In einer der wichtigsten Geschichtsquellen bewegen wir uns täglich, meist unbewusst: die Kulturlandschaft und die bebaute Umwelt unserer Städte und Dörfer, an denen sich die Abfolge von Wirtschaftsperioden, soziale Verhältnisse und Stilentwicklungen ablesen lassen. Das Kulturamt hat deshalb in den 1980er Jahren alle wichtigeren Bauernhäuser der Bauperioden vom 17. bis zum 20. Jahrhundert im Kreis erfasst ebenso wie die Baudenkmäler des Industriezeitalters. In der Baudokumentation werden Berichte, Pläne und Fotos zu diesen Bauten erfasst.10
Die Grabmäler in und an den Kirchen und auf den Friedhöfen künden vom Verhältnis unserer Vorfahren zum Tod und lassen den jeweiligen sozialen Status erkennen. In der Grabmaldokumentation sind alle Grabsteine im Kreis bis zum ersten Weltkrieg nachgewiesen.11Als Standardwerke gelten mittlerweile die vom Kulturamt als Auftragsarbeiten vergebenen Kataloge der spätmittelalterlichen Wand- und Buchmalerei im Bodenseegebiet.12
Als Zeugnisse barocker Repräsentation und Bildungsgeschichte wurden die Großgrafiken der Wappenkalender und Thesenblätter Oberschwabens ermittelt.13Die „hohe“ Kunst des Barocks gibt uns wenig über die Lebensumstände dieser Zeit preis. Die Votivbilder vermitteln uns dagegen ein anschauliches Bild von den Menschen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts, ihrer Kleidung und ihren Nöten. Das Kulturamt hat alle Votivbilder des Bodenseekreises, der Kreise Konstanz, Lindau, Ravensburg und des südlichen Teils des Kreises Sigmaringen dokumentiert.14
Siegel sind nicht nur rechtliche Beglaubigungsmittel, sondern geben Aufschluss über das Selbstverständnis der siegelnden Institutionen und Personen, vor allem aber sind die Siegel des Hochmittelalters Kleinkunstwerke aus einer Zeit, aus der in unserem Raum kaum andere Kunstwerke erhalten geblieben sind. Das Kulturamt besitzt Inventare der Siegel der Grafen von Montfort, der Bischöfe von Konstanz und des Paulinerordens.15
Bei den bisher vorgestellten Inventarisierungsprojekten handelt es sich um sichtbare, materielle Artefakte als Geschichtszeugnisse. Das „Projekt Mündliche Geschichte“ erzeugte Geschichtsquellen erst, indem es die Menschen nach ihren Erfahrungen und Erinnerungen befragte und sie in Ton und Schrift festhielt.16Akten und Publikationen geben die administrativen oder journalistische Sicht auf die Menschen wieder, was sie selbst denken, lässt sich meist nur indirekt erschließen. Das groß angelegte Kooperationsprojekt mit dem „Projekt Regionale Sozialgeschichte“ der Universität Konstanz versuchte in den 1980er Jahren zu rekonstruieren, wie Menschen in den Gemeinden Bermatingen, Immenstaad, Meersburg, Oberteuringen und Owingen den Wandel der Lebensverhältnisse in ihrem Lebenslauf wahrgenommen und verarbeitet haben.17