Elmar L. Kuhn

Eitelhans Ziegelmüller, der Bauernkrieg und Oberteuringen


Das Ende

Der „Schwäbische Bund“, das Bündnis der Fürsten, des Adels und der Reichsstädte, hatte in seinen Verhandlungen mit den Bauern immer nur das Ziel verfolgt, Zeit für Rüstungen zu gewinnen. Nun zog der „Bauernjörg“, Truchseß Georg von Waldburg mit einem Herr von 7000 Mann ins südliche Oberschwaben. Hinter ihm zog sich eine Blut- und Brandspur durchs Land. Am 4. April hatte er den Leipheimer Haufen geschlagen, anschließend den Baltringer Haufen zersprengt, dem die Allgäuer und Seebauern entgegen der Bundesordnung nicht zur Hilfe gekommen waren. Am Karfreitag wurden des Truchsessen eigene Bauern bei Wurzach geschlagen. In Gaisbeuren hinter dem Altdorfer Wald trafen die beiden Heere, das bündische und das der See- und Allgäuer Bauern, am Ostersamstag aufeinander und begannen sich gegenseitig mit Geschützfeuer zu belegen. In der Nacht darauf zogen sich die Bauern nach Weingarten zurück. Am nächsten Tag musste das bündische Heer stilliegen, „denn ihre Pferde waren ab- und sehr müde geritten“. Die Bauern aber nutzten die Ruhepause, Verstärkungen herbeizuholen und sich zu verproviantieren. „Als der Hauptmann Eitelhans Ziegelmüller die Macht des Bundes sah, schickte er von Weingarten herab noch am Ostervorabend eine Botschaft und hat im Tal verkünden lassen, zu ihm zu ziehen, was Stangen und Spieße tragen kann, denn man hatte etliche in Dörfern als Wachtposten zurückgelassen, und so hat sich der Haufen noch vergrößert. Auch kam Dietrich Hurlewagen mit seinem Haufen und hat etliche Stück Geschütz aus dem Schloss Argen mitgebracht. So haben sich die Massen vergrößert bis an die 14 000.“

Am Ostertag schickte Ziegelmüller nach Salem „den Ammann von Bermatingen und einen Bürger von Markdorf und hat vom Kloster begehrt, es solle den Bauernhaufen zu Weingarten Lieferungen von Wein und Brot senden. Also hat ihnen das Kloster an die 4000 Brote, 26 Maß Wein auf zwei Wägen zugeschickt, die sie von Weingarten herabgeschickt hatten. Aber diese Lieferung kam am Morgen nicht weiter als Dürnast...“. In Dürnast kamen dem Transport bereits die von Weingarten zurückflutenden Bauern entgegen, die den Proviant unter sich verteilten. Denn am Montag war der Krieg für die Seebauern bereits aus, und der „Weingartner Vertrag“ geschlossen worden. Schon am Sonntag hatten nämlich Verhandlungen begonnen, um eine friedliche Einigung zustande zu bringen. Unter anderem ist auch der Hauptmann Ziegelmüller „mit dem Trompeter allein zu Herrn Jörg gegen Baienfurt... geritten. Dort haben sie miteinander verhandelt, ob man die Sache gütlich regeln könnte.“

Der Truchseß hatte allen Anlass, den Kampf zu vermeiden. Sein Heer, das am Ostermontag durch den Altdorfer Wald gezogen war, und den Bauern in ungünstiger Stellung gegenüberlag, war den Bauern an Größe weit unterlegen. Viele ehemalige kriegserfahrene Landsknechte waren im Bauernheer und auch an Geschütz fehlte es den Bauern nicht. Eine Niederlage des Bundes hätte das einzige fürstliche Heer in Oberdeutschland vernichtet und unabsehbare Folgen haben müssen. Adelige der Umgebung und Ravensburger Ratsmitglieder suchten in dieser Lag zu vermitteln. Das einschüchternde Verhalten des Truchsessen, schließlich seine Drohung, Weingarten einzuäschern, ließ den Bauernführern den Mut sinken.

