Bewahren, Erforschen, Vermitteln – welche wesentlichen Bildungselemente können denn nun aus dem vom Kulturamt verwalteten Wissen und dem von ihm produzierten Wissenszuwachs herausdestilliert werden? Was könnte davon für eine Heimatkunde auf dem Weg zur Beheimatung hilfreich sein? Raumbild, Inhalt und Funktion der Salemer Klosterbibliothek, der heutigen Kreisbibliothek können das Bildungsprogramm des Kulturamtes visualisieren. Der wenn auch schwere Deckenstuck gibt noch einen Eindruck barocker Sinnenfreude, die frühklassizistische Ausstattung konfrontiert sie mit der Nüchternheit der Aufklärung und des Vernunftglaubens. Die Bibliotheksschränke enthielten einst vornehmlich theologische und philosophische Literatur, heute mit der Landkapitelsbibliothek vor allem die Werke der katholischen Aufklärung des frühen 19. Jahrhunderts und der deutschen Klassik. Über allem wölben sich die Deckenbilder der Heilsgeschichte von der Erschaffung der Erde bis zu ihrem Untergang. Das Buch mit den sieben Siegeln im Zentrum erinnert an die Relativität aller menschlichen Erkenntnis. In den Zwickeln über den Fenstern kündeten vordem Bilder von der Ordens- und Klostergeschichte. Heute können Regional- und Ortsgeschichten in den Büchern und Zeitschriften in den Regalen nachgelesen werden. Ihre Lehren korrespondieren mit den Werten der Gesellschaft Oberschwaben. Die lange Dominanz der Landwirtschaft ermöglichte eine „glückhafte Rückständigkeit“, die „heitere Moralität“ erinnert an die Prägung der Landschaft durch die katholische Kirche. Der „Republikanismus“ ist in einer langen demokratischen Tradition der kleinen Räume fundiert und motiviert zu politischem Engagement. Die „media via“ der Künste unserer Region, ihr Maß verhindert Exzesse und Verstörung, beruhigt bisweilen allzu sehr. Die „langen Wellen“ des Wetters und der Wirtschaft machen uns bewusst, wie wir von Natur abhängig bleiben und dass Wirtschaft der politischen Einhegung bedarf, soll sie nicht Natur und Gesellschaft zerstören.
Zu triviale Erkenntnisse nach Inspektion einer langjährigen Baustelle und ihren Folgerungen dennoch zu anspruchsvoll? In ihrer Konkretion in dem langen Geschichtsverlauf unserer Region mögen sie motivieren und ermutigen. Erfreulicherweise arbeiten auf dieser Baustelle auch viele andere, Institutionen, Organisationen und Einzelpersonen. Auf der Baustelle muss weitergebaut werden, an der Heimatkunde wie an der Beheimatung oder wenigstens der Bewahrung. Bei einem Bau muss vor allem auf gute Fundamente und ein solides Dach geachtet werden. Heutzutag besteht die Gefahr, dass einige repräsentative Empfangszimmer gut ausgestattet werden und der Rest des Bauwerks verfällt.
Veröffentlicht in: Elmar L. Kuhn: „Wer Kultur sagt, sagt auch Verwaltung“. 30 Jahre Kulturamt Bodenseekreis im Landratsamt Bodenseekreis. Salem: Kulturamt Bodenseekreis, 2009, S. 45-60.