Elmar L. Kuhn

Die Pauliner 13.-16. Jahrhundert


Die Ordens- und Wirtschaftsverfassung

Die Pauliner lebten nach der Augustinusregel, die sich über die innere Organisation eines Ordens ausschweigt. Erste Konstitutionen liegen in einer zwischen 1365 und 1381 redigierten und von Kaspar Elm entdeckten Fassung vor36. Eine erweiterte und veränderte Fassung um 1500 hat Stanislaw Swidzinski herausgegeben37.

Sie gehen, wie im Prolog angegeben, im Kern auf die beim ersten Generalkapitel 1309 beschlossenen „constituciones et ordinaciones paucas, non ex novo editas, aut inventas, sed ex diversis particulariter recollectas“38zurück, was ihren reichlich unsystematischen Charakter erklärt, und wurden immer wieder durch neue Generalkapitelsbeschlüsse ergänzt. 1643 verordnete Papst Urban VIII. dem Orden neue, erstmals systematisch gegliederte Konstitutionen, die den Charakter des Ordens wesentlich veränderten.

De facto bereits mit der Bulle Papst Johannes’ XXII. 1328, de jure spätestens mit der Bulle Gregors XI. 1377 waren die Pauliner ein exemter, unmittelbar der päpstlichen Jurisdiktion unterstehender Orden39. Bonifaz IX. 1401 und wiederum Martin V. 1418 gewährten dem Orden alle Privilegien, die der Apostolische Stuhl den Kartäusern verliehen hatte, und stellte ihn damit diesem angesehenen, die eremitische Lebensweise real eher bewahrenden Orden gleich40.

Die Ordensverfassung der Pauliner orientierte sich an den Bettelorden, v.a. an der dominikanischen Verfassung, die als „ausgeglichenes und höchst rationales Regierungssystem mit drei organisatorisch miteinander verbundenen Ebenen, jenen des Gesamtordens, der Provinzen und der Konvente“ charakterisiert wird41. Oberstes Organ war das Generalkapitel, zu dem sich Generalprior, „vicarius generalis“, „socius“, die „vicarii“, die Prioren der Vikariate, und die „discreti“ der ungarischen Konvente im Kloster St. Laurentius bei Buda bis zu dessen Zerstörung jährlich versammelten. Die „aliarum provinciarum patres“, also die Provinzialprioren, und die discreti der Provinzen hatten nur in jedem Schaltjahr zu erscheinen42. Das folglich fast völlig von den ungarnischen Kapitularen beherrschte Generalkapitel wählte den Generalprior, der jährlich zu resignieren und Rechenschaft zu legen hatte, vor allem, inwieweit er seiner Pflicht zur Visitation gerecht geworden war. Eine rechtmäßige Wahl des Generalpriors konnte nur auf einem Generalkapitel in Ungarn erfolgen43. Die Amtszeit der Generalprioren dauerte von Ausnahmen abgesehen anfänglich in der Regel fünf, ab Ende des 14. Jahrhunderts sechs Jahre und wurde ab 1439 strikt auf vier Jahre mit der Möglichkeit einer späteren einmaligen Wiederwahl begrenzt. Ebenso hatten alle übrigen Kapitularen ihre Ämter zu resignieren und ihre Amtsführung überprüfen zu lassen, konnten aber ohne Zeitbegrenzung wiederbestellt werden.

Unklar ist, ob nach der Festlegung der Amtszeit der Generalprioren auf vier Jahre 1439 zu den sog. Zwischenkapiteln zwischen den Wahlkapiteln nur mehr die „diffinitores“ berufen wurden, die mit den „vicarii“ identisch waren44.

Die Provinzverfassung wird in den Konstitutionen mit Formulierungen wie „prior generalis vel provincialis“ bzw. „capitulum generalis seu provincialis“ abgetan. Diese Begriffe tauchen schon in der ersten erhaltenen Fassung bald nach 1365 auf. Damals kann es nur die deutsche Provinz gegeben haben, die als Organisationsebene bei Gyöngyösi noch keine Erwähnung fand und deren Bildung 1340 erst von Eggerer geschildert wurde45. In Polen wird ein Provinzialprior erstmals 1396 genannt46. „Es scheint“, dass die Klöster in Istrien und Südkroatien im 15. Jahrhundert ebenfalls eine Provinz bildeten47. Provinzen waren offenbar nur für die entfernteren damaligen Randgebiete des Ordens vorgesehen. In Ungarn waren immer mehrere Klöster zu Vikariaten unter dem Prior eines größeren Klosters als Vikar zusammengefasst48. Die Vikare hatten die gleiche Stellung wie Provinzialprioren. Es gab aber keine Vikariatskapitel, da die ungarischen Prioren und „discreti“ sich jährlich zu den Generalkapiteln versammelten. Erst ab 1700 waren alle Klöster in Provinzen organisiert.

Monastischem Verständnis entsprach dagegen die Verpflichtung der Brüder auf stabilitas in ihrem Professkloster. Allerdings konnten der Generalprior aus Gründen des Ordenswohls und Vikare aus zwingenden Gründen Brüder in andere Konvente versetzen49.

Ebenso grenzten sich die Pauliner in ihrer Wirtschaftsverfassung dezidiert von den Bettelorden ab. Die Konstitutionen verboten strikt den Bettel, und die Brüder sollten von ihrer Ausstattung mit landwirtschaftlichen Gütern leben. Da sie häufig nur über wenig Besitz verfügten, mussten sie zumindest in den Anfängen oft ihren Lebensunterhalt „laboribus manuum suarum“ fristen und ihre Güter selbst bewirtschaften50. Für diese selbst bewirtschafteten Grundstücke, später generell, hatten die Päpste sie von den Zehnten befreit51. Die früheste Fassung der Konstitutionen verbot sogar den Konventen den Besitz von Dörfern und Burglehen als „venenum in ecclesia dei infusum“52. Diese Vorschrift wurde aber bald wieder gestrichen. So bezogen in Kroatien die Klöster ihre Einkünfte hauptsächlich aus traditionellen Grundherrschaften53. In Ungarn sollen dagegen Mühlen die wichtigste Einnahmequelle gewesen sein, daneben Fischteiche, Viehzucht, Wein- und Obstgärten, eher selten Ackerland 54. In den Konventen wirkten auch Laienbrüder, meist als Dienstboten oder als Handwerker, die für den eigenen Bedarf der Klöster arbeiteten.

Gemäß ihrer eremitischen Tradition begründeten die Pauliner ihre Niederlassungen fast nur in ländlichen Gebieten mitteleuropäischer Hügellandschaften oder Mittelgebirge außerhalb, aber in der Nähe von Siedlungen. Wenn sie sich nicht mehr als Individuen in der Einsamkeit absonderten, so bewahrten sie sich meist noch die Einsamkeit ihrer Gemeinschaften bei der Ortswahl ihrer Klöster55

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