Noch am Ostermontag kapitulierten sie und nahmen die Bedingungen des „Weingartener Vertrags“ an. „Der Bauern Hauptleute und Fähnriche mussten um Verzeihung und Gnade bitten, auch ihm alsbald ihre Fähnlein übergeben“. Die Bauern konnten mit ihren Waffen heimwärts ziehen, während ihre Führer noch bis 22. April über Details des Vertrags verhandelten, bis es zum endgültigen Abschluss kam. Noch in der Nacht nach der Kapitulation aber waren den Seebauern 8000 weitere Allgäuer und 4000 Hegauer Bauern als Verstärkung zugezogen. Der Weingartner Vertrag bestätigte in allem den vorigen Rechtzustand, die Bauern sollten „ihren obersten Herrschaften, gegen die sie sich empört hatten, wieder ihre Pflicht tun, ihnen getreu, gehorsam und gewärtig sein, ihre Zinsen, Gülten, Zehnten und andere Pflichten... wieder tun und leisten“. Beschwerden sollten vor Schiedsgerichte kommen. Alle bäuerlichen Bündnisse und Verträge sollten aufgelöst sein. Der entstandene Sachschaden war den Herrschaften zu ersetzen. Den Vertrag unterschrieben die Vertreter der einzelnen Plätze. Für den Bermatinger Platz taten dies Eitelhans Ziegelmüller und zwei Bauern aus Riedheim bei Markdorf.

Natürlich kam bei den Schiedsgerichten nichts heraus und blieb alles beim alten. Den einzigen „Erfolg“, den die Bauern erzielten, wenn man ihn so nennen darf, war die Zusicherung der Straffreiheit, ein Zugeständnis, über das sich die Reichsstadt Überlingen gar nicht beruhigen konnte, da sie ihre Bauern gern streng gestraft hätte. Die Seebauern hatten durch ihre Stärke immerhin erreicht, dass ihnen die Blut- und Sachopfer der Bauern in anderen Landschaften erspart blieben. „Es wären, wie zu besorgen ist, sonst viele Witwen und Waisen gemacht worden“, bemerkte trocken der Salemer Chronist. Auf der anderen Seite hätten vielleicht die Seebauern durch einen Sieg die Sache der Bauern entscheidend wenden können und dadurch eine ganz andere Entwicklung nicht nur in Oberschwaben einleiten können. Denn durch ihre Kapitulation erhielt der Truchseß freie Hand, die Bauern in den anderen Gebieten niederzuwerfen.

Aber zunächst schien es gar nicht so sicher, ob die Bauern den Vertrag auch halten würden. Auch wenn die umliegenden Bauern das Kloster Salem zunächst noch durch „Hin- und Herziehen“ beunruhigten, und „man ihnen hat alleweil müssen zu trinken geben“, schreibt doch Ende April der Salemer Abt erleichtert: „Wisset, dass es noch gut steht im Kloster. Nicht ein Heller Schaden ist uns geschehen als an Wein und Brot, aber das mag hingehen. Geb uns Gott Gnad zu Frieden.“ Im Mai befürchtete er jedoch bereits wieder, „dass der alte abgestellte Abfall allenthalben wieder erneuert und die letzte Irrung ärger als die erste werde“. Denn der Truchseß war nach Nordwürttemberg und Franken weitergezogen, während im benachbarten Hegau und Allgäu die Bauern noch am Aufstand festhielten. Mehrfach wandten sich die Hegauer und insbesondere die Allgäuer Bauern an die Seebauern und drängten zu einem neuen Bündnis, ja droht, sie dazu zu zwingen. „Wer gerne tanzt, dem ist leicht pfeifen“, meinte dazu bekümmert der Schreiber des Truchsessen.

