeitgenössische Bildquelle, die aber wohl nicht von Murer selbst, sondern von anderen Konventsmitgliedern angefertigt wurden. Die Zeichnungen geben häufig weite Landschaftssüberblicke mit Ansichten der Städte, Dörfer, Burgen und Klöster wieder als Schaubühne für die historischen Geschehnisse um Weißenau und in Ummendorf. Die „Szenen von überzeugender Lebendigkeit und auch naiver Derbheit“38geben einen unmittelbaren Eindruck von den Aktionen der Bauern, aber auch von den Gewalttaten des bündischen Heeres und halten genau Kleidung und Ausrüstung der Bauern fest. Im Text, eigentlich nur Kommentar zu den Bildern, hat der Abt seine Gefühle der Enttäuschung und Trauer festgehalten, daß es ihm nicht gelungen ist, durch sein persönliches Auftreten seine Untertanen von der Empörung abzuhalten. Er erinnerte sie daran, dass er „bei 23 Jahren ihr Pfarrer gewesen und ihnen viel Gutes erwiesen [...], beim Bemühen um Frieden zwischen beiden Teilen, dergleichen von mir mit vorgeschossenem Geld, Korn und anderem, mit Gevatterschaft, und haben sie und ich nie keinen Zwist gehabt“ (S. 28).39Die Bauern schworen Gehorsam, wurden mit Brot und Wein bewirtet, was auch bildlich dargestellt wird, fielen aber tags darauf dennoch ab.
Ohne den Autor der Salemer Bauernkriegschronik, einen Mönch oder Beamten des Klosters, wüssten wir kaum etwas über den Bermatinger Haufen. Über dessen Handeln und Organisation zeigt sich der Chronist gut informiert und beruft sich auch auf direkte Kontakte mit dem Bauern-Hauptmann Eitelhans Ziegelmüller, der nach 1525 Karrierre in österreichischem Dienst machte. Der Konvent hatte zwar zu schwören, „das ewangelium verkinden on menschlich zuesätz, bloss den tetzt; zuom andern das mir inen welten helfen handthaben das gottlich recht“, aber das Kloster war dankbar, daß ihm kein größerer Schaden geschah: „der hoptman hat alweg zuo uns gesagt, er well uns nit verkirtzen. Er ist ain guotter gotzhusman gesin, er hatt hand truwlich ob uns gehept, es wer uns villycht nit wol gangen.“40Mit der Unterwerfung der Bauern war aber auch für den Salemer Chronisten die gottgewollte Ordnung wieder hergestellt: „dan es sich nit gebirt, das der stuel uf dem banck stand, und das wasser uf dem disch und der win underm banck“ (S. 125).
Von städtischen Chroniken haben sich nur sehr knappe Aufzeichnungen in Biberach, Memmingen und Überlingen erhalten, die aber alle erst im Abstand von etwa einem halben Jahrhundert oder mehr nach den Ereignissen niedergeschrieben wurden.41Meist altgläubig polemisieren diese Chronisten vor allem gegen die Reformatoren, wie der Überlinger Jakob Reutlinger: „Nachdeme der verfluochte, maynaidige mönch und ertzkätzer Martin Luther anno 1517 angefangen wider die bäpstliche indulgentias und ablaß zu schreiben und zu disputieren, hat er es mit seinen in truck ußgangnen schriften und büechern dahin gebracht, das sich der gemain paursman, wellicher für sich selbs zu newerung und uffruer genaigt ist, vermög seines falsch gepredigten und ußgegoßnen evangeli schier durch das gantze Teutschlant wider ire ordenliche und von gott gesetzte obrigkaiten empöret und ufgeworfen, vermainten aller beschwerden, zünß, steyren, väl, gläß, fürnemblich aber der leybaygenschaft ledig zu sein, wie sie dan ire zwelf beschwärtarticl durch offentlichen druck ußgeen laßen“ (S. 509).