Dass es nicht soweit kam, daran kam Eitelhans Ziegelmüller ein gut Teil Verdienst, oder je nach Perspektive: Schuld, zu. Am 4. Mai hatte Ziegelmüller, die „Bauern von Salem“ nochmals zu einer Versammlung zusammengerufen. Da der „Weingartener Vertrag“ dies eigentlich verbot, fürchtete der Landschreiber von Ravensburg schon: „Ich bin sehr über einen erneuten Abfall besorgt.“ Seine Sorge war unnötig. Am 10. Mai bei einer Versammlung in Wangen, wo es um die Ablehnung der Allgäuer Bemühungen um einen neuen Aufstand ging, und die Klage unter den rühmlichen Bauernführern allgemein war, dass „der gemeine Mann nicht gern gegen die Allgäuer, auch etliche lieber zu ihnen, als gegen sie ziehen würden“, rühmte sich Ziegelmüller: „Derlei Sachen seien ihm auch begegnet, aber vor kurzem habe er sein Volk zum größten Teil wieder beisammen versammelt gehabt, sie wegen des Vertrags ermahnt und... sie wieder einander bei aufgehobenen Händen schwören lassen, den Vertrag treu zu halten und zu geloben“.

Wie prekär die Lage noch war, zeigt die sogenannte „Sernatinger Meuterei“. Gegen die Hegau-Bauern hatten Überlingen und auf seine Aufforderung hin auch die Städte Ravensburg und Pfullendorf, der Bischof von Konstanz, der Abt von Salem und der Graf von Werdenberg-Heiligenberg Ende Mai 5000 Mann aufgeboten. 200 Mann davon hatte der Abt von Salem unter seinen Untertanen rekrutiert. Als diese Truppen zu Sernatingen (Ludwigshafen) den Bauern gegenüberlagen, sorgten sich die Städte, „die Bauern vom Land, die mit im Heer sind ... würden nicht willig sein, die Bauern im Hegau zu schlachten, wenn es dazu käme. Denn es ist ein bekanntes Sprichwort, es ist nicht gut, Fuchs mit Fuchs zu jagen. Auch haben die Bauern gesagt... ihre Spieße stechen keine Bauern.“ Um sich abzusichern, wollte Überlingen am 27. Mai dem ganzen Aufgebot den Fahneneid abnehmen. Daraufhin weigerten sich 600 Mann, der Trommler aus Bermatingen rührte die Trommel, und einer der bäuerlichen Führer rief: „Männer, die ihr Spieße und Hellebarden nicht gegen Bauern einsetzen wollt, zieht ab!“ Doch gelang es den städtischen Truppen, die Verweigerer einzuschließen und zu entwaffnen. Die Anführer wurden hingerichtet.

Da hielten die Herrschaften den Ziegelmüller für einen loyaleren Mann. In Würdigung seiner Verdienste zahlten sie ihm im Juli zwei Gulden „zu einer Verehrung“ in Anerkennung seiner Bemühungen zur Verhinderung eines neuen Aufstandes. Was also die Bauern seinerzeit von Hurlewagen bereits vermuteten, er werde vom Bund bezahlt, wissen wir heute auch von Ziegelmüller. Kein Wunder, dass dieser „Eitelhans Ziegelmüller, gewesener Hauptmann“ im vollen Bewußtsein seines Werts für die Herren noch im Oktober des Jahres 1525, als ringsum alle Aufstände niedergeschlagen waren, es wagen konnte, in aller Offenheit an die „ehrsamen, weisen... Räte, Waibel und Mithandelnden... des vergangenen Aufruhrs des Haufens am See“ schreiben konnte. Er lud sie dabei in das Wirtshaus seines Bruders in Neuhaus ein, um die Abrechnung vorzunehmen. Insbesondere sollten noch den Wirten in Ravensburg die Kosten, die bei den Verhandlungen um den Weingartener Vertrag aufgelaufen waren, und der Sekretär, der den Vertrag gefertigt hat, bezahlt werden. Das fand dann die Spitze des Schwäbischen Bundes doch etwas gewagt und wollte die Angelegenheit erst zur Genehmigung vor die Bundesversammlung bringen. „Haben die Wirte solange gewartet, so werden sie auch noch bis zum ... Bundestag Geduld tragen können.“

So brachte der Bermatinger Haufen, oder vielmehr sein Führer, die Revolution noch zu einem ordentlichen Abschluss. Während anderswo die Strafexekutionen des Bundes Angst und Schrecken verbreiteten, sorgte man sich hier, die Kosten der Kapitulation zu bezahlen. Dies war die letzte Nachricht vom Bermatinger Haufen.

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